Lilienthal. Im Bauausschuss hörte Poliboy-Geschäftsführer Torsten Emigholz Loblieder auf das mittelständische Unternehmen. „Wir können froh sein, dass wir in Lilienthal noch so einen Gewerbebetrieb haben, der standorttreu ist“, fand der Grüne Hanno Dehlwes. Poliboy sei „ein Vorzeigebetrieb“, ergänzte der Ausschussvorsitzende Marcel Habeck (CDU) am Donnerstagabend im Rathaussaal. In Poliboys Nachbarschaft stoßen die Erweiterungspläne des Herstellers von Möbelpolituren und Pflegemitteln auf massiven Widerstand. Doch die Politik stärkt dem Unternehmen den Rücken.
Poliboy produziert eine gefühlte Ewigkeit in Lilienthal, seit 1952. Es war ein Kleinbetrieb, der sich anschickte, von der Tornéestraße aus die Welt zu erobern, den großen Markt. Das Poliboy-Männchen mit dem Pagenkopf und den Bürstenschuhen wurde zum Markenzeichen, bekannt im In- und Ausland. Bei Polituren und anderen Pflegemitteln sind die Lilienthaler Marktführer, sie trotzen Global Playern wie Henkel oder BASF. 65 Mitarbeiter arbeiten für Poliboy, 52 in Lilienthal.
Mittlerweile wird in zwei Schichten gearbeitet. Doch das Lager ist den Produktionsmengen nicht mehr gewachsen. Es ist zu eng in der kleinen Fabrik. Ständig müssen Rohstoffe und Kartons mit abgefüllten Poliboy-Fläschchen hin- und hergeschoben werden. Das kostet Zeit und Geld. Daher will Poliboy eine 9,50 Meter hohe Lagerhalle bauen. Zwei Nachbargrundstücke hat das Unternehmen gekauft und die Häuser abreißen lassen.
Die Nachbarn gucken mit Argusaugen auf den Chemiebetrieb. Sie fürchten eine Ausweitung der Produktion, noch mehr schwere Lkw, noch mehr Lärm und Gefahr (wir berichteten). Poliboy und seine Nachbarn, das ist seit Jahren ein Spannungsverhältnis. Ringsum stehen Wohnhäuser, neue Wohngebiete sind entstanden.
Am Donnerstagabend saßen Männer und Frauen aus der Nachbarschaft auf den Zuhörerplätzen im Sitzungssaal, als der Bauausschuss in die Tagesordnung einstieg. Gleich zu Beginn, in der Fragestunde, sahen sich Politik und Verwaltung mit Kritik konfrontiert. „Das ganze Projekt ist nicht verträglich mit der Wohnbebauung“, warnte Achim Dellinger. Beim Hallenbau werde noch mehr Fläche versiegelt, der Lkw-Verkehr steige und das Gefahrenpotenzial.
Die Änderung des Bebauungsplans Tornéestraße, ohne die Poliboy die Halle nicht bauen kann, soll im beschleunigten Verfahren durchgezogen werden. Das stößt bei den Nachbarn auf Kritik. Eine Bürgerversammlung wird es nicht geben, doch können sich alle Bürger die Pläne im Rathaus angucken, dort werden sie einen Monat lang ausgelegt. Wie die beteiligten Behörden, Verbände, Kammern und Unternehmen können die Bürger Einwände erheben. Politik und Verwaltung müssen abwägen und Stellung nehmen. Formal sei alles rechtens, räumte Dellinger ein. Doch die Wahl des beschleunigten Verfahrens offenbare wenig Fingerspitzengefühl.
„Wir sind uns der Konfliktsituation durchaus bewusst“, erklärte Bürgermeister Kristian Tangermann. Im Planungsrecht gehe es um Konfliktvermeidung. „Am besten, man nimmt Poliboy da raus. Aber das ist keine Option.“ Momentan habe die Gemeinde nicht ein einziges Gewerbegebiet zu bieten.
Hanno Dehlwes plädierte ohne Wenn und Aber für die Bebauungsplanänderung. „Damit sichern wir die Arbeitsplätze.“ Die Nachbarn würden durch die Erweiterung nicht beeinträchtigt. „Ein Betrieb, der schon da ist, hat auch ein Recht auf eine gewisse betriebliche Entwicklung“, betonte der Grüne.
„Wir brauchen den Betrieb hier“
„Wir sollten alles tun, um die Arbeitsplätze zu erhalten“, meinte der Linke Reinhard Seekamp. „Wir brauchen den Betrieb hier.“ Andererseits könne er die Sorgen und Befürchtungen der Nachbarn verstehen. Vielleicht könne man eine Perspektive schaffen, den Betrieb in fünf bis zehn Jahren umzusiedeln. In einem Gewerbegebiet hätte das Unternehmen ganz andere Möglichkeiten.
Eine Aussiedlung berge die Gefahr, dass der Betrieb auch nach anderen günstigeren Flächen Ausschau halte und Lilienthal verlasse, warnte Dehlwes. Es gehe doch nur darum, „das Durcheinander“, das Hin- und Herschieben zu beseitigen. Das verteuere die Produktion und könne Poliboy in Schwierigkeiten bringen. „Dann macht die Firma vielleicht ganz zu.“
Wie der Christdemokrat Marcel Habeck warb der SPD-Mann Kurt Klepsch für den Hallenbau. „Die Arbeitsplätze werden erhalten. Und die Verkehrsverhältnisse verbessern sich, das ist für die Anwohner ein großes Plus.“ Nach dem Bau der Lagerhalle soll die Masse der Lkw auf dem Werksgelände be- und entladen werden. Die Rampe an der Tornéestraße soll nicht mehr so oft genutzt werden wie heute.
Am Ende der Debatte hoben alle Politiker die Hände für die Planänderung, die Poliboy den Bau der Halle ermöglichen würde. Der Linke Reinhard Seekamp tat es „mit Bauchschmerzen“ und Verständnis für die Sorgen der Nachbarn.