Der geplante Bau eines Pflegeheims hinter dem Osterholzer Kreiskrankenhaus wackelt bedenklich. Die Kreisverwaltung möchte das Projekt mangels personeller Ressourcen zumindest bis Ende 2025 erst mal auf Eis legen (wir berichteten). Weil unterdessen die Kosten steigen und die Kreisfinanzen auf Talfahrt sind, befürchtet eine Mehrheit der Kreispolitiker, am Ende müsse das Projekt womöglich ganz beerdigt werden. Vor der entscheidenden Sitzung des Kreisausschusses (KA), der an diesem Dienstag, 14. Mai, unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt, favorisiert die Linksfraktion nun einen dritten Weg: abspecken und umgehend weiterplanen.
Nach einem Gespräch mit Branchenkennern sind die Abgeordneten Herbert Behrens und Reinhard Seekamp überzeugt: Wenn eine Nummer kleiner gebaut werde, müsse die Idee einer kreiseigener Pflegeeinrichtung weder aufgeschoben noch aufgehoben werden. Dabei solle der Landkreis die bisherigen Erkenntnisse sowie externen Sachverstand nutzen, so die Linken.
"Zu groß und zu teuer"
"Ziel ist es, eine kommunale Pflegeeinrichtung zu realisieren, die in Bezug auf die Dimensionen zu den Kreisfinanzen passt, und die in Bezug auf Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle sicherstellen soll, dass ausreichend Fachpersonal gewonnen werden kann", schreibt Die Linke nach einer Unterredung mit Experten wie Karl-Heinz Müller, der in Ritterhude lange Jahre das Haus Christian mit 65 Plätzen betrieben hat. Müller hatte Anfang April im Sozialausschuss geargwöhnt, der Landkreis baue zu üppig und zu teuer, was die Kreisdezernentin Heike Schumacher als unzutreffend zurückgewiesen hatte.
Das Heim mit 20 Plätzen für demenziell Erkrankte sowie 40 Heimplätzen für die Kurzzeitpflege steht mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 27,7 Millionen Euro in der mittelfristigen Finanzplanung zum Kreishaushalt 2024. Der geklinkerte Flachdachbau soll nach dem Effizienzhaus 40-Standard erstellt werden und ein Solardach haben; er verfügt laut Planskizze über 5174 Quadratmeter Bruttogrundfläche, verteilt auf zwei barrierefreie Geschosse.
Zweifel an bisheriger Planung
Das sind 86 Quadratmeter pro Bewohner, rechnet Müller vor. Selbst wenn man in Rechnung stelle, dass demenziell erkrankte Bewohner mehr Fläche benötigen, seien 86 Quadratemter viel zu groß. Womöglich solle man es besser bei einem reinen Kurzzeitpflegeangebot belassen, um Kosten zu sparen, so eine Anregung des Altenheim-Chefs im Ruhestand. Er erläutert, bei Verhandlungen über die umlagefähigen Investitionskosten habe die Osterholzer Heimaufsicht erst unlängst erklärt, für Wohnbereich und Gemeinflächenanteil seien allenfalls 48 Quadratmeter pro Pflegeplatz zu veranschlagen; mehr wäre nicht angemessen.
"Das passt doch überhaupt nicht", urteilt der Ritterhuder, der sein Altenheim vorigen Sommer an den Lilienthaler Pflegedienst von Sven Mensen übergeben hat. Seine Kritik hat Müller in einem offenen Brief an die Kreisverwaltung zusammengefasst, in dem er die Expertise der Verantwortlichen offen anzweifelt. Schon im Ausschuss hatte der ehemalige Heim-Geschäftsführer und -Eigentümer dargelegt, statt der veranschlagten Quadratmeterkosten von 5350 Euro dürfte es auch für umgerechnet 3200 Euro gehen; die Dezernentin bestritt dies und verwies darauf, der Betrieb kleinerer Einheiten sei tendenziell eher teurer.
Für Öffnung der Debatte
Für die Linksfraktion hat das Ganze auch eine sozialpolitische Komponente, falls am Ende unbezahlbare Heimplätze herauskommen sollten. Nach den bisher vorliegenden Zahlen werden die sonst erhobenen Refinanzierungskosten von bis zu 22 Euro pro Tag und Person bei Weitem gesprengt. Diese Debatte müsse öffentlich geführt werden, schreiben Behrens und Seekamp; der KA solle den Sozialausschuss mit einem Teil-Neustart beauftragen, den Planungsprozess zu öffnen und noch vor der Sommerpause externe Fachleute einbeziehen. So könnten alle Seiten ihr Gesicht wahren, wie Seekamp erklärt: "Die bisherigen Positionen der Abgeordneten, die das Projekt einstimmig beschlossen haben, werden respektiert, und die Verwaltung wird nicht gezwungen sein, das Projekt aus finanziellen Gründen verschieben zu wollen.“
Die ehemalige Landtagsabgeordnete der Linken, Marianne König, hält es für unverzichtbar, ein kommunales Haus für die Kurzzeitpflege zu schaffen, weil der Markt es nicht regele. Die gelernte Krankenschwester sagt, private Betreiber erzielten ihren Kostenvorteil gegenüber öffentlichen Einrichtungen oft durch Druck auf die Belegschaft. Monika Stahlberg vom Seniorenbeirat der Stadt ergänzt, eine Erfolgsvoraussetzung sei motiviertes, gut ausgebildetes Personal. Wegen Personalmangels nähmen manche Pflegeheimbetreiber Menschen mit Kurzzeitpflege-Bedarf gar nicht erst auf.