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Serie: Herausforderung Landwirtschaft Die Grimms und ihr Hof mit Biogasanlage

Grimms haben auf ihrem Hof eine Biogasanlage. Sie retten Tiere, bieten Vögeln ein Zuhause. Von den Maßnahmen des Niedersächsischen Wegs werden auch sie getroffen werden. Einen Ausgleich halten sie für nötig.
18.08.2021, 15:08 Uhr
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Die Grimms und ihr Hof mit Biogasanlage
Von Rebecca Sawicki

Worpswede. Die Konsensentscheidung zum Niedersächsischen Weg hat die Folge, dass die Landwirte zwar viele Maßnahmen tragen müssen, gleichzeitig aber vom Land Niedersachsen entschädigt werden sollen. Richtig so, finden Henry und Stephan Grimm. Vater und Sohn bewirtschaften gemeinsam mit ihrer Familie in Heudorf einen Bauernhof mit Biogasanlage.

"Wir Landwirte können die Natur nicht alleine schützen, schon gar nicht, wenn es keinen Ausgleich gibt", sagt Henry Grimm. So sei beispielsweise die Region, in der Grimms ihre Felder haben, moortypisch. Die Felder der Findorffsiedlung sind alle 80 Meter von Wassergräben zerteilt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass beim Bewirtschaften der landwirtschaftlichen Flächen Abstand zu Gewässern gehalten werden muss. Für Grimms bedeutet das wie für alle Landwirte der Region: Die nutzbare Fläche schrumpft. Ohne Ausgleichszahlung könnte das zu Problemen führen. Die Höhe dieser Zahlungen ist im Entwurf noch nicht festgelegt. Wie hoch die Entschädigung sein müsste, um den Verlust wirklich auszugleichen? "Das ist schwer in Zahlen zu fassen", sagt Henry Grimm. So sei die Pacht im Moorgebiet beispielsweise günstiger als im Raum Cloppenburg.

Energie aus Maissilage

Viele Punkte, die ihnen künftig abgefordert werden, erfüllen Grimms bereits. So leben beispielsweise seltene Vögel wie der Turmfalke unter der Kuppe der Biogasanlage – und das ohne Zutun der Landwirte. Auch einen Blühstreifen hat das Vater-Sohn-Gespann bereits angelegt. Die Biogasanlage hat vor 15 Jahren die Milchviehhaltung auf dem Hof abgelöst. Die Tiere hätten sich finanziell nicht länger rentiert. Am Anfang sei der Plan gewesen, einige Tiere zu behalten – von dieser Idee habe sich die Familie schnell gelöst. Der Aufwand sei zu groß gewesen. Heute ist Stephan Grimm froh darum: "Landwirte stehen aktuell grundsätzlich in der Kritik. Speziell, wenn sie Tiere halten."

Da außerdem Vater und Sohn ein besonderes Interesse an Technik teilten, habe sich Henry Grimm 2004 entschlossen umzusatteln und auf die neumodische Anlage zu setzen. Ausschlaggebend sei auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr gewesen, dass die Bepreisung für Strom aus Biogasanlagen regelt. Produziert werden darin aus Maissilage Energie für das Stromnetz, Wärme für anliegende Häuser und das Wasser sowie Dünger. "Es ist ein Kreislauf", sagt Stephan Grimm. Der Dünger aus der Anlage nutze als Nährstoffquelle für die Mais- und Getreidefelder.

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Die Anlage, das sind fünf große graue Behälter mit einer grünen Plane als Kuppel. Zwei der Behälter sind dafür da, die Silage zu zersetzen. 40 Grad betrage die Temperatur darin, die eigentliche Arbeit übernehmen Bakterien. "Am Anfang mussten wir sie ein halbes Jahr anzüchten, mittlerweile vermehren sie sich aber von alleine", sagt Henry Grimm. Die Anlage läuft automatisiert. Trotzdem müsse sie jeden Tag kontrolliert werden. "Es gibt sehr hohe Sicherheitsstandards", sagt Stephan Grimm. Gebe es eine Störfallmeldung, klingele das Telefon – auch nachts. "Das passiert im Schnitt zweimal in der Woche", sagt Stephan Grimm. Weniger Arbeit als der Milchviehbetrieb mache die Anlage trotz der Automatisierung nicht. "Wir sind 24 Stunden, sieben Tage die Woche in Bereitschaft", sagt der Sohn.

