Den Kommunen geht das Geld aus. Wie der WESER-KURIER berichtete, registriert das Statistische Bundesamt ein rasant wachsendes Finanzdefizit in den Städten, Kreisen und Gemeinden. Osterholz ist keine Ausnahme. Soll also der Landkreis Osterholz den lange geplanten Pflegeheim-Neubau hinter dem Kreiskrankenhaus vorerst auf Eis legen oder trotzdem durchziehen – und vielleicht gerade deswegen rasch ausschreiben, bevor das Projekt womöglich in letzter Sekunde von der Finanzaufsicht in Hannover gestoppt wird? Darüber wurde im Sozialausschuss des Kreistags jetzt lebhaft diskutiert. Die Abgeordneten vermissten entscheidende Daten und Fakten im Verwaltungsvorschlag, der auf ein Moratorium bis 2026 hinauslaufen würde (wir berichteten). Am Ende vertagten die Kreispolitiker ihre Entscheidung auf Dienstag, 14. Mai. Dann tagt der Kreisausschuss hinter verschlossenen Türen.
Das sagt die Kreisverwaltung
Das Amt für Immobilienmanagement sei überlastet. Neben dem laufenden Großprojekt der BBS-Modernisierung sei kurzfristig auch der Umzug der Schule am Klosterplatz ins heutige Kreishaus II notwendig geworden. Dafür müsse nun die vormals Neue Pestalozzischule, die als Verwaltungssitz fungiert, wieder für schulische Zwecke umgerüstet werden. Für die rund 130 Kreishaus-II-Beschäftigten wird eine Interimslösung in der Sparkasse an der Bahnhofstraße 45 geschaffen, so die Verwaltung. Ausschreibungen und Projektbegleitungen binden viele planerische, personelle und finanzielle Ressourcen in noch unbekanntem Ausmaß. Die Verwaltung müsse Luft holen, aufgeschoben sei nicht aufgehoben.
Der Pflegeheim-Neubau, der von den Abgeordneten zu Zeiten voller Kassen beschlossen wurde, sei keine freiwillige Leistung im engeren Sinne, sondern lässt sich aus dem Pflegegesetz als unabweisbar nötig herleiten. Der Markt habe für Kurzzeitpflege und Demenzkranke nicht genügend Angebote geschaffen. Allerdings sei es auch die Pflicht der Verwaltung, auf veränderte Rahmenbedingungen hinzuweisen. 27,7 Millionen Euro sind in der mittelfristigen Finanzplanung für den Heim-Neubau vorgesehen, aber da dieses Geld nun aus Krediten finanziert werden muss, steigt mit dem Tilgungsaufwand auch das erwartete Betriebskostendefizit, wobei es seit 2019 auch erhebliche Tarifsteigerungen gab: von 490.000 Euro auf 1,2 Millionen Euro.
Das sagt die SPD
Die SPD will das Projekt und ist gegen eine Verschiebung. Der Kostenanstieg sei bedenklich, aber es bestehe die große Gefahr, dass am Ende alles nur noch teurer werde – und dass zwischendurch noch weitere Dinge wie der Schulumzug auftauchten, die den Bau erneut verzögerten. Für die SPD ist es eine gesellschaftspolitische Entscheidung, die der Kreistag damals einstimmig beschlossen habe – wegen der Notlage in den Bereichen Kurzzeitpflege und demenzielle Erkrankungen. Daran hat sich laut der Partei nichts geändert, sodass etwas getan werden müsse. Die Betroffenen und ihre Angehörigen würden für das Projekt nicht demonstrieren gehen. Es sei deshalb Mut gefragt.
Das sagen die Linken
Die Linken sind mit dem Verwaltungsvorschlag nicht einverstanden. Um eine so weitreichende Entscheidung plausibel zu machen, müsste die Sitzungsvorlage allerdings viel detaillierter sein, finden die Abgeordneten. So aber seien die Grundlagen der Kostenschätzung, die Ursachen des Anstiegs und das Gewicht der Faktoren vollkommen unklar. Bei der Betreiber- und Betriebskostenfrage sollte man sich mehr Gedanken machen, vielleicht gemeinsam mit dem Kreiskrankenhaus. Das Ganze dürfte doch schon beim Haushaltsbeschluss vor vier Monaten absehbar gewesen sein. Keinesfalls dürfe aus der Atempause ein Atemstillstand werden.
Das sagen Bürgerfraktion und FDP
Auch bei einem Herzensprojekt müsse man kühlen Kopf bewahren. Der Landkreis dürfe nicht sehenden Auges auf eine Haushaltskatastrophe zusteuern. Dennoch stehe die Fraktion uneingeschränkt hinter dem Projekt. Mit einer Verpflichtungsermächtigung im Haushalt 2025 über zehn oder 15 Millionen Euro könnte ihrer Meinung nach ein verbindliches Signal gesetzt werden, dass es 2026 auch wirklich losgeht. Es könnte aber auch schon mal mit der Parkplatz-Erweiterung an der Wiesenstraße begonnen werden. Die Daten in der Verwaltungsdrucksache seien tatsächlich dürftig. "Soll ein Generalunternehmer gefunden werden? Wird es ein Eigenbetrieb, verpachtet oder ins Krankenhaus integriert?" Weil die Zeit bis zum nächsten Kreisausschuss (KA) am 11. April zu knapp sei, sollte bis Mitte Mai nachgearbeitet werden; der KA habe den Vorteil, dass er nicht öffentlich tage.
Das sagen UWG und Grüne
Die Fraktion habe sich wegen der Osterferien mit dem Thema noch nicht abschließend befassen können und könne keiner Entscheidung zustimmen. Gegen eine Planungspause spreche nicht nur die zu erwartende Teuerung, sodass es eine Beerdigung in zwei Schritten werde, sondern auch, dass sich das Liegenschaftsmanagement 2026 erst wieder neu ins Thema einarbeiten müsse. Aus der Vorlage werde nicht klar, in welchem Umfang Personalressourcen durch den Pflegeheim-Neubau gebunden werden und ob das zwangsläufig so sein muss. UWG und Grüne möchten außerdem überblicken können, wie groß die haushaltsrechtliche Gefahr ist, wenn sie den Verwaltungsvorschlag ablehnen und Nägel mit Köpfen machten.
Das sagt die CDU
Die CDU will noch mal genauer über die Einzelheiten beraten. Mehrheitlich ist sie für den Bau des Pflegeheims und tut sich schwer damit, den Baubeginn zu verschieben. Sie sei sicher, dass es sich bei dem Projekt nicht um eine freiwillige Leistung handelt. Aber das sei ein Dilemma des Sozialstaats und der Pflegestruktur, kein parteipolitisches Thema, das von der kommunalen Ebene zu beeinflussen sei. Es sollten keine einzelnen Investitionen gegeneinander ausgespielt werden. "Sport, Kultur und Soziales sind wichtig, Wirtschaft und Tourismus eben auch." Klar sei nur: Der Landkreis müsse am Jahresende ein Haushaltssicherungskonzept für die nächsten vier Jahre aufstellen.