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Björn Herrmann ist tot Multitalent aus Meyenburg stirbt mit 49 Jahren

Björn Herrmann, umtriebiger Politiker und Kulturarbeiter aus Meyenburg, ist in der vergangenen Woche im Alter von 49 Jahren verstorben. Ein Nachruf.
11.04.2023, 17:48 Uhr
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Von Bernhard Komesker Lars Fischer

Landkreis Osterholz. Björn Herrmann, Kommunalpolitiker aus Meyenburg, ist am Gründonnerstag im Alter von 49 Jahren verstorben. Der Sozialdemokrat erlag nach schwerer Erkrankung einem multiplen Organversagen, nachdem er über Wochen intensivmedizinisch behandelt worden war. Herrmann bekleidete zahlreiche politische Ämter auf Gemeinde- und Landkreis-Ebene und darüber hinaus. Der studierte Historiker und Kulturwissenschaftler betrieb mit einem Bremer Geschäftspartner über viele Jahre ein Marketingbüro für die Bereiche Museen und Ausstellungen. Er publizierte mehrere Bücher, besaß ein Faible für Zeitgeschichte, ältere Autos und andere Fahrzeuge.

"Jeder Tod ist traurig, aber Björn wurde so plötzlich mitten aus dem Leben gerissen", stellte die SPD-Kreisvorsitzende Christina Jantz-Herrmann am Dienstag betroffen fest. "Wir verlieren einen herausragenden, stets engagierten Genossen." Der Verstorbene hinterlasse auch menschlich eine riesige Lücke, erklärte Schwanewedes Bürgermeisterin, deren Ehemann Lars nicht mit Björn Herrmann verwandt ist. Der Meyenburger habe stets auch fraktionsübergreifend Brücken zu bauen versucht, unterstrich die 44-Jährige. "Der schillernde Auftritt war nicht sein Ding; er wollte wirken, arbeiten, mitgestalten." 

SPD-Eintritt mit 16 Jahren

Entsprechend lang ist allein die Liste der politischen Aufgaben, die Herrmann neben seiner herausgehobenen Funktion als Fraktionschef der SPD in Kreistag und Gemeinderat sowie im Meyenburger Ortsrat wahrnahm, wo er bis zuletzt ebenfalls tätig blieb. Im Alter von 23 Jahren war er erstmalig in alle drei Gremien eingezogen – sieben Jahre nach seinem Eintritt in die SPD. Zeitweise führte der gebürtige Bremer auch den SPD-Distrikt seines Heimatdorfs sowie den Schwaneweder Ortsverein; er wirkte im Vorstand der Kreispartei mit und übernahm nach der Kommunalwahl 2006 den Vorsitz der SPD-Kreistagsfraktion.

Auf Gemeindeebene gehörte Herrmann den wichtigen Gremien Verwaltungsausschuss, Planungs- und Konversionsausschuss an. Er vertrat Schwanewede im Wasser- und Abwasserverband sowie im Kommunalverbund. Landkreisweit war er im Kreisausschuss tätig sowie in den Gremien für Finanzen, Umwelt und Kreisentwicklung. Er vertrat den Landkreis Osterholz im Verwaltungsrat der hiesigen Sparkasse, im EWE-Zweckverband und bei der Abfall-Service Osterholz sowie im Worpsweder Museumsverbund. Nachdrücklich und ausdauernd engagierte er sich zudem für die Bildungsstätte Bredbeck. Dort lernte er später auch seine Lebensgefährtin kennen, die nach der Annexion der Krim aus der Ukraine geflüchtet war. 

Den Kompromiss im Blick

Als Meilenstein in Herrmanns politischem Wirken auf Kreisebene kann der hart erkämpfte Beschluss zur sogenannten Sammelverordnung gelten. Auch wenn das Ergebnis, die Sicherung der FFH-Gebiete, im Rückblick unterschiedlich bewertet wird, das Zustandekommen war noch viel kontroverser. Herrmann aber gelang es, die Grünen ins Boot holen, ohne das Tischtuch dauerhaft mit der CDU zu zerschneiden, zu der es traditionell eine größere Nähe gibt – und bei alledem noch die eigene Fraktionsriege auf Kurs zu halten. Ein Kompromiss, an dem alle etwas auszusetzen hätten, sei ein guter Kompromiss, lautete später das lapidare Urteil des Politikers.

