Scharmbeckstotel. Vielleicht war es genau die kleine Extramotivation, die die Fußballerinnen des ATSV Scharmbeckstotel noch benötigt hatten. Im Oberliga-Heimspiel gegen den hoch gehandelten FC Geestland stand es bereits 0:5, als die beiden Teams nach 45 Minuten den Weg in die Kabinen antraten. Und auf diesen Metern konnten die Gelb-Schwarzen dann mitanhören, wie die Gäste aus dem Landkreis Cuxhaven bereits darüber spekulierten, ob die Anzeigetafel am Scharmbeckstoteler Platz denn wohl überhaupt zweistellige Ergebnisse anzeigen könne. Weitere 45 Minuten später prangte dort ein 2:5 – und der Oberliga-Aufsteiger hatte nicht nur große Moral gezeigt, sondern auch eine richtig starke zweite Hälfte, die am Ende auch den Gästen Respekt abverlangte.
„Keine Frage, die zweite Halbzeit war richtig stark“, lobte auch ATSV-Coach Frank Reichhart, wohl wissend, dass er das von der ersten Hälfte ganz und gar nicht behaupten konnte. Wie bereits beim mit 2:3 verlorenen Saisonauftakt in Ahlerstedt verschliefen die Scharmbeckstotelerinnen die Anfangsphase. Gegen Geestland war dieser Tiefschlaf aber noch um einiges extremer. Es waren keine zwei Minuten gespielt, da traf Mareike Schröder zur Gästeführung. Diesem Treffer vorausgegangen war ein individueller Fehler von ATSV-Torfrau Frederike Fürst, laut Reichhart ein Patzer der Kategorie „wie wir es von ihr sonst überhaupt nicht kennen.“
Ex-Bundesligaspielerin nicht zu bremsen
Der Ball war gerade wieder im Spiel, da lag er auch schon ein zweites Mal im Tor des ATSV. Die frühere Bundesliga-Spielerin des SV Werder Bremen, Alicia Kersten, hatte zum 2:0 getroffen. Und als dann Abwehrchefin Johanna Reiß nach zehn Minuten an der Sechzehnerkante ganz unglücklich mit der Hand auf den Ball fiel und Schiedsrichterin Gisa Cording auf Strafstoß entschied, musste einem angst und bange um die ATSV-Kickerinnen werden. Alicia Kersten versenkte den Ball vom Punkt und ließ später sogar noch das 4:0 (33.) und 5:0 (39.) folgen. Keine Frage: Eine Spielerin wie die 24-Jährige hat man noch nicht oft auf dem Scharmbeckstoteler Platz spielen sehen.
Doch nach Wiederanpfiff ließ es Kersten im gleichen Maße ruhiger angehen, wie die ATSV-Damen an Leidenschaft zulegten. Gerade einmal zwei Minuten waren gespielt, als Sophia Reiß den Ball über die rechte Seite nach vorne trieb, auf die mitgelaufene Pia Willer durchsteckte und diese wiederum zu Torschützin Fabian Stelljes zurücklegte, die aus 16 Metern flach ins lange Eck einschob. Besonders Sophia Reiß drehte nun auf, scheiterte mit einem schönen Schlenzer und legte der einen Tick zu spät kommenden Stelljes klasse auf. Zwischendurch hatten die Gastgeberinnen allerdings auch Glück, dass Maja Mangels nur das Lattenkreuz traf (56.). Während sich die Geestlanderinnen mehr und mehr über ihren Auftritt in der zweiten Hälfte ärgerten, spürten die ATSV-Frauen plötzlich, wie sehr sie diesem Gegner eigentlich ebenbürtig waren. Ein neutraler Beobachter hätte jedenfalls kaum glauben können, das es zu diesem Zeitpunkt 1:5 stand.

Jubel nach dem 2:5: Jütte Apel (Nummer 23) hat getroffen, Sophia Reiß, (links) und Lina Hasselmann kommen zum Gratulieren.
„Kein Risiko eingehen Johanna, wir werden diese Partie nicht mehr gewinnen“, rief Frank Reichhart seiner Abwehrchefin dann nach einem bösen Foul in der 80. Minute zu, doch Johanna Reiß wollte unbedingt aufs Feld zurück. Zu viel Spaß machte diese zweite Halbzeit – und in der Nachspielzeit belohnten sich die Gelb-Schwarzen ein weiteres Mal für den couragierten Auftritt. ATSV-Mannschaftsführerin Nele Komatowsky schickte auf der rechten Seite Lina Hasselmann auf die Reise und die flankte perfekt in die Mitte, wo Jütte Apel per Direktabnahme in die rechte Ecke erfolgreich war.
„Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, von der ersten Minute an unser ganzes Potenzial abzurufen, dann werden wir auch ganz bestimmt bald die ersten Punkte holen“, brachte der andere ATSV-Trainer, Nils Menzel, das Geschehen auf den Punkt. Gut wäre es zudem, wenn es dazu nicht erst einer gewissen Extramotivation auf dem Gang in die Halbzeitpause bedürfen würde.