Bornreihe. „Es war schon sehr aufregend für mich, ins kalte Wasser geschmissen zu werden“, verriet Janine Lebenstedt. Sie ist die erste Frau in der Geschichte des Osterholzer Fußballs, die in einem Herren-Punktspiel zum Einsatz kam. Janine Lebenstedt wurde zur zweiten Hälfte der Partie beim 0:0 ihres SV Blau-Weiß Bornreihe III beim SV Lilienthal-Falkenberg II für Pascal Matzke eingewechselt.
„Sie hat sich sofort ins System eingefügt und ihre Sache im linken Mittelfeld richtig gut gemacht“, lobte Lilienthals Trainer Raoul Kanitz die Debütantin. Erst seit Dezember des vergangenen Jahres sind Frauen nach einer Regeländerung auch im Herrenbereich zugelassen. „Vielleicht mal abgesehen von den langen Haaren fiel es nicht weiter auf, dass da jetzt eine Frau spielt“, betonte Kanitz. Dabei mussten die beiden Teams schon ein wenig kreativ werden, damit Janine Lebenstedt ungestört nach dem Spiel duschen konnte. Denn da die erste Herrenmannschaft der Gastgeber auch noch trainiert hatte, stand kein zusätzlicher Umkleideraum zur Verfügung.
„Die Jungs haben dann einfach erst einmal ein Bier getrunken und mich zuerst duschen lassen“, berichtete Lebenstedt. Bei Heimspielen gibt es indes gar kein Problem. Dann bekommt die 28-Jährige einfach eine der beiden nicht genutzten Schiedsrichter-Kabinen zum Umziehen und zum Duschen. Den Vorschlag, die gleiche Kabine zu benutzen, gab es indes noch nicht. „Das verkneifen sich die Jungs auch aus Respekt vor meinem Freund“, versicherte Janine Lebenstedt augenzwinkernd. Weil sie eben jenen Marius Petersen ohnehin bei den Spielen der Blau-Weißen anfeuerte, bot sie sich irgendwann an, auszuhelfen, wenn Not am Mann, beziehungsweise an der Frau, ist.
Was zuvor aber eher als Scherz gemeint war, wurde nach der Regeländerung im Dezember dann plötzlich zu einer ernsthaften Option. „Wir haben das innerhalb der Mannschaft besprochen. Nicht jeder war sofort von der Idee begeistert“, räumte Bornreihes Coach Michael Schröder ein. Dann habe man sich aber darauf verständigt, es auszuprobieren. Die anfängliche Skepsis wich schnell einer großen Überzeugung. „Janine hat sich richtig gut bei uns integriert. Wir freuen uns nun alle darüber, dass sie dabei ist“, erklärte Schröder.
Janine Lebenstedt ist es bereits gewohnt, mit Männern Sport zu treiben. Schließlich gehört die Finanzbeamtin auch in ihrem Wohnort Hüttenbusch einer Volleyball-Mixed-Mannschaft an. Derzeit versucht sie auch, beide Sportarten unter einen Hut zu bekommen. „Ich finde es sehr cool, dass ich nun die Chance bekomme, bei den Herren Fußball zu spielen“, sagte Lebenstedt, die bereits für die Damen der SG Findorff und des SV Eintracht Aumund in Bremen kickte. Die Bornreiher bieten dagegen keinen Damen-Fußball an. Schnell erkannte Lebenstedt die Unterschiede zwischen Damen- und Herren-Fußball: „Bei den Männern geht es natürlich härter zur Sache. Auch das Tempo ist ein ganz anderes.“ Sie habe aber schnell ein Gefühl dafür entwickelt.
„Das Training mit den Männern macht mich natürlich auch robuster“, urteilte die 28-Jährige. Sie habe aber schon das Gefühl gehabt, dass ihre Gegenspieler vom SV Lilienthal-Falkenberg II zunächst nicht so richtig gewusst hätten, ob sie gegen eine Frau genauso in den Zweikampf gehen sollen, wie sie es gegen einen Mann tun würden. „Nach zwei oder drei Aktionen haben sie aber keinen Unterschied mehr gemacht“, so Lebenstedt.
Auch Marius Petersen habe von Anfang nichts dagegen gehabt, seine Freundin plötzlich als Mitspielerin zu haben. Zudem teilen die beiden noch eine weitere gemeinsame Leidenschaft. „Wir wandern gerne“, ließ Janine Lebenstedt wissen. Vor zwei Jahren bestiegen die beiden auch gemeinsam den höchsten Berg Afrikas, den 5895 Meter hohen Kilimandscharo. Zum Bergwandern habe sie gefunden, als sie für drei Jahre in München gelebt habe. Sie schaue auch zusammen mit ihrem Freund Fußball, auch wenn der eine andere Mannschaft bevorzuge. Während Janine Lebenstedt Werder Bremen die Daumen drückt, so ist Petersen Fan von Borussia Dortmund.
Die Hoffnung auf Routine
„Das Interesse am Fußball war bei mir von Anfang an da. Meine Eltern sind schließlich sehr fußballbegeistert“, informiert die Beamtin. Ihr verstorbener Onkel Andreas Goppelt habe auch die Fußballschuhe für die Amateure von Werder Bremen geschnürt und sei später für den TSV Eiche Neu St. Jürgen aufgelaufen. „Ich würde mich freuen, wenn es irgendwann zur Routine wird, dass Frauen mit Männern Fußball spielen“, sagt Janine Lebenstedt. Gerade in den unteren Ligen würden häufig Spieler fehlen. „Und vom Niveau her können da auch viele Frauen mithalten“, so Lebenstedt. Sie erhoffe sich durch die Regeländerung auch neuen Schwung für den Damen-Bereich.
Blöde Sprüche von Gegenspielern habe sie jedenfalls noch nicht vernommen. Vorherrschend seien bei den Männern eher eine Mischung aus Interesse und Erstaunen. „Aus dem Zuschauerbereich habe ich zum Beispiel die Frage gehört, ob da etwa eine Frau mitspielt“, berichtete Janine Lebenstedt. Als sie im Match bei der SG Ohlenstedt/Garlstedt das erste Mal auf der Reservebank Platz genommen hatte, habe sie auch viel positives Feedback vom Gegner erhalten: „Die haben sich darüber gefreut, dass eine Frau mitspielen will.“ Michael Schröder will in jedem Fall weiter auf sie setzen: „Spielerisch kann Janine in unserer Liga mithalten. Nur das Körperliche fehlt noch ein bisschen."