In den Niederlanden gilt es seit Kurzem, Italien und Griechenland haben es schon, in Großbritannien soll es kommen und Frankreich testet es gerade: das Handy-Verbot in Schulen. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert.
Am Gymnasium und an der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Lilienthal ist man beim Thema Handy-Verbot geteilter Ansicht. Denis Ugurcu, Leiter des Gymnasiums, erklärt auf Nachfrage, dass er ein generelles Handy-Verbot begrüße und sich strengere Vorgaben vom Land Niedersachsen wünschen würde. Für ein Verbot spricht aus seiner Sicht das Argument der Stressreduktion.
Die Schüler bräuchten Phasen ohne Bildschirmzeit, "die private Nutzung von Social Media in der Schule führt nicht zur Entspannung", sagt der 44-Jährige. Ein Handy-Verbot stärkt ihm zufolge außerdem die kommunikativen Fähigkeiten der Schüler. "Um es platt auszudrücken, die Kinder sollen miteinander reden und nicht miteinander schreiben."
Eine gute Idee sei das Handy-Verbot auch deshalb, um in der Schule Cybermobbing, Hetze oder anderen gruppendynamischen Prozessen vorzubeugen, die die Schule nicht kontrollieren könne, sagt Ugurcu. Um die Schüler zu schützen und gleichzeitig fit zu machen für Multimedia und Digitalisierung, gebe es die "gelenkten Bildschirmzeiten", in denen die Schüler im Unterricht iPads einsetzen. Die Tablets machten die Handynutzung in der Schule nach Ansicht des Schulleiters letztlich überflüssig.

Denis Ugurcu
Wer in der Pause chatten und telefonieren will, muss am Gymnasium Lilienthal in die sogenannte Handyzone. In der Pausenhalle vor den Schließfächern und in einem weiteren Bereich ist es erlaubt, das Smartphone zu benutzen. Im Unterricht darf das Gerät nur dann herausgeholt werden, wenn die Lehrkraft das ausdrücklich fordert. Wer sich nicht daran hält, muss für ein paar Stunden ohne Smartphone auskommen. Erst nach der sechsten Stunde gibt es das Gerät zurück.
Eine Studie der Universität Augsburg kommt zu dem Ergebnis, dass ein Smartphone-Verbot messbar positive Effekte auf das soziale Wohlbefinden von Schülern habe. Laut der Forscher beobachten Lehrer, dass ein sichtbar auf dem Tisch liegendes Handy die Konzentration negativ beeinflusse, auch das soziale Klima an Schulen leide beispielsweise durch Cybermobbing. Ein Verbot könnte die Schulen gerade für jüngere Schüler zu sichereren Orten machen.
Mario Segelhorst, der Leiter der IGS Lilienthal, hält ein reines Handy-Verbot in der Schule für nicht sinnvoll. Seiner Meinung nach sind Handys aus dem Alltag nicht wegzudenken, "es wäre weltfremd, sie zu verbannen". Vielmehr sei eine pädagogische Begleitung wichtig, damit Kinder und Jugendliche lernten, wie sie verantwortungsbewusst mit der Technik umgehen könnten. Deshalb sollte es immer darum gehen, so der 40-Jährige, die Medienkompetenz der Heranwachsenden zu fördern und sie für die sozialen Medien zu sensibilisieren.
Segelhorst möchte, dass Schüler lernen, eigenverantwortlich mit ihren Smartphones umzugehen und somit eine sogenannte Medienmündigkeit zu entwickeln. Dazu gehöre, auf die Gefahren und Stolperfallen hinzuweisen, aber die Schüler auch dazu zu erziehen, dass "das Handy mal in der Tasche liegt". Zur Medienbildung gehöre etwa, Lügen und Halbwahrheiten – Fake News – im Internet zu identifizieren und auf die Rolle der sozialen Medien bei der politischen Meinungsbildung hinzuweisen.

Mario Segelhorst
"Die meisten Schüler gehen überraschend sinnvoll mit ihrem Handy um", sagt Segelhorst. Aber auch an der IGS Lilienthal ist die Benutzung des Handys geregelt. So dürfen die Schüler der Jahrgänge fünf bis sieben am Standort Grasberg ihr Gerät ausgeschaltet in der Schultasche dabei haben, aber weder im Unterricht noch in den Pausen nutzen, außer im Notfall. Für die älteren Schülerinnen und Schüler, die die IGS in Lilienthal besuchen, sei die Nutzung von Mobiltelefonen in den Pausen in bestimmten Zonen erlaubt, so Segelhorst. Die Jugendlichen selbst wünschten sich allerdings einen komplett verbotsfreien Raum am Standort Lilienthal, um jederzeit auf ihr Gerät zugreifen zu können. Nur ganz wenige seiner Kollegen würden ein generelles Handy-Verbot an der Schule begrüßen.
Verstörendes bei Tiktok
An der neuen IGS im Lernhaus am Campus in Osterholz-Scharmbeck ist Handynutzung ein großes Thema. Schulleiter Marc Seis berichtet, dass es täglich Konflikte aufgrund von Cybermobbing-Fällen gebe, die in der Freizeit entstanden seien. "Ich sehe das Handy insofern als großes Problem, weil die Kinder in den Welten der sozialen Medien leben, sich nicht mehr treffen, keine unkontrollierten Räume draußen entdecken oder nutzen und nur noch virtuell kommunizieren." Destruktive, unsoziale und "häufig zutiefst verstörende" Dinge würden durch soziale Medien wie Tiktok dann in die Schule getragen. "Von daher wäre ich zuallererst für ein absolutes Tiktok-Verbot", sagt der Schulleiter. Konflikte aus dem privaten Raum müssten dann in der Schule befriedet werden, um eine Grundlage für den Unterricht zu schaffen.
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) ist gegen ein generelles Verbot von Smartphones an Schulen. "Ich glaube, dass wir gut damit fahren, das in der Verantwortung der Schulen zu lassen", sagte sie kürzlich im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Schulen hätten über ihre Hausordnungen Möglichkeiten, Handy-Verbote auszusprechen oder Handynutzungen zu regeln.