Osterholz-Scharmbeck. Martin Möller ist verärgert. Der 57-Jährige hat innerhalb weniger Tage gleich zwei Mahnungen vom Finanzamt erhalten, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass er die Grundsteuererklärung noch nicht gemacht hätte. "In einem Fall habe ich sogar den Grundsteuermessbescheid bereits erhalten und dagegen Widerspruch eingelegt", sagt er. Eingereicht habe er die Erklärungen bereits im vergangenen Juli.
Insgesamt habe er für sechs Objekte, die in verschiedenen Bundesländern und Landkreisen in Niedersachsen liegen, Erklärungen abgegeben. "Das hat überall problemlos funktioniert, nur im Landkreis Osterholz nicht." Zunächst sei er von einem Fehler seinerseits beim Ausfüllen der Erklärung mit dem Programm Elster ausgegangen. "In dem Moment, wenn ich die Bestätigung nach dem Versenden der Erklärung und später den Bescheid erhalte, ist bei Elster aber alles sauber durchgegangen", argumentiert Möller. Er sieht das Problem aufseiten des Finanzamtes.
Für Nachfragen sei das Finanzamt Osterholz nur schwer zu erreichen gewesen, sagt Möller. "Ich habe versucht, telefonisch durchzudringen, um das geradezuziehen, bin aber in der zuständigen Abteilung nicht durchgekommen." In der allgemeinen Telefonvermittlung der Behörde habe er jemanden erreicht und zu hören bekommen, dass "bestimmt wieder das Aktenzeichen durcheinandergebracht" worden sei. Vor diesem Hintergrund ist er sich sicher: "Da läuft systemisch etwas schief, sonst kann ich mir das nicht vorstellen." Möller vermutet, dass in der IT etwas "aus dem Ruder gelaufen" ist oder es einen Datenverlust gegeben hat.
Erinnerungsverfahren ist "konzentrierte Aktion"
Auf den Sachverhalt angesprochen, erklärt Christian Hasloop, Leiter der für die Grundsteuererklärungen zuständigen Abteilung beim Finanzamt Osterholz-Scharmbeck, dass im seit Mitte Mai laufenden Erinnerungsverfahren insgesamt 8500 Steuerpflichtige angeschrieben worden seien. Die Gründe dafür seien unterschiedlich: entweder fehlten noch komplette Erklärungen, oder es seien die falschen Erklärungen abgegeben worden, oder es wurde die Erklärung mit Informationen für den Zensus im vergangenen Jahr verwechselt. Das Verfahren sei eine "konzentrierte Aktion" unter Federführung des niedersächsischen Landesamts für Steuern.
Der Abteilungsleiter gibt zu, dass die Summe von 57.000 abzugebenden Steuererklärungen für das Finanzamt Osterholz-Scharmbeck eine große Aufgabe darstellt. "Wir haben nicht das Personal, jede Erklärung einzeln von vorne bis hinten zu prüfen." Die Behörde greife deshalb auch auf technische Hilfen zurück. "Das ist für uns ein neues Programm, das zwar erkennt, ob eine Erklärung abgegeben worden ist, aber nicht, ob es die richtige Erklärung war."

Christian Hasloop ist Leiter der für die Grundsteuer-Erklärungen zuständigen Abteilung beim Finanzamt Osterholz-Scharmbeck.
Grundsätzlich, so erklärt Hasloop, müsste für jede "wirtschaftliche Einheit" eine separate Erklärung eingereicht werden, da zwischen sogenannten land- und forstwirtschaftlichen Erklärungen sowie Erklärungen für Grundvermögen unterschieden werden muss. "Das System erkennt nicht, welche Erklärung für welches Aktenzeichen abgegeben werden muss."
So könne es sein, dass am Ende fehlerhafte Bescheide verschickt werden, wenn das Programm keinen konkreten Prüfhinweis liefert. "Die falschen Bescheide werden aber ohne Nachteile für den Steuerpflichtigen aufgehoben. Am Ende wird nur die richtige Erklärung verarbeitet", versichert Hasloop. "Leider sind wir momentan nicht in der Lage, Widersprüche oder Einsprüche zu bearbeiten."
"Wollen größtmögliche Erreichbarkeit herstellen"
Trotz der Masse an zu bearbeitenden Steuererklärungen und des knappen Personals verspricht Hasloop: "Wir wollen alle Sorgen und Nöte auflösen und versuchen, größtmögliche Erreichbarkeit herzustellen." Trotzdem sei es schwierig und oft mit Wartezeiten verbunden. Hasloop rät, auf andere Wege – schriftlich, per Telefon oder mit einer Notiz bei Elster – das Finanzamt zu kontaktieren.
Für Jan Vermöhlen, Haushaltsreferent beim Bund der Steuerzahler Bremen/Niedersachsen, kann die Erinnerung trotz bereits erhaltenen Bescheids zwei Gründe haben: Zum einen könne es ein, dass Flurstücke beim Ausfüllen vergessen worden sind und deshalb nun die Erinnerung im Briefkasten lag. Zum anderen würden solche Schreiben automatisch versendet. Da es vom Gesetzgeber so gewollt gewesen sei, dass binnen kurzer Zeit eine große Menge Erklärungen eingehe und diese zunächst automatisch verarbeitet würde, könne es sein, dass da auch mal was schief geht, so Vermöhlen.
"So einen Fall kann man nach Rücksprache mit dem Finanzamt meist aufklären – auch ohne Strafzahlung für den Steuerzahler." In vielen Fällen reiche eine kurze E-Mail mit dem Aktenzeichen als Hinweis an die Behörde. "Die Finanzämter sind in der Regel froh, wenn sie einen Hinweis bekommen, sollte etwas schief gegangen sein", meint Vermöhlen.
Martin Möllers Fall ist wahrscheinlich kein Einzelfall. Das legt zumindest ein Statement von Thorsten Balster, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, nahe. Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung sagte er, dass bei der Digitalisierung zwischen Anspruch und Realität "eine Riesenlücke" klaffe und viele Computerprogramme nicht ausgereift seien. Das führe dazu, dass Menschen angeschrieben wurden, die ihre Unterlagen längst abgegeben hätten.