Der niedrige Inzidenzwert hat es möglich gemacht – nach der Öffnung der Außengastronomie ist nun auch wieder die Innengastronomie am Start. Doch die Freude der Restaurant- und Cafébetreiber hat einen bitteren Beigeschmack, denn aufgrund der Corona-Krise sind viele Fachkräfte in andere Branchen abgewandert. An Gästen fehlt es vielfach nicht, dafür aber oftmals am geschulten Personal, um diese auch zu bedienen, wie viele Gastronomen im Landkreis Verden berichten.
Seit dem 3. Juni haben die Gäste im mexikanischen Restaurant Bodega in der Ostertorstraße in Verden wieder die Wahl, ob sie draußen oder drinnen sitzen möchte. Und nicht wenige entscheiden sich für die erstere Variante, wie Betriebsleiter Turan Tavan berichtet. „Nur an den ersten regnerischen Tagen waren die Plätze draußen unter dem Schirm weniger beliebt als die drinnen.“ Grundsätzlich sei man mit den Umsätzen zufrieden, „denn nach der langen Zeit zuhause gehen die meisten gern endlich wieder einmal essen“. Um weiterhin in gewohnter Qualität für die Gäste da sein zu können, suche die Leitung noch nach neuem Personal. Gelernte Kräfte, aber auch (Quer-)Einsteiger seien willkommen. Die zu schlechte Bezahlung im Gastronomiebereich und die oftmals nicht mit einer Familie in Einklang zu bringenden Arbeitszeiten, in Kombination mit der noch immer nicht ganz durchgestandenen Pandemie, machten es schwierig, neue Mitarbeiter zu bekommen.
Köche helfen aus
Dieses Problem kennt auch Simone Sebastian vom Hotel-Restaurant Pfeffermühle in Dörverden nur allzu gut: „Im vergangenen Jahr haben sich leider viele gute Kräfte notgedrungen etwas anderes gesucht.“ Als Folge biete der Betrieb derzeit nur an einigen Tagen noch einen Mittagstisch an, außerdem würden ihre Köche draußen beim Gast aushelfen, und auch sie selbst springe ein. Bislang zeige sich immer wieder, dass die Hemmschwelle, sich im Restaurant einen Platz zu suchen, doch erheblich größer sei, als draußen Platz zu nehmen. „Das zieht sich durch alle Altersgruppen.“ Vom Umsatz her liege man etwa bei 50 Prozent im Vergleich zu den Zahlen vor Corona.
Weniger Gäste als in der Zeit vor Corona sind es auch bei Igor De Martin vom gleichnamigen Eiscafé De Martin am Blumenwisch und außerdem Betreiber des Eiscafés Venezia in der Verdener Fußgängerzone. „Die Angst, irgendwo hineinzugehen, hat sich in den vergangenen Monaten einfach verfestigt, das braucht einige Zeit, bis man die wieder los wird.“ Bei anhaltendem guten Wetter könne der Betrieb nun aber mit den Verkaufszahlen zufrieden sein, nur sei es nicht immer leicht, die Gäste auch bewirten zu können, da sich zwei Fachkräfte aufgrund des nicht ausreichenden Kurzarbeitergeldes eine andere Stelle gesucht hätten. „Wir schaffen es kaum noch, alle zu bewirten und mussten leider sogar in jeder Eisdiele einen Ruhetag einlegen, damit das Personal am anderen Standort aushelfen kann.“
In der Herbergstraße in Achim, im Eiscafé Capri, sieht es beim Personal besser aus, wie Inhaber Davide Caso meint. „Bei uns arbeiten noch die selben Mitarbeiter wie vor der Pandemie.“ Das Eiscafé verfüge zwar über etwa 50 Plätze im Innenbereich, doch schon immer seien die Tische draußen beliebter, „gerade bei diesem tollen Wetter“.
Genauso ist es im Restaurant Zum Holschenböhl in Emtinghausen: „Wir sind ein Ausflugslokal, entsprechend groß ist unser Außenbereich und entsprechend gerne sitzen unsere Gäste draußen“, sagt Inhaberin Irmgard Riechers. Dass es an Personal fehle, mache sich bereits seit einigen Jahren bemerkbar, und Corona habe die Situation weiter zugespitzt. „Wir spannen inzwischen die gesamte Familie mit ein.“
Bevorzugt draußen
Bevorzugt draußen sitzen die Gäste von Frank Adler vom Restaurant Atrium in Achim. Von Umsatzeinbußen könne inzwischen glücklicherweise nicht mehr die Rede sein. Allerdings habe er zwei seiner ehemaligen Mitarbeiter durch die Corona-bedingte Zwangspause an andere Branchen verloren. Und damit liegt er ganz im Trend, denn wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) feststellt, sei im Landkreis Verden innerhalb eines Jahres fast jeder Siebte aus dem Gastgewerbe in andere Bereiche abgewandert, etwa den Lebensmitteleinzelhandel, zu Drogerie-Ketten oder in die Lieferbranche.

Dehoga-Kreisvorsitzender Gördt Glander betrachtet die Abwanderung von Arbeitskräften aus der Gastronomie mit Sorge.
Gördt Glander, Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbands Verden, führt an, dass es in Verden und Umgebung einige neue große Unternehmen gibt, die Arbeitskräfte benötigen und zu denen viele aus dem Gastronomiebereich gewechselt sind. „Hinzu kommt, dass in unserem Gewerbe die Arbeitszeiten für viele nicht attraktiv sind und wir den Ruf der schlechten Bezahlung unserer Arbeitskräfte nicht loswerden, obwohl sich da bereits einiges getan hat.“ Während des vergangenen Jahres habe sich die Situation weiter verschärft, es sehe im Landkreis Verden diesbezüglich „nicht gut“ aus.