Draußen war es am Dienstagabend kalt und auch innen, in der Aula des Cato-Gymnasiums, war die Stimmung frostig. „Ziehen Sie sich warm am“, riet eine Besucherin dem Bürgermeister Rainer Ditzfeld, als dieser das Schulgebäude für die Infoveranstaltung zur möglichen Amazon-Ansiedlung betrat. Und sie sollte recht behalten mit ihrem Rat, denn bereits vor der Aula empfingen Gegner des Internetgiganten die Besucher. „Landschaftsverschandelung durch Amazon“ oder „Bürgervision: Achim ohne Amazon“ stand auf ihren Transparenten.
„Es ist eine absolute Sauerei, was hier in Achim passieren soll“, sagte Sabrina Kernhoff, die zu den Demonstranten gehörte. „Es gibt viele Kritikpunkte an Amazon. Einer davon ist der zunehmende Verkehr. Die Situation an der Ueser Kreuzung ist jetzt schon unzumutbar.“ Aus diesem Grund war sie an diesem Abend auch zur Infoveranstaltung gekommen. „Ich will die Chance nutzen, meine Meinung kundzutun.“ Um ihre Sicht auf eine mögliche Ansiedlung Amazons zu präsentieren und die Bürger zu informieren, hatten Vertreter vom Amazon, die Stadt Achim, der Verkehrsplaner und der Projektentwickler die Bürger in die Cato-Aula eingeladen. Und das Angebot wurde gerne angenommen. Rund 350 Bürger waren zu der Veranstaltung gekommen.
Stephan Eichenseher, der Sprecher der Amazon Deutschland Services GmbH, stand unserer Redaktion bereits kurz vor der Infoveranstaltung für ein Gespräch zur Verfügung. Darin bekräftigte er, dass das Logistikzentrum vom ersten Tag an profitabel sei und somit „fällt auch vom ersten Tag an Gewerbesteuer an“. Wie an anderen Standorten werde Amazon auch fürs Achimer Logistikzentrum BRE1 eine eigene Gesellschaft gründen, wenn es denn zur Ansiedlung kommt. Der Internetgigant ist an seinen Standorten jeweils nur Mieter und so werde dies auch in Achim laufen. „Wir mieten für 15 Jahre, das ist langfristig. Also wollen wir schauen, dass wir ein guter Nachbar sind“, sagte Eichenseher.

Nicht alle Bürger sind von der geplanten Amazon-Ansiedlung in Achim begeistert. Es gab am Rande der Info-Veranstaltung Proteste.
In Achim würden grundsätzlich bis zu 2000 Arbeitsplätze entstehen, wobei so viele Mitarbeiter nicht vom Start weg im Logistikzentrum tätig wären. „Wir starten mit einem Kernteam von 120 bis 200 Leuten“, erklärte der Sprecher. Nach und nach werde die Belegschaft erhöht, die schließlich auch mit Hilfe der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter gefunden werden müsse. In Spitzenzeiten, etwa zur Weihnachtsaison, sollen es bis zu 3600 Mitarbeiter in Achim werden.
Fachkräfte werden benötigt
Von der Belegschaft würden 80 Prozent als Versandmitarbeiter arbeiten, wofür keine besondere Qualifikation vonnöten sei. „Sie müssen Deutsch oder Englisch sprechen und körperlich arbeiten, bis zu 15 Kilogramm heben können“, schilderte er. Mindestens würde Amazon in Achim vom ersten Tag an 10,52 Euro brutto als Stundenlohn zahlen, wie viel genau könne er noch nicht sagen. Jemand der über 24 Monate im Logistikzentrum tätig sei, käme mit den Boni wie Weihnachtsgeld so auf 2600 Euro brutto, sagte Eichenseher. „Das gilt für jemanden, der im Unternehmen keinen Entwicklungsschritt absolviert.“ Diese Schritte aber seien möglich, etwa hin zum späteren Teamleiter. Außerdem würden Fachleute für Fördertechnik und IT-Spezialisten benötigt.
„Ich sehe durch eine Ansiedlung von Amazon wesentlich mehr Chancen als Risiken“, machte Bürgermeister Rainer Ditzfeld zu Beginn der Infoveranstaltung im Gymnasium deutlich. Dabei ließ er sich auch nicht von den vereinzelten Buh-Rufen ablenken, die hin und wieder seine Ansprache durchbrachen. „Manchmal muss man Entscheidungen treffen, die nicht allen Bürgern gefallen“, sagte er. Durch eine Amazon-Ansiedlung habe man die Chance, die Verkehrssituation an der Ueser Kreuzung langfristig zu verbessern. Doch auch das machte Ditzfeld deutlich: „Die Gespräche mit Amazon sind noch nicht beendet, noch ist kein Vertrag unterschrieben.“
Ob es zu einer Ansiedlung von Amazon in Achim kommt, entscheidet letztlich der Stadtrat, der den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan fällen muss, der sich auf den notwendigen Straßenausbau bezieht. Ob das Weihnachtsgeschäft 2019, wie ursprünglich von Amazon hinter verschlossenen Türen kommuniziert, erreicht werden kann, hängt davon ab, ob das Verfahren glatt weiterläuft. Grundsätzlich ist es laut Eichenseher so, dass man ein Logistikzentrum „nicht einfach anschaltet“, sondern langsam hochfährt. Im Standort Achim sieht Amazon den großen Vorteil der Nähe zu den Großstädten Bremen, Hamburg und Hannover, die über die Autobahn von Achim-Ost aus gut zu erreichen sind. „Je näher wir an solchen Städten sind, desto höher ist der Anteil unserer Mitarbeiter, die den ÖPNV nutzen“, sagte der Sprecher und nannte das Beispiel Winsen/Luhe. Von Achim aus würde ganz Europa mit Waren beliefert.