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Tarmstedter Ausstellung Alles KI, oder was?

Alle reden von Künstlicher Intelligenz. Auch für die Agrarbranche gibt es bereits entsprechende Anwendungen. Wie weit ist es damit?
13.07.2024, 08:50 Uhr
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Alles KI, oder was?
Von André Fesser

KI, KI, KI – kaum eine Rede, kaum ein Gespräch geht zu Ende, ohne dass das Zauberwort zumindest einmal gefallen ist. In vielen Lebensbereichen findet die Künstliche Intelligenz längst Anwendung, und auch so mancher Landwirt hat längst KI-Erfahrungen gesammelt. Auf der Tarmstedter Ausstellung zeigen Anbieter und Forscher, was schon marktreif ist und in welchen Bereichen sie sich Hoffnung auf Fortschritte machen.

Wie weit ist der Einsatz von KI in der Landwirtschaft?

Tatsächlich gibt es bereits einige Anwendungsgebiete, bei denen sich die Künstliche Intelligenz als guter Helfer des Landwirts oder der Landwirtin erwiesen hat. Sogenanntes Unkraut zum Beispiel lässt sich mit darauf getrimmten Systemen längst zuverlässig erkennen und gezielt bekämpfen. Auch bei der Milchproduktion lassen sich mithilfe von Datensammlungen und deren Auswertung Rückschlüsse auf den Zustand der Kuh ziehen. Praktiker mahnen allerdings an, in der KI nicht die kurzfristige Lösung aller Probleme zu sehen. Auch früher schon habe man im Stall Daten gesammelt, sagt Jan Heusmann, Vorstand der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen. Nur habe man nicht so viel darüber geredet. Carsten Gerdes, Vorsitzender des Landesverbands der Maschinenringe Niedersachsen, stellt dennoch den Nutzen in den Vordergrund: KI könne den Landwirt unterstützen, indem sie ihm Entscheidungen abnehme. Der Anspruch an die Künstliche Intelligenz müsse es sein, Zeit zu gewinnen, um sie anders nutzen zu können.

Wie sieht die Nutzung in der Praxis aus?

An manchen Stellen steckt die KI-Nutzung noch in der Erprobungsphase. Silke Weyberg, Geschäftsführerin des Landesverbandes Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen, zum Beispiel berichtet vom KI-Einsatz bei der Findung von Windkraftflächen. Derzeit sei man noch dabei, die KI zu trainieren – am Anfang habe sie nämlich schlichtweg nichts gefunden. Mittlerweile sei das anders, und all jene, die die Technik zunächst als "Unsinn" bezeichnet hätten, sähen jetzt genauer hin.

Gibt es weitere Beispiele?

Im Praxislabor Digitaler Ackerbau der Landwirtschaftskammer berichten derweil Nora Uderstadt und Jobst Gödeke von vielversprechenden Forschungen im Bereich der KI. Sie berichten von Rehkitzsuchen mit Drohnen und Wärmebildkameras, infolge derer die Künstliche Intelligenz zuverlässig in der Lage war, Rehe und Kitze von Nicht-Rehen zu unterscheiden und die Suchenden auch noch zum genauen Liegeort bringen konnten. Auch die Getreideproduktion könnte in absehbarer Zeit von KI begleitet werden. So arbeite man daran, Mähdrescher mit Unterbodenkameras auszustatten, die noch bei der Mahd die Stoppeln zählen und so einen Rückschluss auf die Getreidequalität und -menge erlauben. Längst marktreif sind Geräte, die Unkräuter von Feldfrüchten wie der Zuckerrübe oder auch erwünschte Futtergräser von unerwünschten Kräutern wie Ampfer unterscheiden können. Durch gezieltes Hacken oder punktgenaues Spritzen entsprechender Mittel könnten die missliebigen Pflanzen dann gezielt bekämpft werden.

Noch eines?

Das Melkrobotersystem der Firma Delaval ist in der Lage, beim Melkvorgang große Datenmengen von jeder Kuh und sogar jeder einzelnen Zitze zu sammeln und auszuwerten, wie Harmke Spinken und Tobias Grammel am Stand der schwedischen Firma erklären. Bei den Daten gehe es nicht nur um die bloße Milchmenge. Auch die Farbe und die Leitfähigkeit würden gemessen. Über einen Chip am Ohr, vergleichbar mit einer Smartwatch, könnten zudem Angaben über die Aktivität des Tieres gesammelt werden. Ist sie viel unterwegs, frisst sie, wiederkäut sie? Liegt sie häufiger herum als gewöhnlich? All diese Informationen könnten sich auswerten lassen und Anhaltspunkte dafür liefern, ob die Kuh besondere Aufmerksamkeit erfordert. Ist die Kuh erkrankt, ziele man mit der Datenauswertung auch darauf ab herauszufinden, um welche Krankheit es sich handele. In den Niederlanden sei das System längst etabliert, in Deutschland würde es mittlerweile mehr und mehr nachgefragt, sagen die Delaval-Mitarbeiter.

Wem nutzt das?

Das Delaval-System lohne sich nach Einschätzung von Spinken und Grammel schon bei kleinen Herden ab 50 Tieren. Gerade Familienbetrieben könnte es helfen, Zeit zu gewinnen. Der Faktor Zeit wird häufig genannt, wenn es um die Frage geht, wofür der KI-Einsatz eigentlich geeignet ist.

Also, alles KI, oder was?

Nicht ganz. Branchenvertreter betonen schon noch, dass die KI den Landwirt nicht ersetzen kann und sie mit Bedacht eingesetzt werden sollte. Henning Müller, Landwirt und Forscher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Osnabrück, sagte es im Branchenmedium "Land und Forst" mal so: "Nur weil ich den KI-Hammer in der Hand habe, muss nicht jedes Problem ein Nagel sein. Für eine Schraube nehme ich keinen Hammer." Er spricht daher auch bei der Tarmstedter Ausstellung von einem Methodenkoffer, den die Landwirte mittels KI zur Verfügung hätten. Angesichts der KI-Aufgeregtheit in der deutschen Öffentlichkeit rät Müller dazu, zunächst die Grundlagen für den Einsatz von KI zu schaffen, denn nicht alle Höfe seien dafür geeignet. Es brauche die Felder, auf denen der KI-Einsatz funktioniere. Und er betont, dass KI nicht alles leisten könne: Es werde nicht so weit kommen, dass man nur über die Felder fahre – "wir müssen dort auch arbeiten".

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