Als Chefarzt der Inneren Medizin und Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am Kreiskrankenhaus Osterholz weiß Jürgen Heuser um die Gefahren des Schlaganfalls, der besonders für Menschen ab dem 75. Lebensjahr – für Risikopatienten mit Bluthochdruck, Diabetes, chronischer Herzschwäche, arterieller Durchblutungsstörungen oder bereits überstandener Schlaganfälle auch schon in früheren Jahren – lebensbedrohlich werden kann.
„Etwa 2000 bis 2800 Menschen im Landkreis Osterholz haben Vorhofflimmern, ein Drittel bis die Hälfte davon, ohne es zu wissen“, sagt Jürgen Heuser. Im Landkreis Osterholz sei mit etwa 370 Schlaganfällen jährlich zu rechnen, davon würden etwa 80 durch Vorhofflimmern verursacht. Vorhofflimmern erhöht das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um das Fünffache. Beim Vorhofflimmern gerät das Herz aus dem Takt, wodurch sich kleine Blutklümpchen im Herzen bilden können. Geraten diese in das Gehirn und verschließen ein Blutgefäß, kann es zum Schlaganfall kommen.
Studie aus Schweden
2021 las Heuser über eine hochrangige Studie aus Schweden, die zeigte, dass 75- und 76-Jährige 24 Prozent weniger Schlaganfälle erleiden, wenn sie selbst nur 14 Tage lang zweimal täglich ein Finger-EKG anfertigen und dabei entdecktes Vorhofflimmern behandeln lassen.
Das Finger-EKG ist eine noch recht junge Errungenschaft. Erst etwa 2012 kamen die ersten Finger-EKGs, bei denen der Patient zwei Finger der rechten und linken Hand auf eine kleine Platine legt, die dann ein 1-Kanal-EKG oder Rhythmus-EKG, erstellen, auf den Markt. Die Apple Watch kam Ende 2018 auf den Markt und war die erste Smart Watch, die in der Lage war, auch ein EKG schreiben zu können.
2019 wurde die Stanfords Apple Heart-Studie publiziert, an der 400.000 Probanden teilnahmen. Die Forschungsstudie untersuchte, ob die Daten der „Apple Heart Study App“ von der Apple Watch dazu verwendet werden konnten, um unregelmäßige Herzrhythmen zu identifizieren. Die Studie erbrachte erstmals den Nachweis, dass mithilfe von Pulsmessgeräten oder Fitness-Trackern und im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz die Erkennung von Vorhofflimmern mit recht hoher Zuverlässigkeit möglich ist.
Workshop geplant
„Wir sind überzeugt, dass so etwas auch für die Menschen in unsere Region wünschenswert und machbar ist“, sagt Jürgen Heuser. Gemeinsam mit Krankenhausleiterin Doris Sonström hat Heuser nun die Kampagne „OHZ gegen Schlaganfall“ gestartet. Für ein Finger-Elektrokardiogramm (EKG) werden ein Smartphone und ein EKG-Pad oder alternativ eine EKG-fähige Smartwatch, wie sie beispielsweise schon jetzt von Apple, Samsung oder Huawei angeboten werden, benötigt.
„Weniger technikaffinen Interessierten wollen wir zu Beginn der Aktion OHZ gegen Schlaganfall einen Workshop anbieten, bei dem die verschiedenen Methoden der Finger-EKG-Technik und die Übertragung der selbst gefertigten EKGs an den behandelnden Arzt demonstriert werden“, so Heuser. In dem Workshop wird den Interessierten die Installation eines Finger-EKGs von Beginn an vorgestellt und eventuell auftretende Probleme besprochen. Die technische Ausstattung wird an dem Abend zur Verfügung gestellt, sodass die Teilnehmenden nicht zwingend eigene Geräte mitbringen müssen.