Eine Freiheitsstrafe, die der Höhe nach gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, hat die Staatsanwaltschaft gestern im Berufungsprozess für den Verdener Rechtsextremisten Rigolf Hennig verlangt: zwei Jahre wegen vierfacher Volksverhetzung unter Einbeziehung einer bereits rechtskräftig gewordenen, einschlägigen Verurteilung. Das Landgericht will das Urteil am kommenden Montag verkünden.
Das alte Lied: Wieder wollte der frühere NPD-Kommunalpolitiker eine vom Amtsgericht Verden verhängte Strafe nicht akzeptieren. Es hatte gegen den 83-Jährigen im vergangenen September eine 15-monatige Bewährungsstrafe verhängt. Einmal mehr war es dabei um Artikel in der Zeitschrift „Stimme des Reichs“ gegangen, die nach Ansicht des Schöffengerichts den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen.
Sie stammten zwar überwiegend von Hennigs eifrigster Gesinnungsgenossin, der derzeit inhaftierten notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel (Vlotho). Doch Rigolf Hennig hat zur Überzeugung des Gerichts beim gesamten Blattmachen „federführend mitgewirkt“, stand bei den beiden letzten der vier beanstandeten Ausgaben auch als Herausgeber im Impressum. Sein weitgehendes Geständnis war zu seinen Gunsten gewertet worden. Neben der 15-monatigen Bewährungsstrafe hatte das Amtsgericht allerdings auch entschieden, dass das in der besagten Zeit auf „Spendenkonto“ geflossene Geld, rund 19 500 Euro, der Einziehung unterliegt. Dieses Konto lief umfänglich auf Hennigs Namen.
Diese Einziehung, so vermutete es die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dürfte das „zentrale Problem“ des Angeklagten mit dem erstinstanzlichen Urteil darstellen. Darauf ließen auch die Ausführungen des zweiten – und neuen – Anwalts schließen, den der Mediziner im Ruhestand am Montag bei der Berufungsverhandlung vor der 5. kleinen Strafkammer an seiner Seite hatte. Matthias Rahmlow (Duisburg) kam zu dem Schluss, dass eine Einziehungsentscheidung aus rechtlichen Gründen nicht erfolgen könne. Die Abonnenten beziehungsweise Bezieher der „Stimme des Reichs“ hätten schließlich für das gesamte Blatt bezahlt. Die Textmenge darin, „die für strafbar gehalten“ werde, mache allenfalls vier Prozent aus, rechnete der Rechtsanwalt vor.
Dass ohnehin nur ein Freispruch in Frage komme, hatte zuvor Hennigs „Stammanwalt“ Martin Kohlmann erklärt. Der als „Rechtsaußen-Aktivist“ geltende „Kopf“ der Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ mühte sich in gewohnter Weise, die eigentlichen Vorwürfe zu zerpflücken. Kohlmann ist im November 2018 aus der Vereinigung der Strafverteidiger Sachsen/Sachsen-Anhalt ausgeschlossen worden.
Hennig selbst, der schon vor dem Amtsgericht seine verantwortliche Tätigkeit bei der – inzwischen angeblich verstummten – „Stimme des Reichs“ eingeräumt hatte, wiederholte: In der Zeitschrift habe „nichts Strafbares drinstehen“ sollen. „Jedenfalls habe ich das versucht“. Etwa 1000 Blattbezieher soll es im Schnitt gegeben haben; das Jahresabo kostete 20 Euro. Spenden flossen dem Vernehmen nach auch auf das Konto. Das Geld soll für die Herstellung verwendet worden sein, aber auch, so Hennig, „um Leute zu unterstützen, die in Not geraten waren“. Von Anwaltsseite wurde zudem erklärt, es sei kein Geld „für private Zwecke“ genommen worden.
Ein im April 2017 ergangenes Urteil des Landgerichts ist Ende Oktober rechtskräftig geworden. Somit weist das Bundeszentralregister inzwischen für Hennig wieder einen Eintrag auf. Diese 14 Monate Haft werden bei der Bildung einer neuen Gesamtstrafe zu berücksichtigen sein.