Eine neue Stromautobahn soll Windenergie von der norddeutschen Küste in die Ballungsräume des Ruhrgebiets mit ihrem hohen Energieverbrauch bringen. "Korridor B" heißt das Projekt, das der Übertragsnetzbetreiber Amprion derzeit plant und später bauen will. Zwei 525 Kilovolt-Erdkabelleitungen sollen dafür als Höchstspannungs-Gleichstromverbindungen verlegt werden, eine rund 270 Kilometer lange Verbindung zwischen Wilhelmshaven in Niedersachsen und Hamm in Nordrhein-Westfalen sowie eine rund 440 Kilometer lange Leitung zwischen Heide/West in Schleswig-Holstein und Polsum in Nordrhein-Westfalen. Am Donnerstag hat Amprion mögliche Trassenkorridore vorgestellt. Bei der Leitung Heide/West-Polsum führen einige durch die Gemeinde Schwanewede im Landkreis Osterholz und durch die Wesermarsch, die Planungen sehen mehrere Verlaufsvarianten vor.
Nach dem vorliegenden Entwurf könnten Teile der Trasse in der Wesermarsch westlich der B212 zwischen Berne und Brake verlaufen. Auf der anderen Weserseite ist ein Trassenkorridor aus Richtung Sandstedt (Kreis Cuxhaven) über Aschwarden, Rade, und Neuenkirchen in der Gemeinde Schwanewede weiter über die Weser nach Berne angedacht. Eine weitere Alternative sieht eine Trassenführung von Hagen im Bremischen (Kreis Cuxhaven) nach Aschwarden vor. "Vier verschiedene Weserkreuzungen sind geplant", sagt Arndt Feldmann, der das Projekt Korridor B leitet. Neben der Querung in Höhe Berne/Neuenkirchen, die auch über einen Zipfel von Bremen-Nord verlaufen würde, ist alternativ eine in Höhe Brake/Sandstedt angedacht. Zwei weitere Varianten sehen Flusskreuzungen zwischen der Wesermarsch nördlich von Elsfleth und Rade oder Aschwarden in der Gemeinde Schwanewede vor. Im Zuge der genauen Trassenplanung wird laut Feldmann am Ende eine Querungsvariante ausgewählt werden.
Technisch seien verschiedene Maßnahmen denkbar, wie das Erdkabel unter das Flussbett gebracht werden kann: "Tunnel, Bohrverfahren oder Dükerleitung." Dabei würde der Fluss mit einer Druckleitung unterquert. Bei der Wahl der Technik spiele die Länge der Weserquerung eine wichtige Rolle, aber auch Schifffahrtsverkehr oder Naturschutz seien zu berücksichtigen. "Wir werden den Spezialfall Weser sehr genau prüfen", kündigt der Projektleiter an. Dazu werde Amprion die betroffenen Kommunen, Deichverbände sowie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung mit ins Boot holen.
Das Projekt Korridor B ist im März 2021 in das Bundesbedarfsplangesetz Strom aufgenommen worden. "Amprion ist damit gesetzlich verpflichtet, das Projekt zu bauen und zu betreiben", erklärt Klaus Wewering, Leiter der Gleichstrom-Netzprojekte im Unternehmen. Korridor B ist Teil der Energiewende, Windkraft soll künftig das Auslaufmodell Kohlekraftwerk ersetzen. Laut Amprion haben die zwei Leitungsvorhaben von Korridor B eine Gesamtkapazität von vier Gigawatt, das entspreche der elektrischen Leistung von fünf großen Kohlekraftwerken. Die Erdkabel sollen laut Feldmann in offener Bauweise verlegt werden: Boden wird ausgebaggert, Leerrohre werden verlegt, die Baugrube wird wieder mit dem vorhandenen Boden verfüllt. "Alle 1,5 bis zwei Kilometer werden dann Kabel in die Leerrohre eingezogen."
In den kommenden Wochen will das Unternehmen seine Planungen mit Kommunen, Trägern öffentlicher Belange und mit Bürgern diskutieren. Eine digitale Informationsveranstaltung unter anderem für die Landkreise Osterholz und Wesermarsch ist für den 11. November geplant. Im nächsten Schritt werde Amprion dann für jedes der zwei Leitungsbauprojekte aus den möglichen Trassenkorridoren jeweils einen Vorzugskorridor auswählen, erläutert Projektleiter Arndt Feldmann zum weiteren Verfahren. "Im Sommer 2022 wollen wir bei der Bundesnetzagentur einen Antrag für die Bundesfachplanung stellen." Die Bundesnetzagentur ist als Genehmigungsbehörde für das länderübergreifende Projekt zuständig.
Das weitere Verfahren sieht so aus: Die Bundesnetzagentur wird für jedes Leitungsvorhaben eine Korridorvariante auswählen. Im anschließenden Planfeststellungsverfahren wird dann der konkrete Verlauf der Erdkabelleitung festgelegt. In beiden Fällen wird die Öffentlichkeit mitbeteiligt. Wenn alles nach Plan läuft, soll über Korridor B ab dem Jahr 2030 Strom aus Windenergie aus dem Norden zu Industrieunternehmen und Privathaushalten im Ruhrgebiet fließen.