Die Osterholzer Kreisverwaltung hat ihr Konzept zum Ausbau der Windenergie in der Region deutlich abgespeckt. Der Entwurf des 350-Seiten-Papiers sieht wegen des Vogelschutzes nun doch keine Vorranggebiete für mögliche Windparks im Sankt Jürgensland und in Heudorf vor. In der Schwaneweder Marsch hat die Kreisbehörde zudem die sogenannten Suchräume gegenüber dem Vorentwurf vom vergangenen September verkleinert, weil im Westen des Kreisgebiets schon viele Windräder stehen. Erweiterungsmöglichkeiten vorhandener Windparks bilden gleichwohl einen Schwerpunkt.

Karte der Suchräume im Kreis Osterholz.
Mit dem Lenkungskonzept setzt der Landkreis Bundes- und Landesvorgaben zur Energiewende um und verhindert zugleich einen Wildwuchs der Windkraftanlagen an anderer Stelle (wir berichteten). Eine Kreistagsentscheidung dazu wird frühestens in einem Jahr fallen. Das Papier ist ein wichtiger Bestandteil des Regionalen Raumordnungsprogramms, das derzeit neu aufgelegt wird und anschließend ebenfalls verabschiedet werden soll. Wenn der Umwelt- und Planungsausschuss am Mittwoch, 5. Juni, zustimmt, folgen im kommenden Herbst zunächst öffentliche Info-Abende und die Beteiligung der Bürger und Behörden zur Windenergie-Planung.
Noch immer über dem Soll
Aus anfänglich 14 möglichen Vorranggebieten sind mit dem vorliegenden Entwurf nun noch elf im Rennen, die teils arrondiert und teils reduziert wurden und die als "grundsätzlich geeignet" gelten. Mit der Verkleinerung dieser Suchräume um ein knappes Drittel würde sich das Ausbaupotenzial infolge der Abstandsregeln um fast 39 Prozent reduzieren. Die Maßgaben aus Berlin und Hannover werden damit aber noch immer übererfüllt: Hatte der Vorentwurf anfangs 31,71 Quadratkilometer Gesamtfläche enthalten, so sind nun noch 21,97 Quadratkilometer im Rennen. Damit ergibt sich nach einem komplizierten Berechnungsverfahren ein sogenanntes Teilflächenziel von 1,93 Prozent der Landkreisfläche, die für neue Spargel infrage kommen könnten. Das Land Niedersachsen hat dem Kreis Osterholz auferlegt, bis Ende 2032 mindestens 1,18 Prozent der Landkreisfläche als Vorranggebiet auszuweisen. Der Landkreis selbst hat sich per Klimaschutzkonzept vorgenommen, diesen Wert um mindestens ein Viertel zu überschreiten.
Im Lilienthaler Sankt Jürgensland hatte sich mit Bekanntwerden der Windkraft-Pläne im Vorjahr eine Bürgerinitiative gegen die Vorranggebiete formiert. Die Kreisverwaltung äußerte seinerzeit Verständnis für die Kritiker, verwies aber auf den formalrechtlich geringeren Schutzstatus sowie das noch ausstehende Beteiligungsverfahren. Inzwischen aber sprang der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) den Windkraftgegnern zur Seite, dem der fertige Entwurf ohnehin noch vorgelegt werden soll. So haben die Landesvertreter den Kreis darauf hingewiesen, dass das Sankt Jürgensland insbesondere als Rastgebiet für die Blässgans von nationaler Bedeutung sei. In Heudorf wiederum handelt es sich laut NLWKN um ein Rastgebiet für Kraniche, das "als wertvoller Bereich für Gastvögel mit internationaler Bedeutung" einzustufen sei.
Nach Darstellungen der Kreisbehörde lag diese Einschätzung nicht rechtzeitig zur Erstellung des Arbeitsentwurfs vor, mit dem die Debatte im Vorjahr hochgekocht war. In der Gemeinde Schwanewede wiederum gehen die jüngsten Streichungen offenbar auf verwaltungseigene Abwägungen zurück. Als Suchraum entfernt wurden dort ein größerer Bereich zwischen Rade und Hinnebeck sowie das Gebiet nahe der denkmalgeschützten Baracke Wilhelmine. Teile des Muna-Geländes in der Samtgemeinde Hambergen hingegen sind zwar weiterhin im Rennen; aber ob es auch als Windkraft-Standort infrage kommt, ist unklar. Eine Einstufung als Vorranggebiet bedeutet nicht, dass dort zwangsläufig auch Windräder entstehen werden; für die Zulassung gibt es ein eigenes Verfahren. Und zunächst einmal müssen der Eigentümer bereit und ein Investor vorhanden sein. Ausgerechnet im Sankt Jürgensland, das nun als Suchraum entfernt werden soll, wäre beides anscheinend der Fall.
Enttäuschter Eigentümer
Bei der Sitzung des Lilienthaler Gemeinderats am Dienstagabend nutzte Hermann Meyer die Gelegenheit, in der Einwohnerfragestunde bei Bürgermeister Kim Fürwentsches nachzuhaken. Meyer ist einer der Grundstückseigentümer der Flächen, auf denen der Baywa-Konzern einen großen Windpark errichten will. Der Landwirt aus Oberende machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Sollten sich die Pläne tatsächlich zerschlagen, würden der Gemeinde jährlich Einnahmen von mehr als einer Million Euro entgehen, welche die Betreiber der Windparks als Abgabe zu entrichten hätten, sagte er in der großen Runde im Ratssaal. Auch den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben würden die Anlagen guttun. Meyer unterstrich am Tag nach der Ratssitzung, er erwarte von der Gemeinde, dass sie nun beim Landkreis Druck macht, damit die Flächen doch noch als Vorranggebiete ausgewiesen werden.
Bürgermeister Kim Fürwentsches will die Landkreis-Unterlagen und die Argumente prüfen, die zum Ausschluss der beiden Flächen im Sankt Jürgensland führen sollen. Auch ihn habe die geplante Streichung überrascht. „Wir werden uns die Begründung anschauen und dann abwägen, ob wir mitgehen können oder nicht“, sagte Fürwentsches auf Nachfrage. Es sei auf der einen Seite klar, dass jede Fläche, die nicht für die Erzeugung von Windenergie entwickelt werden könne, auch nicht zur Energiewende beitragen könne. Auf der anderen Seite gebe es aber auch naturschutzrechtliche Argumente gegen den Bau von Windrädern. „Windenergie nach dem Motto ,Koste es, was es wolle', kann nicht der Weg sein“, sagte Fürwentsches.
Die Gemeinde Lilienthal wolle sich nun noch einmal mit dem Gutachten des Fraunhofer-Instituts befassen, das landesweit die Potenzialstandorte für Windenergie ermittelt und dabei zumindest den Bereich Sankt Jürgensland-West als grundsätzlich geeignet eingestuft hatte. Grund zur Eile sieht Fürwentsches nicht: Bis November haben die Kommunen Zeit, eine Stellungnahme abzugeben.