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Polizei im Landkreis Osterholz Wenn Kriminalitätsstatistik und gefühlte Sicherheit auseinanderklaffen

Die Kriminalität im Landkreis Osterholz geht zurück, aber das Sicherheitsgefühl vieler Menschen scheint sich dadurch kaum zu verbessern. Die Polizei erklärt, sie setze weiter auf Prävention und Aufklärung.
25.03.2025, 05:00 Uhr
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Wenn Kriminalitätsstatistik und gefühlte Sicherheit auseinanderklaffen
Von Bernhard Komesker

Die Zuwanderung nach Deutschland führt an den Zuzugsorten nicht zu einer höheren Kriminalitätsrate. Dieses Ergebnis einer Mitte Februar veröffentlichten Studie des Münchner Ifo-Instituts für die Jahre 2018 bis 2023 deckt sich mit der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik für den Landkreis Osterholz. "Wir sehen da keine Auffälligkeiten", sagt Antje Schlichtmann, Leiterin der Polizeiinspektion Verden/Osterholz, auf Nachfrage der Redaktion. Nach den Daten für den Landkreis Osterholz ging die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit einem Aufenthaltsstatus im Vorjahr zurück: Gezählt wurden 121 Asylbewerber, Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge sowie Menschen mit einer Duldung oder unerlaubtem Aufenthalt. Die Zahl aller nichtdeutschen Tatverdächtigen sei in den vergangenen Jahren auch nicht überproportional angestiegen, so Schlichtmann, sondern entsprechend dem Migrationsgeschehen. "Das ist keine Besonderheit, die uns Sorgen bereitet", sagt die Polizeichefin.

Andreas Lohmann, Kripo-Chef für die Landkreise Osterholz und Verden, setzt hinzu: "Im ländlichen Raum gibt es weniger Probleme als in den Ballungsräumen." Dort freilich gibt es auch eine andere Gesamtkriminalität, wie die Wissenschaftler des ifo-Instituts bei der Untersuchung der Landkreis-Statistiken dargelegt haben. Demnach steigt das Kriminalitätsrisiko in den großen Städten für Deutsche und Nichtdeutsche gleichermaßen. Auch bei besonders schweren Delikten wie Tötungen oder sexuellen Übergriffen fanden die Forscher keinen statistischen Zusammenhang mit einem steigenden Ausländeranteil oder dem Anteil an Schutzsuchenden. Dass Ausländer im Schnitt jünger und häufiger männlich sind, spiele eine geringere Rolle als die jeweilige Integration in den Arbeitsmarkt deutscher wie nichtdeutscher Täter.

Bauchgefühl und harte Fakten

Überdies warnt das Bundeskriminalamt davor, die Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger in ein Verhältnis zum Ausländeranteil zu setzen. Denn ein unbekannter aber nennenswerter Teil der Verdächtigen sei gar nicht in Deutschland gemeldet. Dazu zählen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis ebenso wie Durchreisende, Touristen, Grenzpendler oder ausländische Streitkräfte. So könnte laut Warnung des BKA der Eindruck entstehen, Ausländer seien besonders kriminell. Auch Verstöße gegen das Ausländerrecht, die Deutsche hierzulande nicht begehen können, sind in den Fallzahlen enthalten.

Die Polizei spricht mit Blick auf die Statistik von einer gefühlten Unsicherheit bei den Bürgern, die sich bisweilen von den nackten Zahlen unterscheide. Der Einfluss der sozialen Medien wächst offenkundig. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat vor zehn Jahren darauf hingewiesen, wie wenig die Menschen geübt darin sind, ein Risiko noch vernünftig zu kalkulieren, wenn sie eine Bedrohung oder Gefahr empfinden. Kaum war die jüngste Kriminalstatistik bekanntgegeben – bei denen es sich naturgemäß nur um die aktenkundigen Fälle des Hellfelds handeln kann – äußerten erste Nutzer prompt ihre Zweifel am Wahrheitsgehalt der Daten. Die Ordnungshüter wiederum kennen ein weiteres Beispiel für eine Diskrepanz in der öffentlichen Wahrnehmung. So gibt es beim Wohnungseinbruchdiebstahl seit Jahren einen spürbaren Rückgang, und dennoch sind viele Menschen beunruhigt.

Aufklärungsquote 17,7 Prozent

Nach 420 Fällen im Jahr 2016 standen im Vorjahr noch 113 Fälle zu Buche – der zweitniedrigste Wert in der Langzeitbetrachtung neben dem Pandemiejahr 2021, als 98 Fälle registriert wurden. In 50 der 113 Fälle blieb es im vergangenen Jahr zudem bei dem Versuch. Antje Schlichtmann weiß aber auch: "Gerade ein Wohnungseinbruch kann das Sicherheitsgefühl der Menschen erschüttern." Da sei ein mulmiges Gefühl dann nur zu verständlich.

Dabei muss man dafür gar nicht unmittelbar betroffen sein, denn laut Polizeistatistik lässt sich von sechs Wohnungseinbrüchen kaum mehr als einer letztlich aufklären. Andreas Lohmann erklärt: Die polizeiliche Prävention, eigene Ermittlungsgruppen und bessere Schutzvorkehrungen an Türen und Fenstern lassen einerseits die Fallzahlen sinken. Aber die Täter – nicht selten durchreisende Banden aus dem In- und Ausland – gehen andererseits auch immer professioneller vor, was Ermittlung und Aufklärung der verbleibenden Fälle erschwert.

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Nicht immer läuft es so wie neulich im Fall einer verreisten Familie, deren Smart-Home-Kamera auf dem Handy im Urlaub plötzlich Alarm schlug: Mithilfe von Nachbarn und eines raschen Polizeieinsatzes wurden die Täter auf frischer Tat gefasst, bevor sie mit der Beute verschwinden konnten. Der Osterholzer Kripo-Chef Lars Röben sagt: "Die Täter wollen die Einbrüche schnell und unbemerkt durchführen. Wenn sie mehr Zeit aufwenden müssen, erhöht sich auch das Risiko, entdeckt zu werden." Bei einer Verurteilung drohen ihnen seit 2017 empfindlichere Strafen.

Weiter Angriffe auf Einsatzkräfte

Die eigene Sicherheit ist aber auch für Einsatzkräfte selbst ein Thema, wie die Polizeichefin darlegt. Die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte sank gegenüber 2023 von 36 auf 28. Dabei wurden 71 leicht verletzte Opfer gezählt, kein Polizist wurde schwer verletzt. "Jede Tat ist eine zu viel", sagt Antje Schlichtmann. Mit Bodycams und gemeinsamen Fortbildungen auch für Feuerwehr und Rettungsdienst wolle die Polizei gegensteuern. "Wir behalten das im Auge."

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Ebenfalls ein Schwerpunkt bleibe der Bereich "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen". Zu den bekanntesten Betrugsphänomenen gehören der Enkeltrick, falsche Polizeibeamte oder sogenannte Schockanrufe. Die Täter entwickeln die Methoden immer weiter und verändern oder kombinieren diese, sagt Schlichtmann. Deshalb wolle die Polizei die Senioren und ihr Umfeld weiter sensibilisieren.

Info

Das Präventionsteam der Polizeiinspektion Verden/Osterholz ist erreichbar unter Telefon 04231/ 80 61 08 oder per E-Mail an praevention@pi-ver.polizei.niedersachsen.de.
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