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Schotterflächen in Ritterhude 80 Gärten voller Steine

Schottergärten sind nicht nur unschön, sie sind auch per Bauordnung nicht zulässig. Ritterhude meldete nun dem Landkreis 80 solcher Flächen. So geht die Kreisverwaltung mit den Hinweisen um
24.02.2023, 11:00 Uhr
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Von Brigitte Lange Bernhard Komesker

Ritterhude. Die Gemeinde Ritterhude hat die Schottergärten im Gemeindegebiet gezählt. 80 Exemplare, die den Kriterien entsprechen, seien identifiziert worden, teilte Bürgermeister Jürgen Kuck unlängst in öffentlicher Sitzung mit. Die Kommune hat damit auf wiederholte Fragen von Bürgern reagiert, die sich über zugeschüttete und versteinerte Gärten in der Nachbarschaft ärgern. Lokalpolitiker regen zudem an, Schottergärten als unzulässig in die Satzungen neuer Bebauungspläne aufzunehmen. Davon aber rät Bauamtsleiter Michael Keßler ab: Die Niedersächsische Bauordnung spreche sich bereits eindeutig genug gegen Schottergärten aus. Eine solche Satzung solle nicht mit Hinweisen überfrachtet werden.  

"Dann lasst uns doch mal forschen, haben wir uns gedacht", berichtet Keßler auf Nachfrage der Redaktion. Der kommunale Außendienstler, der für den Bauhof den Zustand der Gemeindestraßen im Auge behält, habe bei seinen Rundgängen nach Gärten geschaut, bei denen auch die Flächen geschottert sind, die nicht für Schuppen, Stellplätze und Wege genutzt werden. Laut Bauordnung ist eben dies nicht zulässig. "Unser Mitarbeiter hat bei diesen Häusern den Flyer des Landkreises Osterholz ,Bunt statt grau' in den Briefkasten geworfen." Das sei alles, was die Gemeinde gegen die Schottergärten unternehmen könne: die Besitzer für das Thema sensibilisieren. Denn, so Keßler: "Wir haben kein Eingriffsrecht."

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Ritterhude hat die identifizierten Grundstücke dem zuständigen Bauordnungsamt des Landkreises Osterholz benannt. "Wenn dem Landkreis von einer Gemeinde 80 Schottergärten gemeldet werden, muss er aktiv werden", findet Keßler. Aber der Landkreis Osterholz habe erklärt, er habe keine Mitarbeiter, um allen Missständen nachzugehen. Nur in Extremfällen könne er aktiv werden. 80 Schottergärten, räumt Michael Keßler ein, seien sicherlich nicht viel im Vergleich zur Gesamtzahl von rund 6500 Grundstücken in Ritterhude. Ihre Zahl wachse auch nicht rasant, aber sie steige nun mal unaufhörlich. "Ich finde, das sollte angegangen werden", meint Keßler. Es wäre ein Signal an das gesamte Umfeld, dass verbotene Schottergärten nicht stillschweigend geduldet werden. "Leider haben wir diese Unterstützung nicht bekommen."

Landkreis setzt auf Einsicht

Tatsächlich ist die Bauaufsicht im Kreishaus bemüht, das Thema nicht hochkochen zu lassen. Anders als die Stadt Diepholz, die wegen einer Anordnung auf Beseitigung zweier Vorgarten-Kiesbeete von den Eigentümern verklagt wurde und in zwei Instanzen Recht bekam, werde Osterholz die Daumenschrauben nicht anziehen, teilt Verwaltungssprecherin Sabine Lübke auf Anfrage mit. Der Landkreis Osterholz baue auf die Einsicht der Bürger. Das bedeutet: Es bleibe bei der vorrangigen Praxis, öffentlich auf die Unzulässigkeit von Schottergärten hinzuweisen und "die naturnahe Gartengestaltung positiv zu bestärken". Wer eine Baugenehmigung erhält, bekommt automatisch das besagte Faltblatt übersandt, das der Landkreis vor zwei Jahren auf Drängen der Grünen erstellt hat.