Herrmann genoss durchaus den öffentlichen Auftritt, und er beherrschte die Kunst der freien Rede; manchmal, so sagen Beobachter, ließ ihn das eitler wirken, als er eigentlich war. Christina Jantz-Herrmann bestätigt das: "Er hat seine vielen Aufgaben sehr unaufgeregt wahrgenommen." Er sei immer für die Sache eingetreten und habe Menschen miteinander verbunden. Der Vegesacker Journalist Ulf Buschmann erinnert sich: "Wir haben damals für die Tschernobyl-Hilfe gemeinsam einen VW Bus nach Minsk überführt." Im Sommer 1992 sei das ein Abenteuer gewesen, bei dem er Björn Herrmann als warmherzigen und intelligenten Menschen kennengelernt habe. Während er, Buschmann, über all die auszufüllenden Dokumente geschimpft habe, sei Herrmann die Ruhe selbst geblieben.

Kunst, Kultur, Konzepte

Der vielseitig interessierte Kulturmanager verband berufliches und privates Engagement gerne und oft. Kapital wolle er nicht daraus schlagen, sagte er, wenn man ihn darauf ansprach. In seiner Freizeit skizzierte Herrmann 2015 ein Konzept für die Neuausrichtung der Osterholzer Museumsanlage, das bis heute nicht überholt ist. Der Kulturwissenschaftler und Ausstellungsmacher hinterließ vielfältige Spuren in der Region und darüber hinaus.

Es waren oft die explizit politischen Fragestellungen, die in seine Tätigkeit als Kurator einflossen. Gemeinsam mit Katharina Groth war er 2014 etwa für die Jubiläumsausstellung „Mythos und Moderne – 125 Jahre Künstlerkolonie Worpswede“ in den Worpsweder Museen verantwortlich, bei der auch die zuvor häufig ausgeblendete Rolle des Orts in der NS-Zeit im Fokus stand und durchaus für Kontroversen sorgte. Schon zwei Jahre zuvor hatte eine Ausstellung für die Große Kunstschau erarbeitet, die die politischen Arbeiten Heinrich Vogelers präsentierte. Darüber hinaus kuratierte er Ausstellungen mit Werken von Bernhard Hoetger, Josephine Meckseper oder Käthe Kollwitz.

Fahrzeuge und Fotografien

2018 erschien sein Buch "West-Autos in der DDR" über importierte Fahrzeuge aus kapitalistischer Produktion, zwei Jahre später schrieb er über die Geschichte des Seenotrettungskreuzers Otto Schülke. Mehrfach beschäftigte sich Herrmann mit der Aufarbeitung der Geschichte der nationalsozialistischen Lager in Schwanewede wie etwa der Baracke Wilhelmine, was ebenfalls in Ausstellungen mündete. Im Jahr 2020 beteiligte sich Björn Herrmann zudem erstmals an der Organisation des Worpsweder Fotofestivals Raw. Für die aktuell stattfindende vierte Auflage übernahm er gemeinsam mit Jürgen Strasser die Festivalleitung, konnte aber krankheitsbedingt nicht mehr an der Eröffnung Mitte März teilnehmen.

Strasser sprach von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der es menschlich wie fachlich perfekt gepasst habe. "Man braucht für eine solche Veranstaltung jemanden, der Ideen hat und der auch anpacken kann", sagte er; beides habe Björn Herrmann mitgebracht. Bestürzt und tief betroffen sei er, auch weil man in den Monaten bis kurz vor dem Festivalstart intensiv zusammengearbeitet und darüber zu Freunden geworden sei. Das Festival werde dennoch wie geplant fortgesetzt. Als ein Vermächtnis will Jürgen Strasser die laufenden Ausstellungen nicht verstanden wissen, das sei ihm zu pathetisch und passe nicht zu Björn Herrmanns Pragmatismus. "Aber es sind die Früchte seiner Arbeit, die er nicht mehr zu Gesicht bekam." Sie bleiben sichtbar, auch über das Festival hinaus.

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