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Nomen est Omen? - Hans Killer aus Erichshof hat mit Auftragsmorden nichts am Hut / Name stammt aus Bayern Auf den Spuren der Killer-Ahnen

Weyhe-Erichshof. Um einen Killer zu engagieren, treibt man sich am besten in den dunklen Gassen des Rotlichtviertels herum. Um einen Killer zu treffen, reicht es hingegen vollkommen aus, nach Erichshof zu fahren. Dort wohnt Hans Killer. Seit vielen Jahrzehnten, von den Gesetzeshütern unbehelligt. Uns ist es gelungen, den Mann aufzustöbern und zur Rede zu stellen. Doch siehe da: Mit Auftragsmördern hat der 63-Jährige so rein gar nichts am Hut. Er guckt nicht mal gerne Krimis.
04.05.2011, 05:00 Uhr
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Von Hauke Gruhn

Weyhe-Erichshof. Um einen Killer zu engagieren, treibt man sich am besten in den dunklen Gassen des Rotlichtviertels herum. Um einen Killer zu treffen, reicht es hingegen vollkommen aus, nach Erichshof zu fahren. Dort wohnt Hans Killer. Seit vielen Jahrzehnten, von den Gesetzeshütern unbehelligt. Uns ist es gelungen, den Mann aufzustöbern und zur Rede zu stellen. Doch siehe da: Mit Auftragsmördern hat der 63-Jährige so rein gar nichts am Hut. Er guckt nicht mal gerne Krimis.

Bald ist Hans Killer im Ruhestand. Langeweile zeichnet sich für den Vermessungsingenieur aber nicht ab. Im Gegenteil: Er hat einiges aufzuarbeiten. Sein vor zwei Jahren verstorbener Vater, der wie er Hans Killer hieß, hinterließ einen riesigen Fundus an Ahnenforschung: 37 Aktenordner, vier Bände Familienchronik, ein Regal Fachliteratur, dazu unzählige Daten auf dem alten Computer, der noch auf DOS-Befehle reagiert. "Ich habe meinem Vater versprochen, mit der Ahnenforschung weiterzumachen", erzählt Hans Killer junior. "Auch wenn er eigentlich schon so gut wie alles herausbekommen hat, was möglich ist."

Lange lebten die Killers in Deutschland, ohne auf ihren Familiennamen angesprochen zu werden. Das änderte sich erst Ende des Zweiten Weltkrieges. Hans Killer senior schrieb seine eigenen einschneidende Erfahrungen als Soldat für die Nachwelt nieder. "Als ich wenige Tage nach Kriegsschluss auf meinem Marsch von der ungarischen Grenze nach Hause war, wurde ich auf der Straße kurz vor Fulda von einer amerikanischen Streife aufgegriffen und in ein Kriegsgefangenenlager in Ochsenfurt gebracht. Bei der Einlieferung wurde ich von einem amerikanischen Vernehmungsoffizier nach meinem Namen gefragt und ich antwortete natürlich Killer", schreibt er. "Der Offizier sah mich erst einmal wütend an, weil er dachte, ich wollte ihn auf den Arm nehmen, als ich ihm aber meine Papiere zeigte, hat er sich über meinen Namen lustig gemacht und sagte mir, dass ich in drei Tagen hier wieder heraus wäre."

Doch nicht alle Killers hatten solch ein Glück. Ludwig Killer, Großonkel von Hans Killer junior, wurde nach dem Krieg bei einer Kontrolle von Engländern angehalten - und, als er seinen Namen sagte, gleich mitgenommen und weggesperrt. Erst der Dolmetscher konnte Aufklärung bringen und ihn befreien, wie aus den Erinnerungen von Hans Killer senior hervorgeht.

Sein Sohn wird im Ruhestand einige Zeit aufbringen müssen, um die gesamte "Killer-Kunde" (so steht wörtlich auf vielen Ordnern des Vaters geschrieben) zu studieren. Er selbst hatte nie große Probleme mit seinem Namen. "Erst als wir in der Schule Englisch lernten, kam das langsam auf", erinnert er sich. Da lernten sie, dass"to kill" so viel wie töten bedeutet, und durch amerikanische Filme schwappte das Bild des kaltblütigen Killers nach Deutschland. "Alle Facetten" habe er mit dem Namen durchlebt, erzählt Hans Killer. Vom leichten Frotzeln bis zum schlechten Scherz, dem "Auftrag" am Telefon. "Die Scherzanrufe haben sich aber abgenutzt, das ist schon weniger."

