Vorwerk. Thomas Müller fährt mit seinem Betrieb in Vorwerk dreigleisig. Schweinemast, Ackerbau und Selbstvermarktung seiner Futterrüben. Die breite Aufstellung habe ihn schon mehrmals vor finanziellen Problemen bewahrt. "2018 hatten wir ein Dürrejahr, da waren wir froh, dass wir die Schweine haben", sagt er. Im vergangenen Herbst allerdings kam es – wegen der Pandemie und der afrikanischen Schweinepest – zur Schweinekrise. "Da waren wir froh, eine durchschnittliche Ernte und unsere Rüben zu haben."
Bei den Rüben handelt es sich um Futtermöhren und -bete. Müllers vertreiben diese Ackerfrüchte selbst, weil sie so eigenständig den Preis festlegen können. Auf den Markt achten müssen sie trotzdem. "Sonst kaufen die Kunden natürlich woanders." Verkauft würden die Rüben unter anderem bei Raiffeisen-Märkten in der Region. Ein Großteil der Kunden werde aber auch beliefert. "Wer morgens anruft, bekommt meistens schon am Mittag die Ware", sagt Müller.
Drei Generationen dabei
"Wir sind ein klassischer Familienbetrieb, drei Generationen arbeiten mit", sagt Thomas Müller. So lieferten zum Beispiel seine Eltern die Rüben aus. Seine älteste Tochter Celina wird den Betrieb wahrscheinlich eines Tages übernehmen. Im vergangenen Jahr hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen, seither ist sie auf der Fachschule, die sie im Sommer beendet. Danach folgen zwei weitere Jahre der Ausbildung, bis zur staatlich geprüften Betriebswirtin. "Ich werde nicht gezwungen, den Hof zu übernehmen", sagt Celina Müller. So stehe es ihr auch offen abzulehnen, sollten es die Bedingungen und Regularien zu schwierig machen.
Müllers sehen in ihrer Form der Selbstvermarktung eine Nische, die genutzt werden kann. "Es wird auf Dauer nicht funktionieren, mit der ganzen Welt zu konkurrieren", sagt Thomas Müller. Dennoch entscheide ein Großteil der Kunden an der Ladentheke über den Preis, den sie bereit sind zu bezahlen.
"Wir produzieren in Deutschland qualitativ hochwertige Lebensmittel zu günstigen Preisen." Könne ein Produkt aber nicht länger zu dem Preis produziert werden, der nötig ist, damit die Landwirte auf ihren Schnitt kommen, stiegen viele Produzenten aus. Dagegen könnten auch die Subventionen der Europäischen Union nicht helfen. "Am Ende kommen diese Subventionen vor allem bei den Verbrauchern an", sagt Celina Müller. Dass es irgendwann gar keine Landwirte mehr gibt, glauben Vater und Tochter zwar nicht, dennoch werde es immer mehr Kollegen geben, die sich ein anderes Betätigungsfeld suchen. "Die Wertschätzung wird immer geringer, dafür nehmen die Auflagen zu", sagt Celina Müller.
Mehrere Standbeine
Weil mehrere Standbeine von Vorteil seien, setzt Familie Müller neben den Rüben und der Schweinezucht auf den Rapsanbau. "Wir kooperieren mit Imkern, die ihre Bienen an unseren Feldern aussetzen", sagt Thomas Müller. So griffen die verschiedenen Sparten der Lebensmittelproduktion ineinander. Trotzdem sei es sinnvoll, sich zu spezialisieren. "Früher gab es auf diesem Hof alles: Pferde, Schweine, Kühe, Spargel, Kartoffeln", sagt Thomas Müller. Das habe sich aber irgendwann nicht mehr gelohnt.
In den vergangenen sieben Jahren seien die Pflanzen schon in der Blüte vertrocknet, weil der Monat Mai jeweils zu warm war. Anders als die Rüben vermarkten Müllers den Raps ihrer Felder nicht selbst, stattdessen verkaufen sie ihn an den Handel. "Früher hat der die Preise vorgegeben, heute orientieren wir uns an der Börse", sagt Thomas Müller.
Das bedeutet, dass er beobachtet, wie sich die Märkte entwickeln, um dann zu schauen, was wann verkauft wird. "Bis zur Ernte haben wir 60 Prozent unseres Ertrages abgesichert", sagt er. Viel mehr könne im Voraus aber auch nicht abgeschlossen werden, weil nie klar sei, wie die Ernte ausgehe, ergänzt Tochter Celina.
Der Markt regiert
Der Preis, den es an der Börse für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gäbe, habe nichts mit dem eigentlichen Markt zu tun, erklärt Thomas Müller. Stattdessen sind auch dort Spekulanten unterwegs, die die Preise in die Höhe trieben. "Wir selbst spekulieren nicht, wir verkaufen unsere Produkte und sehen eine Chance, Geld damit zu verdienen", sagt er. Senke sich der Preis bis zur Ernte nicht ab, müssen auch Müllers für die von ihnen benötigten Futtermittel mehr bezahlen. "Wir versuchen, uns abzusichern."
Dass generell an der Börse mit Lebensmitteln spekuliert werde, halte er aber für fragwürdig. Als Schweinehalter sei er es gewohnt, vom Markt abhängig zu sein. "Ich glaube, der freie Markt ist in diesem Fall immer sinnvoller als eine staatliche Regulierung", sagt er. Eine staatliche Regulierung sei beispielsweise die Milchquote gewesen, die vor einer Überproduktion schützen sollte. "Es ist besser, wenn sich die Angebote nach der Nachfrage richten", sagt Müller. Wichtig sei es allerdings, einheitliche Rahmenbedingungen für die Erzeugerländer zu schaffen. "Wenn trotzdem ein Mehraufwand gewünscht ist, sollte dieser honoriert werden", sagt der Landwirt. Den Rest aber regele am besten der Markt.