Stuhr. Eigentlich hatte Wilco Freund andere Pläne, als er vor Kurzem das Rathaus der Gemeinde Stuhr aufsuchte. „Ich war bei der Gemeinde, weil ich mich für das Amt des Schöffen interessierte“, erzählt der Varreler. Wie er aber dann erfahren musste, werden neue Schöffen erst wieder zum Jahr 2018 gesucht. Ein Verwaltungsmitarbeiter machte Freund dann darauf aufmerksam, dass die Gemeinde aber zurzeit einen neuen Schiedsmann suche. „Dann habe ich überlegt, ob ich es mache“, sagt Freund. Kurz danach bewarb er sich auf die Stelle. Und während seiner Sitzung im Juni sprach sich der Stuhrer Gemeinderat für den doch recht zufälligen Bewerber aus.
Von den insgesamt vier Bewerbungen konnte Freund am meisten überzeugen, sagte der zuständige Fachbereichsleiter Hartmut Martens in der Sitzung. Ab 1. September soll Wilco Freund dann den Schiedsamtsbezirk für die Ortsteile Stuhr, Moordeich, Varrel und Groß Mackenstedt übernehmen. Bisher war dort Irene Bruns für die Schlichtung kleinerer Streitigkeiten zuständig. Für den zweiten Schiedsbezirk Brinkum, Seckenhausen, Heiligenrode und Fahrenhorst wurde Robert-Jan Stüssel, der das Amt seit 2012 bekleidet, bestätigt. Für Wilco Freund ist das Amt des Schiedsmanns nach eigenen Angaben „eine wichtige Tätigkeit“.
Freund möchte in seinem neuen Amt vor allem auf seine berufliche Ausbildung und Erfahrung zurückgreifen. Bis zu einem Arbeitsunfall im Jahr 2007 war der 50-Jährige als Hundeführer und Ausbilder bei der Polizei in Delmenhorst tätig. Während seines Studiums bei der Polizei habe er viel über Psychologie und Konfliktbewältigung aufgenommen, sagt Freund über seinen alten Beruf.
Den Spiegel vorhalten
Dabei habe er vor allem eines gelernt: „Das Wichtigste ist, die Position des Gegenübers einzunehmen“, sagt Freund aus seiner Erfahrung. „Wie würde ich auf mich reagieren?“, sei eine der wichtigsten Fragen, die seiner Ansicht nach auch in möglichen Schiedsverfahren von zentraler Bedeutung seien. So möchte Freund den Konfliktparteien „den Spiegel vorhalten“.
Schiedspersonen kommen laut Angaben der Gemeinde vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, wie Lärmbelästigung oder Überwuchs von Ästen, oder kleineren Strafsachen, wie Beleidigungen oder Hausfriedensbruch zum Einsatz. Dann versuchen die Schiedspersonen, eine Einigung zwischen den Parteien herzustellen. Für Wilco Freund ist aber nicht erst der Ast, der über den Zaun hängt, der Stein des Anstoßes. „Da ist oft schon vorher was gelaufen“, sagt er.
Auch die Erfahrung aus einem anderen Hobby möchte Freund in seine anstehenden Tätigkeit mit einbringen. Als Fußballtrainer ist der 50-Jährige über die Grenzen des Landkreises Diepholz bekannt. So trainierte er unter anderem Mannschaften in Heiligenrode, Syke und Melchiorshausen. „Ich habe fast den ganzen Landkreis durch“, sagt er mit einem Schmunzeln. Zurzeit steht Freund, der auch als Stützpunkttrainer für den Deutschen Fußballbund (DFB) tätig ist, als Trainer beim TSV Etelsen im Landkreis Verden an der Seitenlinie. „Da kommen auch Konflikte auf, die man lösen muss“, erzählt er.
Um sich in die neue Aufgabe hineinzuversetzen, hofft Wilco Freund auf die Unterstützung seiner Schieds-Kollegen. Daher will er auch das Gespräch mit ihnen suchen. Seiner Ansicht nach lässt sich die Aufgabe auch nur im Team ausüben. „Schwierig wird es, wenn man persönlich betroffen ist“, findet Freund und spielt damit auf mögliche Fälle an, in denen er die Beteiligten persönlich kennt. „Die Objektivität sollte immer gewahrt sein“, sagt er. Selbst habe er noch keinerlei Probleme mit Nachbarn oder dergleichen gehabt, berichtet Freund. Zwar werde in der Nachbarschaft auch mal bis 6 Uhr gefeiert, aber „so lange man nicht zu stark beeinträchtigt wird“, sei es ok, findet Wilco Freund. Er möchte die „Eskalation erst gar nicht soweit kommen lassen“, wie Freund es beschreibt. Der ausgewählte Schiedsmann blickt nun erwartungsvoll in die Zukunft und auf die Fälle, die ihn erreichen mögen. „Beim ersten Mal ist es immer spannend“, so Freund.
Die offizielle Bestätigung von Wilco Freund als Schiedsmann kommt dann vom Amtsgericht in Syke. Wann genau diese erfolgt, konnte das Amtsgericht auf Nachfrage des WESER-KURIER nicht mitteilen.