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Gesundheitsamt Osterholz Mehr Schulanfänger mit Deutsch-Problemen

Eine wachsende Zahl von Schulanfängern hat unzureichende Deutsch-Kenntnisse. Das haben Untersuchungen des Osterholzer Gesundheitsamts gezeigt. Nun wird nach Erklärungen und Lösungen gesucht.
09.09.2025, 05:00 Uhr
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Mehr Schulanfänger mit Deutsch-Problemen
Von Bernhard Komesker

Bei den Einschulungsuntersuchungen des aktuellen Erstklässler-Jahrgangs ist den Experten vom Osterholzer Gesundheitsamt ein besonders hoher Anteil von Kindern aufgefallen, die teils erhebliche Probleme mit der deutschen Sprache haben. Von September 2024 bis Mai 2025 hat das Team von Amtsleiterin Judith Dannenbaum alle 1279 Kinder untersucht, die vom Alter her für eine Einschulung im August infrage kamen. 118 von ihnen sprachen allenfalls rudimentär oder gar kein Deutsch, weitere 123 hatten zwar einen ausreichenden Wortschatz, machten aber erhebliche, auch grammatikalische Fehler. Die Quote der Fünf- und Sechsjährigen mit auffallenden Deutsch-Schwierigkeiten sei mittlerweile auf knapp 19 Prozent angestiegen, so Dannenbaum. Das bedeute gegenüber den fünf vorausgehenden Jahrgängen einen neuen Höchstwert und liege beispielsweise neun Prozentpunkte über der Quote von vor drei Jahren.

"Befriedigende Erklärungsansätze haben wir dafür noch nicht", sagt Judith Dannenbaum und kündigt an: "Wir werden das Phänomen im Blick behalten". Es könne zwar sein, dass der nächste Jahrgang einen Wiederanstieg bei den Deutsch-Kenntnissen zeigen werde. Zuletzt aber sei der Anteil der Kinder, die fehlerfrei Deutsch sprachen, binnen eines Jahres von 70 auf 66,2 Prozent zurückgegangen. Der Befund der Gesundheitsbehörde liege momentan über dem Durchschnitt aus 17 niedersächsischen Landkreisen, die allesamt das identische Diagnoseverfahren wie der Landkreis Osterholz verwenden. Dabei wird unterschieden zwischen Sprachfähigkeit einerseits und Sprechfähigkeit andererseits; das eine zielt auf Wörter und Worte, das andere auf Artikulation und Lautbildung.

Kreis sieht das Land gefordert

Kreisdezernentin Heike Schumacher sagt, sollten die Osterholzer Zahlen kein statistischer Ausreißer sein, sondern einem allgemeinen Trend folgen, sei aus ihrer Sicht das Land Niedersachsen gefordert, die Sprachförderung im Kita-Bereich zu verstärken. "Wir brauchen eine längerfristige Betrachtung, um die Entwicklung einordnen zu können." Die Kreistagsabgeordneten im Gesundheitsausschuss haben sich Dannenbaums Zahlen angesehen. Sie erklären, womöglich brauche es auch wissenschaftliche Verbleibstudien über die weitere Schullaufbahn der Betroffenen; jahrgangsweise finden in den Schulen regelmäßig sogenannte Sprachstandserhebungen statt. Derlei sei auf der Ebene eines einzelnen Gesundheitsamts nicht leistbar und kommunalpolitisch kaum zu lösen.

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Für die 241 Mädchen und Jungen mit gravierenden Deutsch-Defiziten hat Dannenbaums Abteilung eine Sprachförderung empfohlen, um die verbleibende Kindergarten-Zeit bestmöglich zu nutzen. Abgefragt – natürlich nicht überprüft – wird bei den Eltern der 241 Kinder auch, welche Familiensprache hauptsächlich zu Hause gesprochen wird. Für 65 Kinder gaben die Eltern Deutsch an, 32 nannten Kurdisch, weitere 28 Russisch und 19 Arabisch. Dannenbaum betont, es handele sich dabei um freiwillige Selbstauskünfte. Dennoch werde ab sofort auch danach gefragt, ob das betreffende Kind regelmäßig eine Kita besucht hat. Laut Statistik sei davon zwar auszugehen, aber im Alltag womöglich nicht durchgängig der Fall – zumal die Vorschuleinrichtungen auf dem Feld der Sprachförderung üblicherweise ebenso sensibel wie engagiert seien.

Jedes zehnte Kind übergewichtig

Das freilich gelte auch für die körperliche Entwicklung und möglichen Unterstützungsbedarf der Kinder. Auf diesen Feldern zeigte sich der aktuelle Erstklässler-Jahrgang nach Dannenbaums Auswertung weniger auffällig. Probleme beim Sehen (elf Prozent) und Hören (neun Prozent) wurden seltener als im Vorjahr diagnostiziert und häufiger als zuvor auch bereits in ärztlicher Behandlung. Der Anteil übergewichtiger Kinder lag wie in den Vorjahren bei zehn Prozent, als untergewichtig galten sieben Prozent, was einen Rückgang gegenüber den Vorjahren bedeutet.

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Am Ende der rund einstündigen Untersuchung, bei der auch der Impfstatus und die Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen ermittelt wird, steht für jedes Kind eine von drei möglichen Empfehlungen: Einschulung ohne Einschränkung (611 Kinder), Einschulung unter der Beachtung von Entwicklungs- und Förderbedarf (513 Kinder) oder Verbleib in der Kita (155). Zur letztgenannten Gruppe zählen allein 124 Flexi- oder Kann-Kinder, die aus Altersgründen noch ein Jahr in der Kita bleiben können oder sollen.

Unterstützungsbedarf ermittelt

Der Anteil der Kinder mit einer eingeschränkten Schulempfehlung ist gegenüber dem Vorjahr von 35 auf 40 Prozent gestiegen. Die Eltern dieser 513 Mädchen und Jungen erhielten amtsärztliche Hinweise zur weiteren Diagnostik, zu Ergotherapie, Sport und Bewegung oder zu Sprachbehandlung und Deutschkursen. Die Verbesserung von Fein- oder Grobmotorik erschien bei einigen dieser Kinder ebenfalls ratsam, desgleichen eine Förderung und Unterstützung bei der emotionalen Reife und Selbstständigkeit. Dannenbaum erklärt: "Wir wollen allen Kindern einen möglichst guten Schulstart ermöglichen." Dazu seien die Schuleingangsuntersuchungen schließlich da: Entwicklungsauffälligkeiten oder -risiken bei Kindern zu erkennen und die Erziehungsberechtigten über Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren.

Die Teilnahme an der Untersuchung ist laut Schulgesetz verpflichtend. Für die Erstklässler, die im Sommer 2026 eingeschult werden, beginnen in diesen Tagen die Untersuchungen; schon seit März waren sogenannte Anamnesebögen an die betreffenden Väter und Mütter versandt worden, um die Untersuchungen vorzubereiten. Erstmalig konnten die Eltern dabei in diesem Jahr auch vollständig digital antworten. Einbezogen werden auch Beobachtungsbögen der jeweiligen Kita, sofern diese vorliegen, sowie Meldebögen der zuständigen Grundschule, wenn die Eltern damit einverstanden sind. Die gesammelten Daten und Ergebnisse eines Jahrgangs werden vom Landkreis in anonymisierter Form an das Landesgesundheitsamt übermittelt.

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