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Personen mit Einschränkungen haben es nach wie vor besonders schwer / Es gibt aber auch Ausnahmen Ein Job für Menschen mit Handicap

Ein Arbeitsmarkt für alle – ob mit oder ohne Behinderung – das ist klares Leitbild der Inklusion. Doch die Devise, Menschen mit Handicap am Arbeitsleben teilhaben zu lassen, wird noch nicht in allen Betrieben und Einrichtungen gelebt. "Viele Arbeitgeber fürchten den bürokratischen Aufwand", hat die Achimerin Ellen Pickert, Mutter eines 35-jährigen Politologen, der im Rollstuhl sitzt, erkannt. Für sie ist klar: "Es gehört eine Portion Mut und Verständnis dazu, einen Menschen mit Einschränkungen einzustellen."
13.07.2013, 05:00 Uhr
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Von Merle Heusmann

Ein Arbeitsmarkt für alle – ob mit oder ohne Behinderung – das ist klares Leitbild der Inklusion. Doch die Devise, Menschen mit Handicap am Arbeitsleben teilhaben zu lassen, wird noch nicht in allen Betrieben und Einrichtungen gelebt. "Viele Arbeitgeber fürchten den bürokratischen Aufwand", hat die Achimerin Ellen Pickert, Mutter eines 35-jährigen Politologen, der im Rollstuhl sitzt, erkannt. Für sie ist klar: "Es gehört eine Portion Mut und Verständnis dazu, einen Menschen mit Einschränkungen einzustellen."

Landkreis Verden. Die Arbeitslosenzahlen sinken bundesweit seit Jahren. In einer Personengruppe kann davon jedoch nicht die Rede sein – in der Gruppe der Menschen mit Handicap. Auf dem Arbeitsmarkt seien sie die klaren Verlierer, zeigte eine Analyse des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Der Vorsitzende des Achimer Senioren- und Behindertenbeirates, Knut Pickert, und seine Frau Ellen können das bestätigen. Bis ihr Sohn, der im Rollstuhl sitzt, eine Anstellung auf dem freien Arbeitsmarkt fand, war es ein langer Weg. Dabei hatte es für den rein körperlich eingeschränkten Jungen in der Schulzeit kaum Schwierigkeiten gegeben. "Die Schulbildung wurde unterstützt und war kein Problem", lässt Ellen Pickert wissen. Auf das Abitur an einem Gymnasium folgte ein Studium an der Universität Bremen. Mit dessen Abschluss und den ersten Bewerbungen hätten die Probleme begonnen. Schließlich seien die Therapien, die ihr Sohn benötige und die Arbeitszeiten vieler Betriebe nur schwer zu vereinbaren. Trotzdem gingen aus den Bewerbungen – ganz zur Freude der Eltern und des Sohnes – zahlreiche Bewerbungsgespräche hervor, die jedoch erfolglos blieben. Viel später hätten sie herausgefunden, dass die Firmen verpflichtet seien, Menschen mit Handicap zu einem Gespräch einzuladen, sagt Ellen Pickert.

Die Arbeitgeber hätten stets "durch die Blume" gezeigt, dass sie die Behördengänge fürchteten. So eine Anstellung erfordere eben auch Mut, weiß die Achimerin. Eine Tugend, die letztlich nur die Lebenshilfe in Verden aufbrachte. Dort ist ihr Sohn heute an drei Tagen in der Woche für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Für den 35-jährigen studierten Politologen aus Achim ist das eine glückliche Situation. Doch längst nicht allen Menschen mit Handicap gelingt der berufliche Einstieg. Dabei haben Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland generell die Pflicht, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Der Quote würden die meisten Firmen jedoch nicht nachkommen. Sie müssen dann eine Ausgleichsabgabe an die örtlichen Integrationsämter bezahlen – die meisten Firmen nehmen das in Kauf. Bei öffentlichen Arbeitgebern sei das allerdings anders, berichtet der DGB.

So sieht sich zum Beispiel auch die Gemeinde Oyten in der Pflicht. Dort sorgt Felix Garbade aus Etelsen seit April für die Sauberkeit im Ort. Er ist nicht schwerbehindert, hat aber ein Handicap in Form einer Lernschwäche. Nach einem Praktikum beim Bauhof hat die Gemeinde den 22-Jährigen fest angestellt. Diese Übernahme empfindet Garbade als echte Chance. Schließlich wäre es für ihn "auf dem normalen Berufsmarkt schwierig geworden", sagt er selbst. Nun steuert der junge Mann aus Etelsen, der schon lange einen Führerschein hat, das "Saubermobil" des Oytener Bauhofs wochentags durch den Ort. "Er macht sich gut und weiß sich zu helfen", lässt der stellvertretende Bauhofleiter Klaus Demann wissen.

Dabei habe er eigentlich im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten wollen, berichtet Garbade. Erst das Praktikum beim Bauhof lenkte seine Berufswünsche in eine andere Richtung. Seither stehen das Einsammeln von Fundfahrräden, das Reinigen von Bushaltestellen, das Leeren von Müllbehältern und das Putzen vonVerkehrsschildern auf seiner Tagesordnung. Eine Einführung in die Aufgaben habe ihm sein Vorgänger gegeben, der trotz schwerer körperlicher Einschränkungen viele Jahre lang die Sauberkeit in Oyten wahrte. Doch der ist jüngst in Rente gegangen.

"Wir haben die Stelle erneut bewusst so besetzt", lässt Oytens Bürgermeister Manfred Cordes wissen. Menschen mit Handicap – auch in Gestalt einer Lernschwäche – anzustellen, das sei im öffentlichen Bereich einfacher als in vielen Firmen, weiß der Bürgermeister. Dort herrsche eine andere Denkweise, pflichtet er dem DGB bei.

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