Der Flyer wirbt für umweltfreundliche Alternativen und listet die Nachteile von Schottergräten auf, ohne auf das ausdrückliche Verbot hinzuweisen, das sich seit 2012 aus Paragraf 9, Absatz 2, der Niedersächsischen Bauordnung ergibt. Dass bei Verstößen auch behördliche Anordnungen möglich sind, die mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro belegt sein können, ist dem Faltblatt ebenfalls nicht zu entnehmen. Es ist im Internet unter www.landkreis-osterholz.de zu finden, wenn man die Website nach dem Begriff "Schottergärten" durchsucht. Sabine Lübke bekräftigt: "Der Landkreis setzt darauf, dass es sich herumspricht: Schottergärten sind nicht erlaubt – und ein bunter Garten ist schöner und muss nicht aufwendiger zu pflegen sein."

Ermessen im Einzelfall

Baupolizeilich werde die Behörde weiterhin "bei massiven Verstößen gegen die Begrünungspflicht" einschreiten und eine Beseitigung der Steine anordnen, so die Sprecherin. Bei versiegelten Grundstücken sei dies auch in der Vergangenheit schon mal der Fall gewesen. Gefragt nach den Größenverhältnissen und Kriterien, ab denen ein Verstoß als massiv gilt, bleibt der Landkreis Osterholz eine konkrete Antwort schuldig. Rechnerisch lasse sich dies nicht festlegen, sondern es komme auf den Einzelfall an, teilt Lübke mit. Abzuwägen seien bei der Ermessensentscheidung, wie bei jedem Baurechtsverstoß, unter anderem auch sicherheitsrelevante Aspekte, nachbarliche und gemeindliche Interessen.

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Zwar begrüßt die Osterholzer Kreisverwaltung das Urteil zugunsten der Stadt Diepholz, weil es zur Rechtssicherheit beitrage und klarstelle, welche Handlungsmöglichkeiten die Bauaufsichtsbehörden gegebenenfalls haben. Aber was das im Ergebnis für eine Ahndung der Ritterhuder Fälle bedeutet, bleibt letztlich unklar. Auch zur Aufnahme eines Schottergarten-Verbots in gemeindliche Bebauungspläne äußert sich der Landkreis nicht. In Bremen soll das Verbot ab 2027 gelten.

Zur Sache

Klare Kante gegen Versteinerung 

Bei dem Schottergarten, den die Stadt Diepholz per Anordnung vom 18. Januar 2021 beseitigt sehen wollte, handelte es sich um zwei Vorgarten-Kiesbeete von insgesamt 50 Quadratmetern, punktuell bepflanzt mit Sträuchern und Koniferen. Die Beete flankieren eine gepflasterte Zufahrt von rund 140 Quadratmetern. Das Grundstück, auf dem seit 2005 ein Einfamilienhaus steht, misst insgesamt 727 Quadratmeter. Zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens der Eigentümer erklärte das Verwaltungsgericht Hannover Anfang 2022, der Bescheid aus dem Rathaus sei rechtens (Aktenzeichen 4 A 1791/21).

Dagegen wiederum wollten die Kläger in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg vorgehen, aber das entschied nun am 17. Januar 2023, die Berufung nicht zuzulassen (Aktenzeichen 1 LA 20/22). Im Kern ging und geht es um die Frage, ob die Kiesbeete, die inzwischen mit 46 weiteren Bodendeckern bepflanzt wurden, im damaligen Zustand als Grünfläche nach der Niedersächsischen Bauordnung durchgehen könnten. Das, so entschieden es die Verwaltungsrichter nach einer Ortsbesichtigung, sei nicht der Fall.

Dass sich hinterm Haus eine Grünfläche befinde (Rasen mit Anpflanzungen), spiele keine Rolle, denn sie sei von der Vorderseite kaum sichtbar. Vielmehr fehle dem Vorgarten der "grüne Charakter" vor allem auch der Bodenoberfläche, und darauf komme es an. Maßgeblich sei nämlich "die Intention des Gesetzgebers, die Versteinerung der Stadt auf das notwendige Ausmaß zu beschränken". Deswegen gehe es nicht darum, ob der Grün-Anteil auf einem Grundstück überwiegt oder nicht, sondern darum, dass unbebaute Flächen begrünt zu sein haben. 

Eine mathematisch-schematische Betrachtung verbiete sich deswegen; im Diepholzer Fall dominiere der Steinanteil zudem nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Daher sei es unerheblich, dass sich der Bewuchs der Kiesbeete bis zur Nachbesserung im Vorjahr auf zwei Dutzend Pflanzen summiert hatte. Denn auf Grünflächen dürfen Steine gestalterisch nur eine untergeordnete Rolle spielen.

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