Osterholz-Scharmbeck. Es tue ihr „wahnsinnig leid und es sei nicht ihre Absicht“ gewesen, beteuerte eine heute 55-jährige angeklagte Kreisstädterin gegenüber dem Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck. Mitte Mai vergangenen Jahres hatten laut Zeugenaussagen ihre beiden Australian Shepherds ein Schmalreh attackiert. Der Vorfall soll sich im Bereich von Melchers Hütte zugetragen haben, der zum Naturschutzgebiet „Hammeniederung“ gehört. Zeugen hatten beobachtete, dass das ein Jahr alte weibliche Reh durch die Hatz in einem Graben landete.
„Das war ein knietiefer Graben. Das Reh stand unter Schock. Ich habe es aus dem Wasser befreit“, sagte der zu dem Vorfall hinzugezogene 33-jährige Jagdpächter im Gericht aus. Das Reh habe sich noch einmal berappelt. „Aber dann sackte es wieder zusammen. Im Kopf-, Rücken- und Nackenbereich waren Bissspuren.“ Die Spuren seien frisch gewesen. Man habe sie von Weitem nicht sehen können. „Ich habe es dann erlösen müssen“, so der Jäger.
Die Hundehalterin hatte sich daher nun wegen Jagdwilderei in einem besonders schweren Fall vor dem Amtsgericht zu verantworten. Denn die damals fahrradfahrende Angeklagte hatte in dem ausgewiesenen Naturschutzgebiet während der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit (1. April bis 15. Juli) die Hunde frei hinter sich herlaufen lassen. Sie sei „völlig in Gedanken“ gewesen und habe deshalb vergessen, dass Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit gewesen sei, sagte sie.
Dazu bemerkte Strafrichterin Johanna Kopischke, dass sie der Akte entnehme, dass der Jagdpächter die Angeklagte in der Vergangenheit bereits mehrfach darauf hingewiesen habe, ihre Hunde anzuleinen. „Das war aber außerhalb der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit“, entgegnete die Angeklagte. Sie schaue sich außerdem immer um, was die Hunde machten. „Die sind zu 99,9 Prozent auf dem Weg oder am Graben.“ Wie das Reh in den Graben gekommen sei, wisse sie nicht, fügte sie an. Für sie habe das Reh aber komplett unverletzt gewirkt.
Zeugen belasten Hundehalterin
Ein 56-jähriger Radfahrer und seine Frau hatten den Angriff der beiden Hunde auf das junge Reh beobachtet. „Ich bin um eine scharfe Kurve gefahren. Da habe ich ein Wimmern gehört und gesehen, wie die Hunde das Reh gebissen haben. Ich habe ´pfui, aus` gerufen“, sagte der 56-Jährige vor Gericht aus. Das Reh sei daraufhin auf und davon, gegen einen Bretterzaun gerannt und in den Graben gestürzt. Er habe die herzugeeilte Hundeeigentümerin aufgefordert, die Hunde anzuleinen. Das habe etwa drei Minuten gedauert.
Weiter berichtete der 56-Jährige, dass es in der Situation zu einem Wortgefecht gekommen sei. „Ich habe gesehen, wie die Hunde zugebissen haben“, versicherte der 56-Jährige auf die Rückfrage von Verteidigerin Daniela Zydel. „Wir haben uns gegenseitig beschimpft. Die Frau ist dann weggefahren, ohne Polizei oder einen Tierarzt zu rufen“, ergänzte die 54-jährige Ehefrau die Aussagen ihres Mannes.
Freispruch abgelehnt
Die Staatsanwältin sah daher den Tatvorwurf der Jagdwilderei in einem besonders schweren Fall bestätigt. Die Zeugen seien glaubhaft gewesen. Und sie betonte: „Das ist ein Naturschutzgebiet; da besteht Leinenzwang.“ Sie beantragte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 60 Euro, 5400 Euro. Zugute hielt sie der Angeklagten jedoch, dass sie geständig sei und Reue zeige. Auch enthielt ihr Bundeszentralregister keine Eintragungen.
Strafrichterin Kopischke schloss sich dem Antrag der Staatsanwältin an. Sie habe keine Zweifel, dass bei den Hunden „ein aktives Angehen von Schnappen und Beißen“ vorgelegen habe. Das habe der 56-jährige Zeuge plastisch geschildert. Der Antrag der Verteidigerin Zydel auf Freispruch wurde abgelehnt.