Stuhr/Bruchhausen-Vilsen. Idyllisch umhüllt vom Nebel liegt an diesem Vormittag das rote Klinkergebäude auf dem abgelegenen Fleckchen Erde beim Flecken Bruchhausen-Vilsen. Manch einer würde sagen: mitten im Nirgendwo. Obwohl: Streng genommen ist das hier gar kein Teil des Luftkurortes, sondern eine Exklave der Gemeinde Stuhr. Die betreibt seit 1981 in gut 40 Kilometern Entfernung das Jugendlandheim Wöpse – oder „unsere Außenstelle“, wie Gemeindejugendpfleger Hans Schüler die Einrichtung mit 36 Betten in Viererzimmern liebevoll nennt.
„Es sollte ein Stück weit weg sein, um sich nicht so leicht wieder abholen zu lassen. Andererseits sollte es nicht so weit draußen sein, damit man relativ schnell hin kommt“, erklärt er den Abwägungsprozess bei der Standortwahl. Die fiel schließlich auf die ehemalige Dorfschule Wöpse.
Seither wurden dort unzählige Kindergartengruppen und Schulklassen, aber auch Familienfreizeiten sowie Vereine empfangen. „Auch Studienfreunde treffen sich regelmäßig bei uns. Wir hatten schon mal das 20-jährige Bestehen einer Runde“, weiß Kathrin Unger-Stroteich zu berichten. Sie bildet mit Ingrid Beermann und Renate Wiechmann das feste Team des ganzjährig geöffneten Jugendlandheims. Das Trio wohnt ganz in der Nähe, ist aber bei der Gemeinde Stuhr angestellt. Seit acht Jahren werden in Wöpse auch Kinder und Jugendliche aus Tschernobyl in der Ukraine begrüßt, nach der Nuklearkatastrophe 1986 noch immer gebeutelt. Sie sollen sich von den Problemen in der Heimat erholen.
Mal das Handy vergessen
„Ich war selbst schon über 40 Mal hier, und jedes Mal war es ein tolles Erlebnis“, schwärmt Hans Schüler. Die bewährten Dinge, wie etwa die Entscheidung zwischen Selbst- oder Vollverpflegung sowie einer Mischung, sind über die Jahre beibehalten worden. Es sind die Kleinigkeiten, die sich veränderten. „Es gibt Beamer, W-Lan, das brauchte man früher nicht“, erzählt Schüler. Er stellt allerdings positiv fest, dass die Kinder und Jugendlichen mitunter tatsächlich ihr Handy vergessen, wenn vielleicht auch nur für den Moment. „Es gibt einfach so viele Sachen zu tun“, sagt er weiter. Besonders gern erinnere er sich an die Erlebnis- und Waldpädagogik im Naturschutzgebiet Sellingsloh, das gleich hinter dem Gelände beginnt. „Wir haben uns früher sogar ein Waldsofa errichtet“, blickt er zurück.
Die vielleicht größte Entwicklung stellen die Mitarbeiterinnen beim Essen fest. „Morgens gibt es jetzt Büfett“, sagt Ingrid Beermann. Und es wird mehr auf fleischlose Alternativen geachtet. „Es gibt viel Gemüse und Obst, immer nett angerichtet“, lobt Schüler. „Und es gibt keine Fertiggerichte aus Dosen mehr. Die waren wirklich nicht gut.“ Welche Speise kommen denn erfahrungsgemäß am besten an? Ingrid Beermann und Kathrin Unger-Stroteich fast unisono: „Kasslerauflauf.“
Das Hagebuttentee-Trauma
Mit dem Klassenfahrt-Klischee Hagebuttentee hat Wöpse übrigens nichts mehr gemein. „Davon hatten einige Kinder ein Trauma“, sagt Kathrin Unger-Stroteich lachend. Stattdessen gebe es Wasser, Säfte, auch mal „Süßkram“. Es kam aber schon vor, dass die jungen Besucher trotzdem nach Bruchhausen-Vilsen müssen, um sich beispielsweise mit Eistee einzudecken – der dann nicht einmal ausgetrunken wurde, wie die Mitarbeiterin beanstandet. „Und dann nehmen sie sich zurück auch noch ein Taxi.“ Aber so sei die heutige Generation eben.
Wie seine Bewohner, wandelt sich auch das Jugendlandheim. „Der Tischtennisraum wurde raus aus dem Hauptgebäude verlegt“, nennt Hans Schüler ein Beispiel. Was bleibt, ist die Ruhe – bis die nächste Gruppe in der Stuhrer Exklave ankommt.
Ansprechpartnerin für Fragen zum Jugendlandheim
Wöpse
, Bornbusch 4 in Bruchhausen-Vilsen, ist bei der Gemeinde Stuhr Nicole
Bieling
,
zu erreichen unter 04 21 / 5 69 52 40 oder per E-Mail an n.bieling@stuhr.de. Weitere Infos gibt es online auf www.stuhr.de im Bereich "Bildung & Familie" unter "Jugend".