Eine Band aus dem Landkreis Osterholz, die von ihren bislang sechs Alben rund 50 000 Exemplare verkauft hat, regelmäßig weit über 100 Konzerte im Jahr spielt und auf dem besten Weg in die Charts ist? Da müssen selbst eingefleischte Kenner der Musikszene lange überlegen, und ob ihnen dann tatsächlich der Name Versengold einfällt, ist durchaus fraglich.
Wie kann es sein, dass eine Band, die so erfolgreich ist, in der Region zumindest bislang weitgehend umbekannt geblieben ist? Sänger Malte Hoyer erklärt das vor allem damit, dass er und seine Bandkollegen ein spezielles Publikum ansprechen, das seine Hochburgen woanders hat. Versengold kommen aus der Mittelalter-Szene, sehen sich aber vor allem als eine Folkband. Sie spielen auf zahlreichen Festivals und Märkten, die ganz auf die immer populärere Mittelalter-Szene zugeschnitten sind. Aber auch ihre Clubkonzerte sind häufig mit bis zu 1000 Besuchern gut besucht.
Die Entstehungsgeschichte der geschichtsbewussten Formation beginnt im Oktober 2003 im Osterholzer KUZ. In dem Kulturzentrum traf sich Malte Hoyer mit drei Gleichgesinnten, die die erste Formation der Band bildeten. Am Anfang waren sie deutlicher als heute der Vergangenheit verbunden. Gruppen wie Ougenweide galten ihnen als Vorbild, die Lieder waren zwar nicht auf Mittelhochdeutsch, aber doch in althergebrachter Sprachform, die meisten Instrumente überliefert.
Der Reiz der lang vergangenen Epoche, die vor allem durch die Verfilmung der „Herr der Ringe“-Trilogie neue Fans dazugewann, hatte auch die Musiker infiziert. Nach und nach wurde aus dem Spaßprojekt eine professionelle Band – mit personellen Folgen. Mitmusiker gingen, irgendwann stellte sich für alle beteiligten die Frage, ob sie ihre Lebensplanung wirklich auf einer Musik-Karriere gründen wollten.
Hoyer, der Bruder vom Afterburner-Sänger Tjalf, bejahte sie. „Mit dem vierten Album ,Dreck am Stecken’ begann 2011 eine neue Zeitrechnung für uns: Ab da haben wir die absolute Priorität auf die Musik gelegt.“ Was das bedeutet, war dem Sänger von Anfang klar: „Man gefährdet seine komplette Sozialstruktur: Freunde, Familie, Vereine – das alles wird schwierig, wenn man jedes Wochenende durch das Land tingelt.“ Bereut hat er die Professionalisierung nicht. Wenn er nicht mit Versengold arbeitet, ist er als Texter, Komponist oder Produzent tätig. Oder er tritt mit seiner zweiten Band Knasterbart, bei der es ein wenig derber, aber genauso mittelalterlich wie bei Versengold zugeht, auf – so wie heute beim Festival in Wacken.
Von Wacken zur Eisheiligen Nacht
Für seine Hauptband hat er das Augenmerk im Laufe der vergangenen Jahre etwas verschoben, sich vom rein folkloristischen Gewand hin zum Deutschrock bewegt – ohne dabei die Ursprünge zu vergessen. Die Besetzung ist von ursprünglich vier auf sechs Musiker gestiegen, außer Hoyer sind keine Gründungsmitglieder mehr dabei. Geiger Florian Janoske stammt wie der Sänger aus Osterholz-Scharmbeck, der Bremer Thomas Hauer spielt Bodhran, eine irische Trommel, und Alexander Willms, der die skandinavische Nyckelharpa bedient, ist mit dem Geburtsort Wilhelmshaven fast schon der Exot.
Die Gitarre hat der Lilienthaler Daniel Gregory übernommen, und der hat aus seiner Band Optikhelden auch den Schlagzeuger Sean Lang – ebenfalls Osterholzer – mitgebracht, als es darum ging, auf großen Bühne druckvoller agieren zu können. Sechster im Bunde ist ebenfalls ein in der Region bekanntes Gesicht: Bassist Eike Otten spielt sonst bei Brazen Faced.
In dieser Besetzung hat die Truppe auch ihr aktuelles Album „Zeitlos“ aufgenommen, das ab heute im Handel erhältlich ist. Damit will Versengold den nächsten Schritt machen – und in die Hitparade. Die Chancen dafür sind angesichts ihrer bisherigen Verkaufszahlen mehr als gut, es gibt nur ein Problem dabei: Paradoxerweise ist es die gute Bindung der Band zu ihren Fans. „Die ist im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert“, sagt Heuer. „Unsere Fans sind loyal und kaufen unsere Alben, satt sie illegal zu kopieren oder irgendwo herunter zu laden.“
Für die Charts wird allerdings nur gezählt, was den üblicher Vertriebsweg über den Tonträgerhandel nimmt. Die Fans kauften bislang bei der Band selber, die in jeglicher Hinsicht alle Fäden in der Hand behielt. Sie war ihre eigene Plattenfirma, Tour-Agentur, ihr Management und sogar ihre Versandabteilung. „Zu jeder Veröffentlichung verwandelt sich die Wohnung von einem von uns in ein Warenlager“, berichtet Hoyer vom logistischen Aufwand, um Vorbestellungen im vierstelligen Bereich Herr zu werden. Inzwischen suchen sich die Musiker in einzelnen Bereichen Partner, weil der Aufwand für sie kaum noch zu bewältigen ist.
Also muss die Band ihre Fans „umerziehen“, damit sie im Plattenladen oder bei einem Online-Versand bestellen, statt auf der Band-Homepage. Denn ein Chart-Erfolg wäre wichtig für Versengold, um neue Türen zu öffnen, um den Sprung aus der treuen, aber überschaubaren Szene in den Mainstream zu schaffen, ohne dabei die Anhänger der ersten Tage zu verlieren.
Vielleicht wird dann eines Tages auch mal ein Heimspiel in der Region vor großem Publikum möglich. Ansonsten haben Fans die Möglichkeit, Versengold am 29. Dezember in Bremen im Pier 2 zu erleben. Dann spielt die Truppe zusammen mit Szene-Größen wie Subway To Sally, Fiddler’s Green oder Letzte Instanz bei der Eisheiligen Nacht.