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Informationsveranstaltung Solarpark in Kirchtimke stößt auf Skepsis bei Anwohnern

In Kirchtimke plant das Unternehmen WiNRG einen Solarpark, doch die Anwohner sind skeptisch. Was befürchten sie?
29.04.2025, 05:00 Uhr
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Von Johannes Heeg

Eine großflächige Solarstromanlage will der Hamburger Projektierer WiNRG am Ortsrand von Kirchtimke errichten. Das Unternehmen stellte seine Pläne jetzt in einer öffentlichen Infoveranstaltung im Dorfgemeinschaftshaus vor. Offene Türen rannten die Solarleute dort nicht ein, die Grundstimmung unter den etwa 50 Bürgerinnen und Bürgern war eher skeptisch bis ablehnend. Die Entscheidung über Bau oder Nichtbau des Stromkraftwerks wird der Gemeinderat voraussichtlich im September fällen.

Was ist geplant?

Auf einer Baufläche von 50 Hektar, die sich vom südwestlichen bis zum südöstlichen Rand unterhalb des Dorfs zieht, sollen Fotovoltaikmodule installiert werden, die im Jahr 80.000 Megawattstunden Strom erzeugen, womit nach Angaben von Projektentwickler Janik Reitel 20.000 Vier-Personen-Haushalte versorgt werden könnten. Die Module sollen mit einer leichten Neigung zur Sonne hin ausgerichtet werden, die Glasplatten sollen an der tiefsten Stelle 80 Zentimeter über Grund montiert werden, an der höchsten Stelle sollen es etwa 2,80 Meter sein.

Was hätte die Gemeinde davon?

Laut Reitel würde die Gemeinde Kirchtimke finanziell spürbar von der Wertschöpfung profitieren. Allein die gesetzlich vorgeschriebene Akzeptanzabgabe von drei Euro je eingespeister Megawattstunde bringe der Gemeindekasse rund 250.000 ein – jedes Jahr, wobei die Planer von einer Betriebsdauer von 30 Jahren ausgehen. So lange sollen jedenfalls die Pachtverträge mit den Grundstückseigentümern laufen. Und schließlich sei in 30 Jahren noch zusätzlich mit Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von drei Millionen Euro zu rechnen.

Können sich Bürger beteiligen?

Nicht direkt, sie können wohl nicht Miteigentümer des Solarparks werden. Projektentwickler Reiter sprach allerdings von einer festverzinslichen Anlagemöglichkeit über einen Finanzdienstleister mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren mit Summen bis zu 25.000 Euro. Details sollen in Kürze folgen.

Will der Projektentwickler den Solarpark auch betreiben?

Nein, nach Fertigstellung soll die Anlage an einen Investor verkauft werden. Üblicherweise seien es Rentenkassen oder Lebensversicherungen, denen es um langfristige und sichere und nicht unbedingt um sehr hohe Renditen gehe, so WiNRG-Geschäftsführer David Majert. Der Erlös liege bei sechs Cent je eingespeister Kilowattstunde. Bei Abschaltung der Anlage etwa bei Netzüberlastung werde keine Kompensation gezahlt, weshalb der Strom aus den PV-Modulen in großen Batterien gespeichert werden soll. Die Speicher würden gleich mit geplant und seien Teil des Genehmigungsverfahrens.

Wie steht es um den ökologischen Nutzen?

Mensch, Natur und Umwelt profitierten gleich mehrfach von einem Solarpark, sagte WiNRG-Geschäftsführer David Majert. Erstens würde die Energiesicherheit erhöht und zweitens die Treibhausgasemissionen gesenkt, und drittens werde die Artenvielfalt gesteigert. Im Vergleich zu Biogasanlagen seien PV-Anlagen sehr "flächeneffizient": Eine Biogasanlage benötige im Vergleich zu einer Fotovoltaikanlage eine vielfach größere Fläche, um die gleiche Strommenge zu produzieren. Zur Verbesserung der Biodiversität führte Tobias Wahlers von der Firma Blühfelder, die ein Pflanzkonzept für die geplante Anlage entwickeln soll, mehrere Studien zu Vögeln und Fledermäusen an. Wichtig sei ein gutes Konzept und nach dessen Umsetzung eine dauerhafte qualifizierte Pflege der Flächen. Diese würden nicht mehr gedüngt und gespritzt, dürften aber auch nicht sich selbst überlassen werden.

Was sagen die Kirchtimker dazu?

Wie vor einigen Wochen bei einer ähnlichen Veranstaltung in Wilstedt zeigten die Wortmeldungen Skepsis und Unbehagen gegenüber der geplanten großflächigen Solaranlage. Er finde es "erschreckend", dass für den Solarpark so große Flächen in Anspruch genommen werden sollen, sagte ein Anwohner. Er sei aufs Land gezogen, weil er "die schöne Natur genießen" wolle. Warum man denn nicht erst die Parkplätze der Supermarkt mit Solarmodulen belege, wollte er wissen. Und er regte an, dass die Gemeinde eine Bürgerbefragung zu dem Thema macht. Eine Frau sagte, sie befürchte einen Wertverlust für ihr Haus. Mehrere Anwesende wiesen mit Blick auf die bestehenden und zusätzlich geplanten Windparks darauf hin, dass die Samtgemeinde Tarmstedt bereits einen großen Beitrag zur Energiewende leiste. Selbst in Kirchtimke könnten im Nordwesten des Gemeindegebiets bis zu fünf Windräder errichtet werden, wie sich aktuell herausgestellt habe, berichtete Samtgemeindebürgermeister Oliver Moje. Dies sei erst nach Beginn der Solarparkplanung bekannt geworden.

Was sagt der Bürgermeister?

"Ich teile die Bedenken der Leute", sagt Bürgermeister Frank Tibke. Auch beim Osterfeuer und bei anderen Gelegenheiten sei er von Kirchtimkern auf die Solarparkpläne angesprochen worden. "Ein Solarpark der geplanten Größe wäre in meinen Augen eine übergroße Belastung für unsere Einwohner", so Tibke. Er persönlich hätte nichts gegen einen Bürgerentscheid, "denn ich möchte schon wissen, was unsere Bürger über die Pläne denken". Denn es bringe nichts, "dass wir etwas beschließen, mit dem die Menschen nicht leben können". Klar, die zusätzlichen Einnahmen könne seine chronisch klamme Gemeinde gut gebrauchen. "Aber der Preis wäre zu hoch, wenn der Dorffrieden dadurch gefährdet würde", meint Tibke. Und schiebt gleich hinterher: "Ich bin nur einer von neun Leuten im Gemeinderat."

Sind die Pachtverträge schon unterschrieben?

Nein, sagt der Projektentwickler WiNRG. Die Eigentümer der in Frage kommenden Flächen seien aber interessiert und könnten sich vorstellen, ihre Flächen für den Solarpark zu verpachten.

Wie geht es jetzt weiter?

In der nächsten Sitzung des Kirchtimker Gemeinderats wird der geplante Solarpark behandelt, entschieden werde darüber aber nicht, so der Bürgermeister. Der Gemeinderat hat in diesem Fall die Planungshoheit, er müsste die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Sondergebiet Fotovoltaik beschließen, wenn er das Projekt befürwortet. Im August oder September werde sich der Rat das Thema erneut vornehmen. "Bis dahin werden wir noch viele Gespräche führen", so Tibke.

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