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Serie: Herausforderung Landwirtschaft "Es ist kein Zauberwerk, Anerkennung zu bekommen"

Mareike Dehlwes wird die Biomolkerei und den dazugehörigen Hof ihrer Familie in Lilienthal übernehmen. Wie es ist, als Frau in einem männerdominierten Berufsfeld zu arbeiten, berichtet sie im Interview.
31.08.2021, 12:15 Uhr
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Von Rebecca Sawicki

Frau Dehlwes, woran liegt es, dass die Landwirtschaft eine von Männern dominierte Domäne ist?

Mareike Dehlwes: Es ist ein körperlich anstrengendes Berufsfeld. Gerade, wenn man in der Produktion arbeitet. Es macht aber auch wirklich viel Spaß. Es ist ein tolles Gefühl, Lebensmittel herzustellen, die man nachher genießen kann.

Haben Sie den Eindruck, manchmal unterschätzt zu werden, weil Sie eine junge Frau sind?

Nein. Ich bekomme immer positives Feedback von anderen. Auch viele Komplimente für das, was wir hier schon alles geschafft haben.

Die landwirtschaftliche Branche scheint offener zu sein als andere Industriezweige.

Man muss Selbstbewusstsein haben, sonst wird es schwer. Es ist aber kein Zauberwerk, Anerkennung zu bekommen.

Müssen Sie sich gegenüber Ihren männlichen Kollegen besonders behaupten?

Manchmal schon, gerade wenn es um körperliche Arbeiten geht. Aber auch als Frau kann man sich durchboxen.

War schon immer klar, dass Sie in den Familienbetrieb einsteigen werden?

Ich habe zuerst eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten gemacht. Bis ich 15 oder 16 war hatte ich keinerlei Interesse an dem Hof. Mir war es eher peinlich, wenn ich mit meinem Vater Traktor gefahren bin. 

Warum peinlich?

Ich weiß nicht, wo das herkam. Ich wurde nicht gehänselt oder sonst irgendwas. Aber irgendwie war in der Pubertätszeit alles peinlich.

Wieso hat sich das geändert?

Durch das Kennenlernen meines jetzigen Mannes. Er hat sehr viele Landwirte im Freundeskreis und auch der Onkel ist Landwirt. Dadurch habe ich auf einmal das Interesse entdeckt und fand es toll, mit ihm Trecker zu fahren. Heute bin ich super stolz auf das, was wir hier haben.

Dann haben Sie umgeschult?

Ich habe meine Ausbildung zur Milchtechnologin beim Deutschen Milchkontor in Zeven gemacht. Dort habe ich auch ein Jahr Berufserfahrung gesammelt, bevor ich hier in den Betrieb eingestiegen bin. 2017 habe ich dann meinen Molkereimeister gemacht. Mein Meisterthema war der Aufbau einer Biokäserei mit Rezepturentwicklung.

Das heißt, die Molkerei Dehlwes hat auch dann erst mit der Käseproduktion begonnen?

Genau. Ich habe für die Meisterarbeit den Aufbau der Käserei geplant und die Rezeptur für meinen Käse entwickelt. Er heißt "Mareikes Meisterstück". Jetzt, vier Jahre später, läuft unser Käse richtig gut.

Nur 23 Prozent der Menschen, die eine Ausbildung in den sogenannten grünen Berufen anfangen, sind weiblich. Wie viele Frauen hatten Sie in Ihrem Jahrgang?

Wir waren drei Frauen. Im Meisterkurs dann sogar nur noch zwei. Man merkt das also schon deutlich.

Hat Ihre Mutter auch eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht?

Nein, sie ist gelernte Versicherungskauffrau.

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Trotzdem arbeitet sie im Familienbetrieb mit.

Ja, sie macht eigentlich die ganze Verwaltung. Früher hat sie auch mit gemolken, aber das ist schon richtig lange her.

Die Entscheidung, den Hof zu übernehmen, haben Sie gemeinsam mit Ihrem Mann getroffen. Ist er auch Landwirt?

Er hat damals natürlich nicht damit gerechnet, eine Frau zu finden, die einen Hof besitzt. Dementsprechend hat er zuerst eine andere Ausbildung gemacht: zum Land- und Baumaschinenmechaniker. Mein Vater hat ihm zum Ende seiner Ausbildung den Anstoß gegeben, doch noch einmal in Richtung Landwirtschaft zu gehen. Mittlerweile hat er seinen Landwirtschaftsmeister.

Das heißt, Sie beide ergänzen sich, um den Betrieb zu übernehmen. Sie in der Molkerei, er im Stall und auf den Feldern.

Genau. Auch die Vorbildungen, die wir beide gemacht haben, sind super für den Betrieb. 

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Gibt es schon ein Datum, an dem die Übergabe geplant ist?

Wann der richtige Zeitpunkt für die Übergabe gekommen ist, ist wohl die Frage jedes Familienbetriebs. Meine Eltern sind eigentlich im Rentenalter. Trotzdem sind sie noch total fit und machen hier jeden Tag Vollzeitarbeit. Im vergangenen Jahr konnte ich außerdem nicht so viel mitarbeiten, weil ich vor zwei Jahren einen Sohn bekommen habe und er noch nicht in die Krippe geht.

Aber auch wenn sie den Betrieb übernommen haben, werden ihre Eltern weiterhin mitarbeiten, oder?

Ja, genau. Entscheidungen werden auch jetzt schon alle im Familienrat abgesprochen. Es gab nur noch keine richtige Übergabe.

Im Hintergrund die vielen Debatten der vergangenen Jahre und dem beschädigten Ruf der Landwirtschaft. Haben Sie manchmal Sorge vor der Betriebsübernahme?

Dadurch, dass ich den Molkereibereich leite, komme ich damit weniger in Berührung als mein Mann. Er macht sich große Sorgen. Die ganzen Richtlinien bringen große Einschränkungen mit sich. Die meisten sind kaum nachvollziehbar und hindern Landwirte daran, produktiv zu wirtschaften.

Das Gespräch führte Rebecca Sawicki.

Zur Person

Mareike Dehlwes ist Molkereimeisterin. Sie arbeitet in der Molkerei ihrer Familie mit und wird diese in den kommenden Jahren auch übernehmen. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest.

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