Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Konzept für Kreis Osterholz Elf neue Windpark-Gebiete: Gegenwind von Grünen und Naturschützern

Auf 22 Quadratkilometern will der Landkreis Osterholz den Bau neuer Windparks ermöglichen. Auswahl und Ausmaß der elf Vorranggebiete lösen bei Grünen und Naturschützern alles andere als Begeisterungsstürme aus.
11.06.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Elf neue Windpark-Gebiete: Gegenwind von Grünen und Naturschützern
Von Bernhard Komesker

Gesamthöhe 250 Meter, Rotordurchmesser 165 Meter: Das sind die Dimensionen der sogenannten Referenzanlage, die der Landkreis Osterholz in seinem Windenergie-Konzept zugrunde legt. Das 350-Seiten-Papier wird ab demnächst den Bürgern und Behörden zur Stellungnahme vorgelegt. Nach Anwendung harter und weicher Ausschlusskriterien hat die Behörde aus anfangs 14 Suchräumen letztlich elf Vorranggebiete herausgefiltert und so zugeschnitten, dass sie jeweils Platz für mindestens drei Referenzanlagen bieten würden. Zu geschlossenen Siedlungsbereichen sind 800 Meter Mindestabstand einzuhalten, ansonsten müssen zwischen Hauswand und Rotorspitze mindestens 417,50 Meter liegen. Nach fast zweistündiger Beratung billigte der Umweltausschuss den Konzeptentwurf letztlich einstimmig; der Kreistagsbeschluss wird fürs zweite Quartal 2025 erwartet.

In der Einwohnerfragestunde sowie auch von Grünen und Naturschützern hatte es einige Kritik an der Gebietsauswahl und -größe gegeben. Mit den geplanten Vorrangbereichen wird das vom Land vorgegebene Ziel (1,18 Prozent der Landkreisfläche) um fast zwei Drittel übererfüllt, sofern es nicht noch zu Abstrichen kommt. Grundsätzlich sei man mit der Marschrichtung einverstanden, fasste Grünen-Fraktionschefin Dörte Gedat zusammen; bei etlichen ausgeguckten Flächen jedoch blieben ökologische Bedenken.

Lesen Sie auch

Kritik kam aber auch von Windkraft-Befürwortern, die sich zugunsten von Energiewende und Gemeindekasse weitere Ausbaumöglichkeiten gewünscht hätten, so etwa im Sankt Jürgensland. Das Gebiet stand zunächst, ebenso wie der Bereich Heudorf, in der engeren Wahl, wurde dann aber mit Rücksicht auf den Vogelschutz vom Land höher klassifiziert und daher aus dem Vorentwurf gestrichen. Dass diese Potenzialflächen noch mal wieder ins Konzept zurückkehren, bevor es nächstes Jahr beschlossen wird, gilt als unwahrscheinlich. Mit gänzlich neuen Standorten außerhalb der 22 Quadratkilometer, die sich auf die elf Vorrangzonen verteilen, rechnet die Verwaltung ebenfalls nicht.

Zeit für Bürgerdialog vorgesehen

Kreisdezernent Dominik Vinbruck hatte die Kontroverse geahnt und vorausgeschickt. "Jede Anlage ist eine Beeinträchtigung für Mensch und Umwelt, das wollen wir nicht kleinreden." Es gebe im Kreisgebiet keinen Standort, an dem niemand beeinträchtigt würde. Also müsse es darum gehen, die Nachteile zu minimieren, ohne den Ausbau der Erneuerbaren und den Klimaschutz aus den Augen zu verlieren. Daher nehme sich der Landkreis mit den öffentlichen Info-Abenden im kommenden Herbst mehr Zeit für den Bürgerdialog, als Bund und Land es eigentlich vorsehen, so Vinbruck. Er glaube, das Konzept wäge die Interessen fair und transparent ab. Dadurch komme man womöglich schneller zum Ziel.

Viele Einwände aus der Bürgerfragestunde bezogen sich auf Lärmschutz, Brandschutz, Wasser- und Bodenschutz. Vinbruck zufolge müssen die späteren Zulassungsverfahren darauf eine Antwort geben. Das gelte beispielsweise für den Nachtbetrieb oder die Erschließung. Auf der Ebene der Raumordnung gehe es zunächst im gröberen Maßstab um Siedlungsabstände und Infrastruktur sowie um Puffer zu Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Gemeindegrenzen oder mögliche Vorteile einzelner Eigentümer spielten keine Rolle, so der Dezernatsleiter: "Wir sehen den Landkreis als Einheit."

