Worpswede. Am Ende war es das Szenario, dass viele bereits vor dem Spiel im Kopf gehabt hatten – und dennoch war es irgendwie grotesk: Denn während auf der einen Seite ein Aufstieg gefeiert und Sektduschen verteilt wurden, kauerten nur 20 Meter von diesen Jubelszenen entfernt Spieler auf dem Boden und mussten einen Abstieg verdauen. Extremer hätten die Gefühle nach dem 4:0 (2:0) des FC Worpswede über den SV Lilienthal-Falkenberg wahrlich nicht sein können.
Dass den Grün-Weißen der Landesliga-Aufstieg durch den Anderlinger Sieg über Heeslingen 24 Stunden zuvor schon vor Anpfiff des Derbys nicht mehr zu nehmen war, sollte die gute Laune auf dem Weyerberg nicht schmälern. "Natürlich hat man das am Samstag relativ emotionslos erst mal nur so hinnehmen können", berichtete Worpswedes Coach Gerd Buttgereit. Nicht nur deshalb haben sich die Künstlerdorfkicker, die sich mit dem Heimsieg auch die Tabellenführung wiederholten, noch ein ganz großes Ziel gesetzt: "Wir wollen jetzt am Mittwoch unbedingt auch die Bezirksliga-Meisterschaft perfekt machen", so Buttgereit, der einen weitestgehend souveränen und ungefährdeten Erfolg seiner Mannschaft gesehen hat. Mit einer entscheidenden Einschränkung.
"Was Lilienthal-Falkenberg in den ersten 25 Minuten gespielt hat, war richtig stark", so Buttgereit. In der Tat waren die um ihre allerletzte Chance kämpfenden Gäste gut in die Partie gekommen und hatten durch Jenno Bülders und Yannik Niemann auch die besten Gelegenheiten der Anfangsphase. Besonders bei der Szene von Bülders forderten die Lilienthaler einen Strafstoß, weil der herausgeeilte Jakob Reiter den Lilienthaler am Fuß getroffen zu haben schien. Doch die Pfeife von Schiedsrichter Jonas Prüser blieb stumm. Anders als wenige Minuten später auf der anderen Seite.
Vier verhängnisvolle Minuten
Nach einem langen Ball in den Lilienthaler Strafraum wurde Jan-Henrik Kück von Kai Kansmeyer mit beiden Armen in den Rücken gestoßen, diesmal zeigte Prüser sofort auf den Punkt. Und er gab Kansmeyer die Gelbe Karte. Derrick Ampofo verwandelte sicher zur 1:0-Führung der Hausherren, und nur 60 Sekunden später legte Neo Buttgereit, der mit seinem Abschluss aus 16 Metern zunächst am Pfosten gescheitert war, im Nachsetzen aus spitzem Winkel das 2:0 nach. Wiederum nur 60 Sekunden später war das Kehlenbeck-Team dann nur noch zu zehnt auf dem Feld.
Kai Kansmeyer hatte sich – durchaus zurecht – darüber geärgert, dass eine Kück-Grätsche mit offener Sohle überhaupt nicht geahndet wurde. Zwar traf der Worpsweder Kapitän seinen Gegner nicht, doch war die Aktion definitiv als gefährliches Spiel einzustufen. Kansmeyer ließ seinem Unmut mit den Worten "Was ist los mit Dir" freien Lauf – und sah dafür zur Überraschung vieler die Gelb-Rote Karte. Damit war im Prinzip klar, dass die Lilienthaler bei ungewohnt sommerlichen Temperaturen diese Herkulesaufgabe nicht mehr würden stemmen können.
"Sie haben das trotzdem super gemacht und sich klasse gewehrt", lobte Kehlenbeck sein Team nach dem Schlusspfiff und wusste: "Wir haben das nicht hier und heute verspielt. Mir fallen aus dem Stand so viele Spiele ein, wo wir unnötig Punkte liegen gelassen haben." Die Worpsweder jedenfalls hatten keinerlei Probleme, das Spiel in der zweiten Hälfte nach Hause zu bringen. Mit frischen Kräften kam auch immer wieder frischer Schwung ins Spiel der Hausherren, die durch Yassin Bekjar in der 70. Minute nachlegten – wobei mindestens die Hälfte dieses Treffers Alpha Fadiga mit einem seiner unnachahmlichen Vorstöße beisteuerte.
Den Schlusspunkt setzte schließlich der zur Pause ins Spiel gekommene Jacob Geber mit einem Traumtor aus gut 25 Metern genau in den Torwinkel (82.). Davor und danach hätten Azad Kurnaz, erneut Bekjar oder auch Marvin Witte per Distanzschuss noch erhöhen können, doch sie alle scheiterten wiederholt am ganz stark aufgelegten Lilienthaler Keeper Finn Bedau. "Ein bisschen war das heute sinnbildlich. Wir haben so gut angefangen und kriegen dann so dumme Gegentore", brachte es Pascal Kehlenbeck mit Blick auf die jubelnden und feiernden Worpsweder auf den Punkt. Die hatten kurz nach Abpfiff die Sektflaschen herausgeholt und verfolgten nun ihr Trainerduo über das Feld – und zumindest Gerd Buttgereit bekam eine volle Ladung ab.
"Es war überragend, was wir von der Bank nachlegen konnten", sagte Oliver Schilling. Und das galt nicht nur für den heutigen Tag, sondern für viele Spiele der Saison.