Wer dennoch in zweifelhafter Absicht bei Hans Killer und seiner Frau Ursula anruft, kann sich gerne ausführlich die Namensherkunft erklären lassen. Der Name stammt nämlich aus Oberbayern. Das fand Hans Killer senior schnell heraus. Demnach gibt es drei große Killer-Familien. Die bayerische, die Schweizer und die sudetendeutsche. Doch die drei Familien verbindet nur der Name.

Die Vorfahren der Erichshofer Killer stammen ursprünglich vom bayerischen Alpenrand. Johann Killer, Jahrgang 1890, war der Großvater von Hans Killer junior. Er war gelernter Sattler und begab sich vermutlich aus wirtschaftlicher Not heraus auf die Walz. "Dabei blieb er in Bremen hängen", erzählt Hans Killer. "Dort hatte er meine Oma kennengelernt." 1919 kam sein Vater Hans zur Welt.

Bei seinen Recherchen stieß Hans Killer senior schließlich auf einen gewissen Andreas Khidler oder Khindler. Er gilt als der älteste nachgewiesene Vorfahre - er wurde um 1620 geboren und war Söldner, seine Frau hieß Barbara. Viel mehr ist nicht bekannt. Der Name erfuhr über die Jahrhunderte einige Abwandlungen. Der Tagwerker Abrahanus Killer, geboren 1685, trug bereits den Namen in heutiger Schreibweise. Hans Killer senior begegneten aber auch die Familiennamen Khündler, Kündler, Khiller, Kindler, Kidler.

Aber was bedeutet der Name nun eigentlich? In den Aufzeichnungen von Hans Killer senior heißt es: "Unser alter deutsche Name hat mit der englischen Sprache überhaupt nichts gemein", schreibt er. Eine Theorie besagt, der Namen stamme ab vom Patron Kilian. Hans Killer senior glaubte das nicht. Der Name habe sich vielmehr aus Kindler (Familienfreund) und kindeln (Kinder erzeugen) entwickelt. Killer wären demnach Menschen, die neues Leben schaffen.

Eben das haben auch Hans Killer junior und seine Frau Ursula (die einst nicht zögerte, einen "Killer" zu heiraten) getan. Ihr Sohn Tobias ist bezogen auf den ältesten bekannten Vorfahr im Mannesstamm der Stammhalter in der zwölften Generation. Tobias, zurzeit Lehramtsreferendar, habe mit seinem Namen ebenfalls nie Probleme gehabt, erzählen die Eltern. Im Gegenteil: Tobias Killer ist in der Region als erfolgreicher Tennisspieler bekannt. Hans Killer zeigt auf eine Mappe mit Zeitungsartikeln. Klar, dass da die Floskel vom "Killer-Instinkt" auf dem Tennisplatz nicht fehlt.

Im Ausland gab es andere Erfahrungen. "Ein Verwandter von uns hat aus beruflichen Gründen lange in Amerika gelebt und hatte dort mit dem Namen Killer Schwierigkeiten." Hans Killer hätte das wohl souverän weggelächelt, doch der Verwandte ließ seinen Namen wieder ändern: in Khidler, den ursprünglichen Familiennamen.

Davon unbeeindruckt hat Familie Killer aus Erichshof das Familienwappen weiterhin in ihrem Flur hängen. Hans Killer senior, der seine Forschung in Teilen auch lyrisch verpackte, hat es entworfen. Das Wappen zeigt einen Anker, der für die 1430 erbaute Kirche im bayerischen Deining steht, die Schrägvierung im Schild steht für Apostel Andreas, den Namensgeber des ältesten Vorfahren, der am Kreuz gemartert wurde. Durch einen nach rechts verschobenen Pfahl ergibt sich das K wie Killer. Und die Farbgebung (Blau und Weiß) deutet auf das Herkunftsland Oberbayern hin.

Eine Schusswaffe mit Schalldämpfer sucht man im Wappen übrigens vergebens. Killer ist eben nicht gleich Killer.

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