Landkreis Osterholz. Der Verein "Impulsgeber Zukunft" hat sein Gütesiegel "Ausgezeichnet familienfreundlich" an die ersten vier Betriebe aus dem Landkreis Osterholz verliehen. Das Zertifikat ging an die Steuerberaterin Andrea Menge aus Schwanewede, die Osterholzer Stadtwerke, den Lilienthaler Dienstleister Integrierte Versorgung und an die kreiseigene Beschäftigungsgesellschaft Pro-Arbeit.
Bei der Urkundenübergabe vor 60 Teilnehmern eines Info-Nachmittags zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie hieß es, es gebe hoffentlich weitere Arbeitgeber, die sich auszeichnen lassen wollen. Es gehe darum, den Beschäftigten eine "Work-Life-Balance" zu ermöglichen, denn so lassen sich motivierte Fachkräfte am besten finden und binden. "Alle Studien haben gezeigt, dass zufriedene Mitarbeiter auch produktiver sind", warb Vereinsgeschäftsführerin Mirja Beerens. "Die Leistungsbereitschaft steigt, die Krankheitstage nehmen ab."
Das Prüfverfahren sei bewusst niedrigschwellig: Arbeitgeber müssen im Internet unter www.ausgezeichnet-familienfreundlich.de zunächst einen Fragebogen ausfüllen. Aus der Checkliste sowie einem anschließenden Workshop wird dann mit "Impulsgeber Zukunft" eine Zielvereinbarung entwickelt. Wer sie unterschreibt, erhält das Zertifikat und hat dann zwei Jahre lang Zeit, die Zielvereinbarung umzusetzen. Landrat Bernd Lütjen gratulierte den Urkundenempfängern zu einer verdienten Anerkennung und lobte: "Sie sind die Vorreiter."
"Nicht alles kostet viel Geld", betonte Beerens und empfahl, die Unternehmen sollten sich bewusst machen, was sie für ihre Fachkräfte tun oder tun können. "Viele leisten Erstaunliches, nur tragen sie es nicht nach außen." Das aber werde beim Kampf um die besten Köpfe immer wichtiger. Dabei gehe es nicht nur um junge Eltern, sondern auch um die diejenigen, die einen Angehörigen pflegen und ebenso um kinderlose und alleinstehende Mitarbeiter, denn sonst wachse unter denen die Unzufriedenheit.
"Wir wollen immer besser werden und wir wollen der attraktivste Arbeitgeber der Region werden", erklärte Stadtwerke-Geschäftsführer Christian Meyer-Hammerström. Für die 150 Beschäftigten brauche es flexible Lösungen etwa im Krankheitsfall. "Ich habe es selbst erfahren, wie gut es ist, wenn da ein Team ist, das einen auffängt, wenn man kurzfristig ausfällt." Mit dem Zertifikat wolle der Versorger auch das Thema Kinderbüro angehen. Man sehe eine Verantwortung für die Mitarbeiter - "unsere wertvollste Ressource" - und deren Familien, so Meyer-Hammerström.
Detlef Stormer von der Integrierten Versorgung Lilienthal organisiert mit fast 20 Arbeitskräften den Service-Zweig eines ambulanten Pflegedienstes. Wo es um hauswirtschaftliche und Betreuungsleistungen geht, vereinbaren die Beschäftigten ihre genaue Arbeitszeit direkt mit dem Klienten. Flexibler geht es kaum, so Stormer: "Wir zahlen neben dem Urlaubsgeld auch einen Zuschuss zur Kinderbetreuung." Junge Mütter können ihre Kinder mitbringen, wenn ihnen das den Wiedereinstieg erleichtert.
Heike Schumacher vom Vorstand der Pro-Arbeit bekannte: "Wir haben festgestellt, dass wir schon eine Menge tun für die Vereinbarkeit von Familien und Beruf." Man habe als kommunaler Arbeitgeber für 60 Bedienstete mit gutem Beispiel vorangehen wollen; für sie stehe das Zertifikat vor allem auch im Zeichen der Mitarbeiterbindung.
Andrea Menge, Steuerberaterin aus Schwanewede, beschäftigt in ihrem Büro fünf Frauen. "Vollzeit, Teilzeit, Minijob: Jede hat ihr eigenes Modell." Die Arbeitszeit kann jeden Monat verändert werden, das Team organisiert den Arbeitsplan selbst. Kleines Bonbon: Statt des Kinogutscheins zu Weihnachten habe sie ihren Beschäftigten den Einsatz eines Fensterputzers geschenkt. "Das kam sehr gut an, denn das bedeutet mehr Zeit für die Familie."
Im weiteren Verlauf des Fachtags informierte das bei der Pro-Arbeit angesiedelte Projektbüro "Perspektive Wiedereinstieg" über seine Angebote. Sie richten sich an Berufsrückkehrer ebenso wie an Berufstätige mit Pflegeaufgaben sowie an interessierte Unternehmen, die qualifizierte Mitarbeiter aus der Familienpause holen wollen. Wiedereinsteigerinnen schilderten Best-Practice-Beispiele auf dem Podium und Büroleiterin Andrea Krückemeier gab bekannt, das aus EU-Mitteln geförderte Projekt werde voraussichtlich bis Ende 2021 verlängert.