Was Grüne und Naturschützer kritisieren

Im Dreieck Aschwarden-Rade-Hinnebeck sei allerdings Rücksicht auf die "teilräumliche Vorbelastung" der Gemeinde Schwanewede durch vorhandene Windparks genommen worden, so Vinbruck. Da beim Ausbau der Elbe-Weser-Stromleitung in der Nähe auch ein Umspannwerk gebaut werden soll, das 16 Hektar beansprucht, schrumpft das Vorranggebiet Schwanewede von 5,6 auf drei Quadratkilometer. Das Ortsbild werde noch immer "hart belastet", warnte Grünen-Sprecherin Gedat, die in Schwanewede zu Hause ist. "Wir dürfen die Menschen nicht überfordern."

Zusammen mit Jutta Kemmer forderte Gedat für das 5,1 Quadratkilometer große Vorranggebiet Schmidts Kiefern mehr Rücksicht auf Wallhecken, Bäume und Heidhofer Teiche. Im Vorranggebiet Löhnhorst/Stendorf, das 1,4 Quadratkilometer misst, drohten Beeinträchtigungen von Blumenthaler Aue und Bremer Schweiz; Park und Teich von Gut Hohehorst seien dort ebenfalls ein sensibler Bereich. "Da bitte nochmal genauer hingucken", gab die Grünen-Abgeordnete zu Protokoll. Entlang der A 27 hingegen sei Windkraft zu begrüßen, und Fotovoltaik, so Kemmer, könnte auch eine Alternative sein.

Lange Heide kleiner, Oberende größer

SPD-Mann Klaus Sass stellte fest, dass aus dem Suchraum Lange Heide der nordwestliche Teil wegen der Schönebecker Aue herausgefallen ist. Gerade dort hätte es nach seinen Worten interessierte Projektierer und Einwohner gegeben. Friederike Piechotta, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamts, erklärte die Verkleinerung mit aktualisierten Karten und Daten, die nun zugrunde lägen. Die Kriterien seien keine anderen als etwa an der Blumenthaler Aue. Dominik Vinbruck betonte, es stehe den Kreis-Kommunen auch frei, eigene Windpark-Projekte zu ermöglichen. Dafür brauche es einen Bebauungsplan, der nicht mit den Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms kollidiert, sodass es sich wohl eher um kleinere Anlagen handeln dürfte.

Unterdessen ist das Vorranggebiet Oberende auf 1,3 Quadratkilometer in Richtung Waakhausen gewachsen, nachdem ein Fehler im Liegenschaftskataster bereinigt worden war. In den Sozialen Medien sehen das einige Kommentatoren kritisch, denn auf dem Schießplatzgelände war vor ein paar Jahren mal ein 23 Meter hoher Lärmschutzwall aus belastetem Erdreich geplant. Er durfte seinerzeit unter anderem wegen des Landschaftsbilds nicht errichtet werden, während nun 250 Meter hohe Spargel am oder gar auf dem Schießplatzgelände möglich werden. Beides sei nicht vergleichbar, betonte Vinbruck. Der Gesetzgeber räume der Windenergie einen höheren Belang ein als dem Betrieb einer Schießanlage.

Zur Sache

Von punktueller Kritik zu Grundsatz-Streit

Jutta Kemmer als Vertreterin der Naturschutzverbände hat im Planungsausschuss kritisiert, dass der Landkreis weitere Vorranggebiete für Windparks ausweist, ohne belastbare Erkenntnisse zu Flora und Fauna vorliegen zu haben. Für die ausgeguckten Bereiche in der Samtgemeinde Hambergen und in Osterholz-Scharmbeck sei die Datengrundlage nicht etwa veraltet, sondern teils gar nicht vorhanden, bemängelte Kemmer. Im Gegensatz zum Landkreis Cuxhaven verzichte Osterholz bislang auf eine regelmäßige, systematische Erfassung. Das schmerze im Einzugsgebiet des Giehler Bachs und des Bremer Walds ganz besonders. Sie verwies auf den Schutz von Wallhecken, Fließgewässern und bedrohten Tierarten.

Auch Jochen Semken (UWG) regte an, im Beteiligungsverfahren mehr auf Naturschutz und Artenvielfalt zu achten. Nachdem die Grünen-Vertreterin Dörte Gedat die elf Gebiete Punkt für Punkt durchgegangen war, platzte Udo Mester (SPD) der Kragen: "Ich möchte mir lieber nicht ausmalen, was passiert, wenn wir vor lauter Bedenken das Teilflächenziel verfehlen." Seine Fraktion wolle nicht grundsätzlich alles infrage stellen und sei mit dem Konzept einverstanden. Bevor der Streit eskalieren konnte, drängte Heiko Pankoke (CDU) erfolgreich auf Abstimmung.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)