Frau Hanstein-Moldenhauer, warum braucht es in Worpswede ein Bündnis gegen rechts?
Katharina Hanstein-Moldenhauer: Wir sind der Auffassung, dass wir nur durch eine breite Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft eine Stärkung der AfD und anderer rechter Organisationen verhindern können. Wir wollen Mut machen und Haltung zeigen. Wir wissen, dass gegen rechte Bewegungen neben den Organen des Rechtsstaates nur die Mehrheit der Bevölkerung etwas ausrichten kann. Daher haben wir angeregt, frühzeitig zu zeigen, wer hier im Ort die Mehrheit hat: die demokratischen Kräfte nämlich.
Fühlen Sie sich durch die Berichte über die Geheimkonferenz und einen möglichen Plan zur Ausweisung vieler Bundesbürger bestätigt?
Durchaus. Dort wurde die Abschaffung der Demokratie und des Rechtsstaats diskutiert. Anders könnte man die Strategie, eine extrem rechte Gegenöffentlichkeit zu organisieren, und den Plan zur Schaffung eines Lagers in Nordafrika für Migrantinnen und Migranten und deren Unterstützer – zu denen zählen wir uns übrigens auch – nicht durchsetzen. Wir können uns ausmalen, welche Worpswederinnen und Worpsweder sich in einem solchen Lager wiederfinden würden, wenn diese Leute an die Macht kämen.
Sehen Sie den Frieden in Worpswede konkret gefährdet?
Wir sollten nicht den Fehler machen, erst zu reagieren, wenn es zu spät ist. Wer Worpswede hört, denkt oft an das Welt-Künstler-Dorf. Aber die Gemeinde besteht aus acht Ortschaften, mit einer Bevölkerung in höchst unterschiedlichen Berufs- und Haltungsfeldern, die man nicht in einen Topf werfen kann. In Worpswede haben sich bereits etliche Personen aus der rechten Mischszene niedergelassen – und das seit Jahren. Durch die „Montagsspaziergänge“ bekamen Reichsbürger und andere Auftrieb. Unterstützt wurden sie durch Vertreterinnen und Vertreter der Partei „Die Basis“, durch Nazis aus Bremen und umzu. Das Thema Impfungen und die Maßnahmen der Regierung gegen Corona insgesamt waren Gegenstand ihres Protestes, dann die Unterstützung der Regierung für die Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor und für die Geflüchteten. Wir wissen, dass bei diesem Protest auch Worpswederinnen und Worpsweder beteiligt waren, die mit der rechten Szene nichts zu tun haben wollten. Die Auseinandersetzungen seitens der „Montagsspaziergänger*innen“ uns gegenüber wurden aber verbal und auf ihren Schildern immer aggressiver.
Wie bewerten Sie die Unterstützung von 45 Gruppen?
Wir haben 54 Organisationen angeschrieben. Dass bislang 45 Institutionen unterschrieben haben – und es kommen aktuell immer mehr dazu –, bewerten wir als Ausdruck des Wunsches der übergroßen Mehrheit in den acht Ortschaften der Gemeinde Worpswede, friedlich zusammenzuleben, unterschiedliche Meinungen haben zu können, diese respektvoll auszutragen und Menschen in Not aufzunehmen. Wir sind sehr bewegt von dieser Zustimmung, damit haben wir nicht gerechnet.
Welche weiteren Unterstützer wünschen Sie sich?
Die Gefahr, die von der extremen Rechten ausgeht, kann nur durch das breitest mögliche Bündnis abgewehrt werden. Innerhalb des Bündnisses kann man sich streiten oder unterschiedlicher Meinung sein, nicht aber in Bezug auf diese lebenswichtige Frage. Wir begrüßen jeden und jede Gruppe und Partei, die sich auf dieser Grundlage anschließt. Wir hoffen zum Beispiel auf weitere Heimatvereine, die Feuerwehren und so weiter.
Die CDU ist bislang nicht mit dabei.
Die CDU hat leider etwas grundsätzlich falsch verstanden, wenn sie von uns erwartet, dass wir uns auch gegen Linksextremismus und Islamismus wenden. Wären wir eine bundesweite Initiative, wäre das zu diskutieren. Aber wir sehen in Worpswede derzeit niemanden, der sich als Islamist oder linker Antisemit als Gefahr erweist. Es kommt bei uns jetzt darauf an, dass alle demokratischen Parteien zusammenstehen gegen die extreme Rechte. Andere Kräfte, die den Rechtsstaat abschaffen wollen, sehen wir im Ort nicht. Die CDU ist eine wesentliche Kraft, wie die Erfahrung mit unserer Geschichte zeigt. Wir würden uns freuen, wenn diejenigen, die es bisher ablehnen oder zögern, dem Zusammenschluss beizutreten, das Gespräch mit uns suchen würden.
Wie werden Sie den Kampf gegen rechts in Worpswede weiter gestalten?
Unsere Initiative wird in diesem Jahr versuchen, sich mit bestehenden Initiativen in diesem Bereich in Niedersachsen zu vernetzen. Dazu gehören auch die mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, an die man sich wenden kann. Es ist außerdem wichtig, dass die Thematik jetzt in den einzelnen Organisationen unseres Bündnisses verankert wird.
Eine Unterschrift ist schnell geleistet, aber wie werden Sie das nachhalten? Wie stellen Sie sicher, dass das Thema vorangetrieben wird?
Wir haben verschiedene Ideen: So wollen wir alle Unterzeichner bitten, eine für das Bündnis zuständige Person zu benennen. Es soll demnächst ein Bündnistreffen geben. Wir wollen unsere Informationen zur Entwicklung in Worpswede an die beteiligten Organisationen weitergeben, und es soll gemeinsame Veranstaltungen geben, Filmvorführungen oder Vorträge zum Beispiel. Wir hoffen, dass auch die Unterstützer aktiv werden bei ihren Mitgliedern oder in der Außendarstellung. Zum Beispiel, indem sie in ihren Satzungen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen menschenfeindliches Verhalten vorgehen. Menschen, die aus diesem Spektrum kommen, sollten nicht einfach in einem Verein tätig werden können.
Sie werden einen langen Atem brauchen.
Unsere Sorge ist, dass wir das, was ich gerade skizziert habe, noch erleben werden. Björn Höcke hat gesagt, er gebe der AfD zehn Jahre, um an die Macht zu kommen. Wir sind in diesen zehn Jahren schon weit fortgeschritten.