Modernere Filialen mit W-Lan, warmen Snacks, handgemachten Backwaren und mehr Service sowie demnächst einer App für Vorbestellungen und Lieferungen: Nach drei Insolvenzen seit 2013 soll nun der komplette Neustart der Achimer Stadtbäckerei GmbH, die 33 Garde-Bäckereien betreibt, gelingen. Daran arbeiten derzeit Sebastian Rümmelin, Gesellschafter der neuen Eigentümerin "Back und mehr Nord" GmbH, und sein Kollege Roberto Ferrari. Sie haben nach eigenen Aussagen jeden Stein in dem Unternehmen umgedreht und stellen es derzeit neu auf. Ferrari fungiert momentan als Interimsgeschäftsführer, im August soll dann ein bereits gefundener neuer Geschäftsführer diesen Part übernehmen. Karsten Jarick, der seit rund 20 Jahren die Geschicke der Stadtbäckerei gelenkt hat, habe das Unternehmen kürzlich auf eigenen Wunsch verlassen, erklärten Rümmelin und Ferrari.
Seit gut einem Jahr wirken sie bereits in Achim, sollten zunächst nur ein Konzept für das abermals in Schieflage geratene Bäckereiunternehmen zur Verfügung stellen und wurden dann gefragt, ob sie es kaufen wollen. "Es gab Vieles, was dagegen sprach, wir haben es dann aber doch gemacht und wollen nun langsam wachsen, um den Namen Garde nach vorne zu bringen", sagt Rümmelin. Der Unternehmer kommt eigentlich aus der Fleischbranche und aus dem Lebensmittelhandel, sein Partner Ferrari aus dem Gastrobereich. Von daher hätten sie die Stadtbäckerei – die Zentrale in Achim-Uesen und sämtliche Filialen – mit dem Blick von außen und ihrer Erfahrung ganz gut durchleuchten können. Und so machten sie diverse Baustellen aus, an denen ihr Know-how gefragt war, erzählte das Verkaufsleiter-Duo bei einem Rundgang durch den Firmensitz.
Auf links gezogen
Den haben sie übrigens komplett auf links gezogen: Ein ehemaliger Abstellraum wurde in einen großzügigen Schulungsraum umgewandelt, in dem es für Übungen und Rollenspiele auch einen Verkaufstresen gibt. Und sie haben alte Meisterbriefe und Fotos an die Wand hängen lassen, um die Mitarbeiter daran zu erinnern, welche gewaltige Tradition die Bäckerei mit ihrem Ursprung im Jahr 1797 hat. "Darauf kann und sollte man doch stolz sein", betont Sebastian Rümmelin in dem Raum, in dem das Deutsche Rote Kreuz zwei Mal in der Woche die Belegschaft auf Corona testet. Rund 80 Mitarbeiter arbeiten in der Verwaltung, im Verkauf und in der Produktion am Hauptstandort in Uesen, insgesamt seien es 420, darunter 26 Lehrlinge. "Wir haben nach der Übernahme niemanden entlassen und auch keinen einzigen Urlaubstag gestrichen", sagt Roberto Ferrari.
Was sie aber gestrichen hätten, das seien weitgehend die Maschinen in der Produktionsstätte gewesen. "Hier ist es jetzt überall sehr luftig, da wir ausgemistet haben", beschreibt Rümmelin den Umstand, dass die Bäckerei nun komplett auf handgemachte Backwaren umgesattelt habe, um eine bessere Qualität zu bieten. 22 Container mit je 30 Kubikmetern Fassungsvermögen seien gefüllt worden mit Einrichtungsgegenständen und so verwundert es beim Blick in die Hallen nicht, dass noch jede Menge Platz vorhanden ist. "Die Produktionsstätte ist eigentlich für hundert Filialen ausgelegt", weiß Ferrari. Bis vor zwei Jahren waren es noch 45 Filialen in und um Bremen sowie in den Regionen Cuxhaven und Buxtehude/Stade, wo sich Garde auch stark verankert sieht. Einige gibt es mittlerweile nicht mehr, beispielsweise die beiden Garde-Bäckereien bei Dodenhof, andererseits hat die Gesellschaft zwischenzeitlich acht Filialen der insolventen Neuber-Bäckerei übernommen.
Bio-Zertifikat wird angestrebt
Neben dem angestrebten Wachstum möchte die Stadtbäckerei in den nächsten Jahren auch ein Bio-Zertifikat bekommen. "Dafür müssten wir dann aber ein weiteres Gebäude anbauen", sagt Ferrari. Mit Produktionsleiter Michael Valenta ist zumindest ein verantwortlicher Bäckermeister an Bord, der auch Bio gelernt hat. "In Handarbeit zu backen, ist natürlich viel aufwendiger und personalintensiver", erzählt er, während seine Kollegin Catharina Barck gerade händisch kleine Kuchen mit Sahne verziert. 17.000 Brötchen, 9000 Brote und 1600 Torten und Kuchen verlassen jeden Tag die Achimer Produktionsstätte, von sieben Fahrern werden sie zu den einzelnen Filialen gebracht.
Von denen ist die Hälfte bereits modernisiert worden: Zeitgemäßere Inneneinrichtung, Sortimente und Gestaltung sind die Schlagworte. "Aber wir gucken uns jeden einzelnen Standort genau an und auch dessen Umfeld sowie Klientel, bevor wir entscheiden, wie er zu gestalten ist", sagt Rümmelin. So erstrahlt die umgebaute Stadtbäckerei gegenüber dem Achimer Amtsgericht nun seit Sonnabend in neuem Glanz. "Sie wirkt jetzt edler - aber auch nicht zu viel, schließlich wissen wir, dass hauptsächlich Ältere dort die Stammkundschaft bilden", fügt er hinzu. Verstärkt wolle das Unternehmen nun für den Servicebereich in den Cafés Mitarbeiter aus dem Gastrobereich gewinnen, die die Kunden an ihren Plätzen bedienen. Sie sollen künftig je nach Standort auch Pizzen, Burger oder Fleisch in der Bäckerei anbieten können, wobei der Begriff "Bäckerei" dann nicht immer passend ist.
Powerbanks und Steckdosen
Denn mittlerweile werden daraus Bistros oder Brasserien, bei Garde in Stade etwa werden abends Tapas und Wein gereicht. Und neben einem neuen Logo gibt es in den bereits umgebauten Filialen etwa Steckdosen für die Smartphones der Kunden oder auch gegen ein Pfand leihweise eine Powerbank zum Aufladen der Geräte. Eine neue Homepage und eine App folgen nun, mit der die Kunden mit einer Stunde Vorlauf sich Backwaren und Snacks liefern oder zum Abholen in Tüten packen lassen können. Das wird in der Region erstmal nur in der Filiale am Hauptsitz in Achim getestet. "Wir wollen mal sehen, wie das angenommen wird", sagen Rümmelin und Ferrari, die nach eigenem Bekunden keine Angst davor hätten, Neues auszuprobieren und ganz fest an den langfristigen Erfolg glauben.