Tarmstedt. Die Sozialstation Tarmstedt ist zahlungsunfähig, sie befindet sich seit 4. März im Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Das teilt die Geschäftsführerin Anja Ahlers mit, und sie fügt gleich hinzu: "Der Betrieb läuft weiter, für die Patienten bedeutet die Einleitung des Verfahrens keine Veränderung. Soweit sich organisatorische Anpassungen ergeben, werden alle Betroffenen rechtzeitig persönlich informiert. Das Wohlergehen der Patienten und die Sicherung ihrer Versorgung haben für die Diakonie oberste Priorität." 230 Patienten in der Samtgemeinde Tarmstedt und in der Gemeinde Grasberg werden ambulant versorgt, 46 Menschen kommen regelmäßig in die Tagespflege nach Tarmstedt.
Anja Ahlers spricht von einer "seit Jahren anhaltenden Krise in der Pflege", die nun auch die Samtgemeinde Tarmstedt erreicht habe. Die gestiegenen Kosten seien einfach nicht refinanzierbar. „Durch die zweistelligen Lohn-Erhöhungen der Tarifverträge in der Pflege, die nicht ausreichend durch die Zahlungen der Pflegekassen gedeckt werden, steigen die laufenden Kosten immens", so Ahlers. Zudem erforderten die neuen Verträge zum Beispiel hohe Inflationsausgleichs-Zahlungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für den Betrieb aus dem laufenden Haushalt nicht zu erwirtschaften seien.
Dabei hält Ahlers die Lohnerhöhungen und auch die Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro für jede Vollzeitmitarbeiterin für "absolut gerechtfertigt", wie sie sagt, "das Geld haben unsere Leute wirklich verdient". Das Problem sei nur, dass die Krankenkassen diese Ausgaben nicht erstatten. "Allein die Inflationsausgleichsprämie, die im März fällig wird, kostet uns 40.000 Euro, die wir einfach nicht haben", so die Geschäftsführerin. Die Diakoniestation sei eine gemeinnützige GmbH, die keine Gewinne machen dürfe und folglich auch keine großen Rücklagen habe.
Finanzierungslücke offensichtlich
Schon Ende des vorigen Jahres habe sie gesehen, dass sich da was zusammenbraue: "Bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für 2024 haben wir gesehen, dass es nicht passt", so Ahlers. Die Tariferhöhungen verursachten Mehrausgaben von 12 bis 13 Prozent. "Demgegenüber ist ein Einnahmeplus von elf Prozent, das unser Verband im Juni aber erst einmal mit den Kassen aushandeln muss, im Gespräch", sagt sie. Die Finanzierungslücke sei auch für Nichtmathematiker offensichtlich.
In dem laufenden Sanierungsverfahren gehe es nun darum, das Unternehmen in der Krise neu aufzustellen. "Wir schauen uns unsere Geschäftsfelder Hauswirtschaft, Beratung, Tagespflege und Ambulanz ganz genau an", erklärt Ahlers. Begleitet werde die Diakonie-Sozialstation dabei von zwei erfahrenen Sanierern: Rechtsanwalt Professor Volker Römermann als Berater der Geschäftsführung und Rechtsanwalt Friedrich Kraft von Kaltenborn-Stachau als (vorläufiger) Sachwalter. Im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens werde der Geschäftsbetrieb vollumfänglich fortgeführt. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter werden in den ersten drei Monaten des Verfahrens durch das Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit abgedeckt, also von März bis Mai. Danach sollte die Restrukturierung so weit greifen, dass eine Zahlung wieder aus laufenden Einnahmen gedeckt werde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass einige der derzeit 58 Beschäftigten ihren Job verlieren, so Ahlers auf Nachfrage. Ob Stellen wackeln und wenn ja, wie viele, sei im Moment nicht klar. Die dramatische Lage der Sozialstation, an der sie sehr hänge, habe ihr jedenfalls "etliche schlaflose Nächte" beschert.
Unterdessen hält die Diakonie-Sozialstation Tarmstedt an ihrem geplanten Umzug nach Breddorf fest. Wie berichtet, will die Diakoniestation dort nicht nur einen zweiten Standort für die in Tarmstedt gut laufende Tagespflege aufbauen, sondern komplett mit Verwaltung und Ambulanz samt aller Fahrzeuge nach Breddorf umziehen. Die Eröffnung soll zum 1. September 2024 erfolgen. Der Umzug nach Breddorf sei erforderlich, so Ahlers, weil der Diakonie-Sozialstation in Tarmstedt, die seit 2013 an der Bremer Landstraße im Jan-Reiners-Seniorenzentrum sitzt, der Mietvertrag gekündigt wurde und sie in Tarmstedt nichts Passendes gefunden habe.