Landkreis Osterholz. 62 Prozent der Deutschen sind inzwischen gegen Covid-19 geimpft und der Inzidenzwert pendelt sich gerade bundesweit um die 80 ein. Die Vorgaben der aktuellen Corona-Verordnung lassen daher vieles wieder zu. Aber ins Wahllokal durften trotzdem nur vier Personen gleichzeitig, macht sich ein Ritterhuder gegenüber der Redaktion Luft. Geschlagene 50 Minuten habe er warten müssen, bis er seine Stimmzettel in die Wahlurnen werfen konnte. Er ist überzeugt, dass einige Wähler nicht so lange ausgeharrt hätten wie er und unverrichteter Dinge nach Hause gefahren sind. Auch wolle er sich das bei der Bundestagswahl nicht noch einmal antun. "Das war eine Katastrophe." Er plane nun, Briefwahl zu beantragen.
Er war nicht der Einzige, der am 12. September vor einem Wahllokal in der Schlange stand. In anderen Kommunen machten Wähler ebenfalls entsprechende Erfahrungen (wir berichteten). "Es ist ja auch die erste Wahl, die wir unter Corona-Bedingungen ausrichten", gibt Gudrun Wulfhorst, Leiterin des Bürgerbüros in der Kreisstadt, zu bedenken. Dass es da zu Schlangen vor den Wahllokalen kommen könnte, sei allgemein erwartet worden, sagt auch Genia Flock, stellvertretende Gemeindewahlleiterin in Ritterhude: "Die Landeswahlleitung hatte das im Vorfeld thematisiert."
20 Minuten Verspätung in Heilshorn
"Die Problematik beschäftigt uns auch in der Samtgemeinde Hambergen", bestätigt der zuständige Wahlleiter Marco Ehrichs. Aus Axstedt sei ihm vom Wahlvorstand berichtet worden, dass um 18 Uhr noch eine Reihe von Wählern vor dem Wahllokal gewartet hatte. "Die durften noch wählen; aber dadurch konnten die Wahlhelfer erst später mit der Auszählung beginnen." In Osterholz-Scharmbeck wurde Gudrun Wulfhorst ähnliches aus Heilshorn gemeldet. Dort habe der letzte Wähler erst um 18.20 Uhr seine Stimmzettel in die Urnen geworfen.
In Ritterhude hatte sich die Verwaltung bereits am Wahltag selbst - nachdem sie entsprechende Anrufe mit Hinweisen auf die Situation erhalten hatte - dazu entschieden, eine weitere Wahlkabine aufzustellen. Zumindest dort, wo es nach Corona-Vorgaben platztechnisch möglich war. "Bei der Bundestagswahl werden wir das deshalb direkt machen", berichtet Genia Flock. Nur beim Wahllokal "Lehmbarg" könne es schwierig werden, räumt sie ein, ist aber überzeugt, dass sie am 26. September letztlich doch in allen Wahllokalen drei statt zwei Kabinen für die Wähler haben werden. Dadurch dürften dann sechs Wähler gleichzeitig ins Wahllokal. Die Schlangen davor dürften folglich kürzer ausfallen oder gar nicht erst entstehen.
Zeitverlust durch große Stimmzettel
In Hambergen würden sie sich in den kommenden Tagen auf die Frage konzentrieren, ob sie das betroffene Wahllokal in der Axstedter Schule anders aufteilen könnten. Ein zusätzliches Wahllokal würden sie aber nicht in Betracht ziehen. Die Bundestagswahl sei schließlich deutlich unkomplizierter. "Bei den Kommunalwahlen war der große Stimmzettel das Problem", sagt Ehrichs. Mit dem Zettel zu hantieren, ihn zusammenzufalten, habe Zeit gekostet. Das sei am 26. September anders.
Die Kreisstadt kommt zum selben Schluss. Außerdem habe es im Wahlamt nur einen Beschwerdeanruf gegeben, so Wulfhorst. Daher seien anfängliche Überlegungen, bis zu den Bundestagswahlen tatsächlich ein weiteres Wahllokal aus dem Boden zu stampfen, wieder verworfen worden. Dafür hätte die Stadt acht zusätzliche Wahlhelfer benötigt. Wulfhorst bezweifelt, dass sie die in der verbliebenen Zeit gefunden hätten. Es sei schon schwierig gewesen, überhaupt genügend Helfer für die beiden Wahlsonntage zu finden. Wegen der zusätzlichen Briefwahlbezirke hätten sie von vornherein deutlich mehr Helfer gesucht.
Drei Wahlen in Ritterhude
In Ritterhude stellt sich die Situation dagegen etwas anders dar. Dort geht es nicht allein um die Bundestagswahl. In Ritterhude entscheiden die Wähler - ab 16 Jahren - mit einer Stichwahl zusätzlich darüber, wer der künftige Bürgermeister von Ritterhude sein wird. Und die Senioren ab 60 Jahre sind dazu aufgerufen, am selben Tag einen neuen Seniorenbeirat zu wählen. "Wir haben wieder den ganzen Blumenstrauß", so Genia Flock. Sie könne daher - trotz der zusätzlichen Wahlkabine - nicht ausschließen, dass es wieder zu Verzögerungen kommen wird und sich Schlangen vor den Lokalen bilden werden.
Wer auf Nummer sicher und stattdessen lieber per Briefwahl seine Stimme abgeben will, kann sich noch bis Freitag, 24. September, im Rathaus seiner Gemeinde die Unterlagen für die Briefwahl abholen beziehungsweise direkt vor Ort Briefwahl machen.