Neuenkirchen. Die braune Kuh spitzt die Ohren, trippelt kurz und rennt los. Das einjährige Kalb folgt ihr sofort. „Das Muttertier ist auch noch ein Jahr nach dem Vorfall höchst unruhig“, sagt Frank Havemeyer vom Kreisverband Osterholz des Niedersächsischen Landvolks. Er hat auf den Hof von Dietmar Bredehorst in Neuenkirchen eingeladen, um das „Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement“ vorzustellen, das für eine „Bestandsregulierung“ des Wildtieres in Niedersachsen und darüber hinaus im gesamten Bundesgebiet wirbt.
„Es war der Wolf“ sind sich Dietmar Bredehorst und seine Familie sicher. Und damit meinen sie den nächtlichen Angriff auf das damals gerade geborene Kalb. Der Angriff konnte von seiner Mutter zwar abgewehrt werden. Doch die Kuh trug dabei starke Verletzungen an den Vorderbeinen davon und ist laut Dietmar Bredehorst noch immer psychisch angeschlagen.
Der Wolf hat sich seit rund 15 Jahren wieder in Deutschland angesiedelt. Und er breitet sich aus. Genaue Zahlen vermag allerdings auch die Pressestelle des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Umweltschutz nicht zu nennen. Sie spricht von 38 Wolfsterritorien im Bundesland mit einer vermeintlichen Rudelgröße zwischen drei und elf Individuen. Der Osterholzer Wolfsberater Uwe Denker schätzt die Größe auf vier bis zwölf Tiere ein. Das einzige Rudel im Landkreis Osterholz lebt in einem rund 250 Quadratkilometer großen Revier bei Garlstedt. Nach Denkers Rechnung würden in ganz Niedersachsen gegenwärtig zwischen 144 und 456 Wölfe leben. Und sie hätten hier insgesamt mehr als 1000 Weidetiere gerissen, heißt es in einer Presseerklärung des Aktionsbündnisses.
Der Wolf sei gefährlich auf dem Vormarsch, sind sich neben Dietmar Bredehorst auch seine Landwirte-Kollegen Karsten Bode aus Schwanewede und Günter Stelter aus Hellingst sicher. Sie berichten während des Pressegesprächs auf dem Bauernhof an der Landstraße in Neuenkirchen ebenfalls von getöteten Weidetiere. Darüber hinaus beklagt Bode, dass die Entlarvung des Täters oft Schwierigkeiten mache. Bisweilen ließen die Institute, denen Beweisstücke geschickt würden, einfach nichts mehr von sich hören. Stelter ist zudem davon überzeugt, dass der Wolf sich auf der Suche nach Beute immer öfter Wohnhäusern und Gärten nähert. Nachweislich getötet habe er im vergangenen Jahr im Kreis Osterholz nach Mitteilung von Jorid Meya aus der Pressestelle des zuständigen Niedersächsischen Ministeriums elf Tiere bei vier Übergriffen.
Gleichwohl ist die Akzeptanz von Wölfen in Deutschland nach wie vor hoch, wie eine vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage ergeben hat. Danach finden es 77 Prozent der Befragten als erfreulich, dass hier wieder Wölfe leben. Nicht ganz so hoch ist die Zustimmung einer vom Landvolk Niedersachsen veranlassten Umfrage. Danach begrüßen 67 Prozent der Niedersachsen die Rückkehr des Wolfes, allerdings sehen 72 Prozent auch Probleme für die Weidetierhaltung und den Menschen. Deshalb, so der stellvertretende Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes Osterholz, Frank Havemeyer, müssten Wölfen aus Landschaften ferngehalten werden, die man nicht einzäunen könne.
Die Kosten für die Einzäunung aber sind nach den Worten der betroffenen Landwirte enorm. Deshalb fordert das Aktionsbündnis, dass alle Schutzmaßnahmen zur Abwehr von Wolfsübergriffen vollumfänglich gefördert werden. Also aus dem Steueraufkommen des Staates zu zahlen sind.
„Wir wollen den Wolf nicht vertreiben und ausrotten, sondern mit ihm leben“, beschreibt Frank Havemeyer die Ziele des Aktionsbündnisses. Um aber die Akzeptanz zu erhalten und insbesondere die Landwirtschaft vor dem Wildtier zu schützen, sei eine Bestandsregulierung erforderlich, und zwar möglichst sofort. In der Presseerklärung des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement heißt es: „Der Wolf ist keine vom Aussterben betroffene Wildart mehr.“ Darum seien vor allem der Schutz von Weidetieren und die Erhaltung von Weidelandschaften erforderlich. Rechtlich müsse es also möglich sein, übergriffige Wölfe abzuschießen und ihre Ansiedlung entlang der Küste sowie in der Nähe von Deichen mit jagdlichen Mitteln zu unterbinden.