Achim. Weit verzweigt ist der Stammbaum, den Pablo Hünerberg als Bild auf seinem Smartphone immer bei sich trägt. Und doch scheint er selbst jedes Familienmitglied und jedes Verwandtschaftsverhältnis genau zu kennen. Es ist der Stammbaum der Familie Anspacher und somit auch sein eigener Stammbaum. Denn Hünerberg ist ein Großneffe von Kurt Hünerberg-Anspacher, einem Cousin der Namensgeberin der Achimer Hauptschule, Liesel Anspacher. Lange wusste der 38-Jährige nach eigenen Angaben nicht viel über die Vergangenheit seiner Familie. Sein Opa, der Deutschland noch vor dem Zweiten Weltkrieg verlassen hatte und nach Spanien ausgewandert war, redete nicht viel über seine Vergangenheit.
Irgendwann wollte es der in Madrid lebende Pablo Hünerberg aber genauer wissen. „Wir fanden schließlich Briefe meines Opas, die er seinem Bruder und seiner Mutter in Deutschland geschrieben hatte“, sagt er. Es waren über Hundert Stück, die er alle verwahrt hatte. „Was ich darin gelesen habe, hat mich natürlich geschockt.“ Und es hat dazu geführt, dass Hünerberg mehr wissen wollte über das Schicksal seiner jüdischen Vorfahren. „Ich habe viel im Internet recherchiert, um mehr über meine Verwandtschaft herauszufinden“, erzählt er. Sehr mühsam sei das manchmal gewesen. Irgendwann stieß er bei seiner Recherche dann unweigerlich auch auf die Stadt Achim. Bis 1941 lebte die Familie Anspacher in der Weserstadt. Dann wurden sie von den Nationalsozialisten ins Ghetto nach Minsk deportiert. Der Einzige, der damals überlebte, war Kurt Hünerberg-Anspacher. Er wanderte schließlich nach Amerika aus.
Emotionale Reise
In diesem Jahr nutzte Pablo Hünerberg nun die Gelegenheit und machte sich, gemeinsam mit seiner Freundin Sara Rodriguez, nicht nur virtuell, sondern ganz real auf die Spurensuche nach seinen Vorfahren. Sein Weg führte ihn auch an Achims Hauptschule. „Der Besuch war zugegebenermaßen eine sehr spontane Entscheidung“, sagt Hünerberg. Aber er habe sich sehr gelohnt. Gemeinsam mit dem Schulleiter der Liesel-Anspacher-Schule, Dominik Lerdon, besuchten sie den jüdischen Friedhof, das Geburtshaus von Liesel Anspacher und die Anspacher Straße. „Ich war sehr überrascht, wie viel hier an die Familie Anspacher erinnert“, sagt Hünerberg. Besonders emotional sei für ihn natürlich der Besuch des Friedhofes gewesen. „Ich hatte richtig Herzklopfen, als ich dort stand. Es ist schon etwas anderes im Internet oder in Briefen davon zu lesen als direkt vor Ort zu sein.“
Doch nicht nur für ihn, auch für den Achimer Schulleiter war die Begegnung wohl etwas ganz Besonderes. „Dieser überraschende Besuch war so etwas wie ein Sechser im Lotto“, sagt Lerdon. „Für Achim ist diese Verbindung die einzige Möglichkeit noch mit Verwandten der Schul-Namensgeberin in Kontakt zu treten.“ Pablo Hünerbergs 94-jährige Großtante Eleonore war es nämlich auch, die der Hauptschule damals das Bild von Liesel-Anspacher zur Verfügung stellte, das heute das Logo der Schule ziert. „Mit dem Besuch ist eine Verbindung entstanden, die hoffentlich noch lange besteht“, sagt Lerdon.