Frage: Herr Stelter, der Karneval 2022 ist ja wohl mit gebremstem Schaum gelaufen. Da muss Ihnen, aus Unna stammend, aber rheinische Frohnatur durch und durch, das Herz ganz schön schwer geworden sein.
Bernd Stelter: Na, eine rheinische Frohnatur bin ich sicher nicht. Ich stehe nicht morgens auf und bin schon fröhlich. Sonst wäre meine Frau auch schon geschieden, und das möchte ich dringend verhindern. Ich möchte ein optimistischer Mensch sein, aber daran muss ich immer arbeiten. Das geht bei mir nicht automatisch.
Erklären Sie bitte einem Norddeutschen, warum die fünfte Jahreszeit in Köln so unverzichtbar ist?
Im Karneval macht der Deutsche Sachen, die er eigentlich gar nicht kann. Er geht raus, er trifft wildfremde Leute. Und er trifft die nicht nur, er unterhält sich mit denen, er feiert mit denen, er singt und tanzt. Alles das fehlt uns gerade, aus bekannten Gründen. Aber es täte uns verdammt gut.
„Alles hätt sing Zick“, alles hat seine Zeit, lautete das Motto der 2022er-Session. Ist gerade die Zeit, um sich zu amüsieren? Oder ist es gerade wegen der düsteren Weltlage erst recht angebracht, dass zwischendurch auch mal Heiterkeit verbreitet wird?
Die Situation ist schrecklich. Die Lage der Menschen in der Ukraine ist fürchterlich. Wir dürfen das nie vergessen. Aber, und ja, es gibt ein Aber: Wir dürfen auch nicht 24 Stunden am Tag Nachrichten konsumieren. Meine Eltern haben morgens beim Frühstück die Tageszeitung gelesen, und um 20 Uhr den Köpcke in der Tagesschau gesehen. Wir sollten nicht glauben, dass sie deswegen viel schlechter informiert waren. Wenn ich alle dreiviertel Stunde auf Spiegel online die Lage in der Ukraine checke, die Corona-Zahlen auswendig lerne und mich Tag und Nacht mit nichts anderem beschäftige, dann werde ich sicher verrückt. Das kann kein Mensch. Man kann nicht nur traurig sein, ab und zu zu lachen bleibt erlaubt.
Einmal ganz abgesehen davon, was der Krieg privat mit Ihnen macht – hat er auch Einfluss auf Ihre Arbeit?
Ich beende jeden Abend auf der Bühne mit dem Lied vom Clown. Viele Leute sagen mir, ich komme aus dieser Mühle nicht raus. Aber es ist meine Pflicht, als Kabarettist, Komiker und Clown, den Leuten zwei Stunden lang andere Gedanken zu geben. Das ist mein Beruf. Niemand hat gesagt, dass das einfach ist. In dem Lied heißt es: „Ich bin ein Clown, und ich will gar nichts anderes sein, ich erzähl vom wahren Leben oder auch vom schönen Schein, ich bin der, der Faxen macht. Ich will, dass ihr lacht. Wenn der Applaus kommt, fühl' ich mich wie neu geboren, erst wenn das Lachen stirbt, erst dann sind wir verloren. ich erzähl' vom wahren Leben oder auch vom schönen Schein. Ich bin ein Clown, und ich will gar nichts anderes sein.“
„Mundwinkel hoch“, war ein früheres Stelter-Programm überschrieben. Sie versuchen auf der Bühne immer wieder ganz unverdrossen, Trost zu spenden. Als jetzt 60-Jähriger lassen Sie wissen, dass sie gehört hätten, diese Altersgruppe würde sich deutschlandweit und im Schnitt 13 Jahre jünger fühlen. Selbst können Sie sich da zumindest aus eigener Erfahrung nicht widersprechen?
Ich bin jetzt Ü 60, und ich finde, das ist ein tolles Alter. Die Kinder sind aus dem Haus. Die haben beide einen tollen Job. Kein familiärer Stress mehr. Kein beruflicher Stress mehr. Ich war zehn Jahre bei „7 Tage, 7 Köpfe“, ich stehe seit 30 Jahren auf der Bühne, ich muss niemandem mehr was beweisen. Und meine Frau ist 55. Ich muss gar nicht nachts durch irgendwelche Bars und Kneipen tigern, um eine jüngere Frau zu finden. Meine Frau ist jünger. Ich habe ein Buch geschrieben mit dem Titel „Wer älter wird, braucht Spaß im Leben!“ Genau darum geht es.
„Hurra, ab Montag ist wieder Wochenende!“, das neue Programm hat auch wieder so was Aufmunterndes. Sind Sie mit Ihrer Work-Life-Balance zufrieden, und wie sieht bei Ihnen ein perfekter freier Tag aus?
Ich bin ein Frühstücksfreak. Morgens einen selbst gemachten Obstsalat, ein Müsli, und vielleicht ein Brötchen mit Rührei, Säftchen dazu. Toll! Dafür lasse ich das Mittagessen weg. Und ich habe meine 10.000-Schritte-Regel. Das macht Spaß. Abends noch ein Gläschen Weißwein mit Freunden. Zack, perfekter Tag!
Sie sind Liedermacher, Comedian, Kabarettist, Moderator, Karnevalist und Schauspieler. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn das bei Ihrer persönlichen Berufswahl ausgeschlossen gewesen wäre?
Dann wäre ich jetzt wohl schon fast Rentner. Und das bleibt mir zum Glück erspart. Ich kann ja nicht in Rente gehen. Ich habe ja keinen Beruf. Ich gehe auf der Bühne meinem Hobby nach. Mein großes Vorbild in dieser Beziehung ist Dieter Hildebrandt. Er ist 2013 im Alter von 86 Jahren gestorben, hätte aber in der Woche darauf noch Auftritte gehabt. Das ist die schönste Form von Optimismus.
Die Fragen stellte Michael Schön