Gesteuert wird das biologische Kraftwerk über eine Schaltzentrale. Viele Rohre finden sich darin, außerdem ein großer Monitor, auf dem alles angezeigt wird, was gerade in der Anlage passiert. In der Zentrale ist es angenehm warm, dank der Abwärme der Rohre. "Durch Biogas könnte viel fossile Energie eingespart werden", sagt Stephan Grimm. Das Problem sei allerdings, dass die Grimmsche Anlage zu weit weg sei von großer Industrie. Auch Wasserstoff könne eines Tages, wenn gewünscht, mit der Anlage hergestellt werden.

Rehkitzrettung per Drohne

Stephan Grimm ist nicht nur Landwirt, sondern auch Jäger. Mit einer Drohne überwacht er im Frühjahr die Felder im näheren Umkreis, um zu vermeiden, dass Rehkitze bei Mäharbeiten zwischen die Klingen geraten. "Kein Landwirt tötet gerne Tiere", sagt er. Das Gute an dem nassen Frühling dieses Jahres sei gewesen, dass alle seine Kollegen, ebenso wie er, zunächst noch nicht mähen konnten. Durch diese Verschiebung hätten die Kitze Zeit gehabt, soweit aufzuwachsen, bis sie bereit sind, ihren Ort zu verlassen.

Bereits seit zwei Jahren fliegt Grimm Junior die Felder mit einer Drohne ab. 80 bis 90 Kitze habe er auf diese Weise mittlerweile gerettet. "Entdecke ich ein Kitz, lassen wir diesen Teil des Feldes erst einmal stehen, bis die Mutter das Junge abholt", sagt der Heudorfer. Auch das sei Artenschutz, wie ihn der Niedersächsische Weg wünscht. Gleichzeitig koste dieses Vorgehen aber auch Zeit und Geld. Stephan Grimm mache es gerne. Trotzdem ärgere ihn, dass er so viele Kitze retten könne, wie er wolle, bei dem nächsten Skandal wegen des schlechten Umgangs mit Tieren in einem Schlachtbetrieb sei ohnehin die Landwirtschaft als Ganzes wieder der Buhmann.

Zur Sache

Der Niedersächsische Weg

Der Niedersächsische Weg wird von den Initiatoren immer wieder als einzigartiges Beispiel gelobt: Sie setzen sich aus Umweltschützern, Politikern und Vertretern landwirtschaftlicher Verbände zusammen. Gemeinsam haben sie einen Vertrag ausgehandelt, mit dem der Arten- und Umweltschutz ausgebaut werden kann. Gleichzeitig sollen landwirtschaftliche Betriebe einen Ausgleich für die Mehraufwendungen erhalten.

"Für die Ergebnisse und beschlossenen Maßnahmen haben alle Partner Zugeständnisse gemacht", sagt Alexandra Schönfeld vom Landwirtschaftsministerium Niedersachsen. Manche Punkte seien in den Vereinbarungen noch nicht final geklärt, das solle bis zum Ende des Jahres aber nachgeholt werden. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 25. Mai  2020, weiterentwickelt wurde er aber auch danach.

Das Abkommen sieht unter anderem vor, den Weg zu einer ökologischen Landwirtschaft zu erleichtern. Bis 2030 ist ein Anteil von 15 Prozent ökologischer Landwirtschaft geplant. Biotope sollen ebenso wie Gewässer besser geschützt werden. So muss die landwirtschaftlich genutzte Fläche einen Abstand zu Flüssen und Bächen einhalten. Dieser darf nicht bewirtschaftet werden, um die Gewässer zu entlasten. Auch der verringerte Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ist in dem Paket festgehalten. Bis Mitte dieses Jahres sollen konkrete Reduktionsziele für landwirtschaftliche Flächen vorgelegt werden.

Die Landwirte sollen Ausgleichszahlungen für die Einschränkungen bekommen. Auch die Verteilung der europäischen Fördermittel soll laut Vereinbarung überprüft und vorrangig für Projekte eingesetzt werden, die auf den Klimaschutz, die Biodiversität, das Tierwohl oder den Ökolandbau abzielen. Gleichzeitig soll durch die Fördermittel die Wettbewerbsfähigkeit einer nachhaltigen Landwirtschaft unterstützt werden.

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