Gesamthöhe 250 Meter, Rotordurchmesser 165 Meter: Das sind die Dimensionen der sogenannten Referenzanlage, die der Landkreis Osterholz in seinem Windenergie-Konzept zugrunde legt. Das 350-Seiten-Papier wird ab demnächst den Bürgern und Behörden zur Stellungnahme vorgelegt. Nach Anwendung harter und weicher Ausschlusskriterien hat die Behörde aus anfangs 14 Suchräumen letztlich elf Vorranggebiete herausgefiltert und so zugeschnitten, dass sie jeweils Platz für mindestens drei Referenzanlagen bieten würden. Zu geschlossenen Siedlungsbereichen sind 800 Meter Mindestabstand einzuhalten, ansonsten müssen zwischen Hauswand und Rotorspitze mindestens 417,50 Meter liegen. Nach fast zweistündiger Beratung billigte der Umweltausschuss den Konzeptentwurf letztlich einstimmig; der Kreistagsbeschluss wird fürs zweite Quartal 2025 erwartet.

Dörte Gedat, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag.
In der Einwohnerfragestunde sowie auch von Grünen und Naturschützern hatte es einige Kritik an der Gebietsauswahl und -größe gegeben. Mit den geplanten Vorrangbereichen wird das vom Land vorgegebene Ziel (1,18 Prozent der Landkreisfläche) um fast zwei Drittel übererfüllt, sofern es nicht noch zu Abstrichen kommt. Grundsätzlich sei man mit der Marschrichtung einverstanden, fasste Grünen-Fraktionschefin Dörte Gedat zusammen; bei etlichen ausgeguckten Flächen jedoch blieben ökologische Bedenken.
Kritik kam aber auch von Windkraft-Befürwortern, die sich zugunsten von Energiewende und Gemeindekasse weitere Ausbaumöglichkeiten gewünscht hätten, so etwa im Sankt Jürgensland. Das Gebiet stand zunächst, ebenso wie der Bereich Heudorf, in der engeren Wahl, wurde dann aber mit Rücksicht auf den Vogelschutz vom Land höher klassifiziert und daher aus dem Vorentwurf gestrichen. Dass diese Potenzialflächen noch mal wieder ins Konzept zurückkehren, bevor es nächstes Jahr beschlossen wird, gilt als unwahrscheinlich. Mit gänzlich neuen Standorten außerhalb der 22 Quadratkilometer, die sich auf die elf Vorrangzonen verteilen, rechnet die Verwaltung ebenfalls nicht.
Zeit für Bürgerdialog vorgesehen
Kreisdezernent Dominik Vinbruck hatte die Kontroverse geahnt und vorausgeschickt. "Jede Anlage ist eine Beeinträchtigung für Mensch und Umwelt, das wollen wir nicht kleinreden." Es gebe im Kreisgebiet keinen Standort, an dem niemand beeinträchtigt würde. Also müsse es darum gehen, die Nachteile zu minimieren, ohne den Ausbau der Erneuerbaren und den Klimaschutz aus den Augen zu verlieren. Daher nehme sich der Landkreis mit den öffentlichen Info-Abenden im kommenden Herbst mehr Zeit für den Bürgerdialog, als Bund und Land es eigentlich vorsehen, so Vinbruck. Er glaube, das Konzept wäge die Interessen fair und transparent ab. Dadurch komme man womöglich schneller zum Ziel.

Kreisdezernent Dominik Vinbruck.
Viele Einwände aus der Bürgerfragestunde bezogen sich auf Lärmschutz, Brandschutz, Wasser- und Bodenschutz. Vinbruck zufolge müssen die späteren Zulassungsverfahren darauf eine Antwort geben. Das gelte beispielsweise für den Nachtbetrieb oder die Erschließung. Auf der Ebene der Raumordnung gehe es zunächst im gröberen Maßstab um Siedlungsabstände und Infrastruktur sowie um Puffer zu Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Gemeindegrenzen oder mögliche Vorteile einzelner Eigentümer spielten keine Rolle, so der Dezernatsleiter: "Wir sehen den Landkreis als Einheit."
Was Grüne und Naturschützer kritisieren
Im Dreieck Aschwarden-Rade-Hinnebeck sei allerdings Rücksicht auf die "teilräumliche Vorbelastung" der Gemeinde Schwanewede durch vorhandene Windparks genommen worden, so Vinbruck. Da beim Ausbau der Elbe-Weser-Stromleitung in der Nähe auch ein Umspannwerk gebaut werden soll, das 16 Hektar beansprucht, schrumpft das Vorranggebiet Schwanewede von 5,6 auf drei Quadratkilometer. Das Ortsbild werde noch immer "hart belastet", warnte Grünen-Sprecherin Gedat, die in Schwanewede zu Hause ist. "Wir dürfen die Menschen nicht überfordern."

Die blauen Flächen stehen als Vorranggebiete im Konzeptentwurf, die roten wurden jetzt gestrichen.
Zusammen mit Jutta Kemmer forderte Gedat für das 5,1 Quadratkilometer große Vorranggebiet Schmidts Kiefern mehr Rücksicht auf Wallhecken, Bäume und Heidhofer Teiche. Im Vorranggebiet Löhnhorst/Stendorf, das 1,4 Quadratkilometer misst, drohten Beeinträchtigungen von Blumenthaler Aue und Bremer Schweiz; Park und Teich von Gut Hohehorst seien dort ebenfalls ein sensibler Bereich. "Da bitte nochmal genauer hingucken", gab die Grünen-Abgeordnete zu Protokoll. Entlang der A 27 hingegen sei Windkraft zu begrüßen, und Fotovoltaik, so Kemmer, könnte auch eine Alternative sein.
Lange Heide kleiner, Oberende größer
SPD-Mann Klaus Sass stellte fest, dass aus dem Suchraum Lange Heide der nordwestliche Teil wegen der Schönebecker Aue herausgefallen ist. Gerade dort hätte es nach seinen Worten interessierte Projektierer und Einwohner gegeben. Friederike Piechotta, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamts, erklärte die Verkleinerung mit aktualisierten Karten und Daten, die nun zugrunde lägen. Die Kriterien seien keine anderen als etwa an der Blumenthaler Aue. Dominik Vinbruck betonte, es stehe den Kreis-Kommunen auch frei, eigene Windpark-Projekte zu ermöglichen. Dafür brauche es einen Bebauungsplan, der nicht mit den Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms kollidiert, sodass es sich wohl eher um kleinere Anlagen handeln dürfte.
Unterdessen ist das Vorranggebiet Oberende auf 1,3 Quadratkilometer in Richtung Waakhausen gewachsen, nachdem ein Fehler im Liegenschaftskataster bereinigt worden war. In den Sozialen Medien sehen das einige Kommentatoren kritisch, denn auf dem Schießplatzgelände war vor ein paar Jahren mal ein 23 Meter hoher Lärmschutzwall aus belastetem Erdreich geplant. Er durfte seinerzeit unter anderem wegen des Landschaftsbilds nicht errichtet werden, während nun 250 Meter hohe Spargel am oder gar auf dem Schießplatzgelände möglich werden. Beides sei nicht vergleichbar, betonte Vinbruck. Der Gesetzgeber räume der Windenergie einen höheren Belang ein als dem Betrieb einer Schießanlage.