Achim. Der Landkreis Verden muss sich nun sputen, weil offenbar die ehemalige Landesregierung eine EU-Forderung nicht frühzeitig umgesetzt hat. Bis zum Jahresende müssen Naturschutzgebiete auch politisch geschützt sein und dafür muss die bestehende Schutzgebietsverordnung für das Areal „Sandtrockenrasen Achim“ formell verändert werden. So will es die europäische Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie. Klingt wie ein bürokratischer Akt, der allerdings zu ganz praktischen Problemen in Achim führt und das Gebiet rund um den Ellisee betrifft. Denn wenn die neue Verordnung für das 58 Hektar große, in Bierden und Uphusen gelegene Gebiet in Kraft tritt, ist das Betreten des Areals nur auf offiziellen Wegen erlaubt, von denen Spaziergänger nicht abweichen dürfen. In dem Wörtchen „offiziell“ steckt nun aber ein Problem, das zunächst dazu führt, dass das Naturschutzgebiet nicht wie bisher betreten werden darf. Denn anerkannte, öffentliche Wege gibt es dort derzeit noch nicht.
Es existieren in dem Naturschutzgebiet lediglich Trampelpfade, die von Spaziergängern, Hundebesitzern und Erholungssuchenden benutzt werden. Die Pfade führen zum größten Teil aber über private Flächen, für die deren Eigentümer zwar Grundsteuern zahlen, die aber von Fremden genutzt werden. „Offizielle Wege möchten die Eigentümer nicht auf ihren Flächen“, weiß Silke Brünn, Fachdienstleiterin beim Landkreis für Wasser, Abfall und Naturschutz. Es handele sich dabei um 20 bis 25 verschiedene Grundstückseigentümer.
Würden nun nämlich die Trampelpfade zu offiziellen Wegen, müssten die Privatleute auch für die Sicherheit der Nutzer haften. Silke Brünn nennt ein Beispiel für die Problematik: „Wenn jemand Scherben auf solch einem Weg zurücklässt und ein Spaziergänger verletzt sich daran, kann der Eigentümer haftbar gemacht werden.“ Und davor schreckten diese zurück, da sie eine Verkehrssicherungspflicht hätten. Silke Brünn weiß: „Sie müssen keine Gründe nennen, warum sie nicht möchten, dass jemand durch ihre ,Gärten' marschiert.“
Vorerst kein Rundgang mehr
Für die Achimer und auswärtige Gäste, die gerne mal ins Naturschutzgebiet wegen seiner Schönheit geführt werden, bedeutet das: Sie dürfen nur noch die Flächen betreten, die der Stadt Achim gehören. „Schön sind diese Wege nicht und das Gebiet kann auf ihnen auch nicht erlebt werden, da sie zum Teil am Rand liegen“, sagt Silke Brünn. Damit spricht sie dem Achimer Peter Hencke aus der Seele, der um das Besuchen des Naherholungsgebiets bangt. Dass man im Ellisee nicht baden dürfe, damit hätten sich andere Bürger und er ja abgefunden, dass man das Gebiet nun aber nicht mehr betreten und umrunden dürfe, das gehe nicht. Daher hat Hencke auf der Online-Bürgerbeteiligungsplattform „achim dialog“ eine Initiative gestartet, die bisher ein gutes Dutzend Unterstützer gefunden hat.
„Bei allen Verständnis für die Eigentümer, möchte ich sie bitten, sich zu fragen, ob sie wirklich ihr Eigeninteresse über das Interesse des Allgemeinwohls stellen wollen“, heißt es darin. Aber Hencke betont im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er bisher keine Gründe der Eigentümer erfahren habe, warum sie die Wege nicht zur Verfügung stellen. Auf einer Infoveranstaltung im Achimer Rathaus hätten sich die Kritiker und er jüngst damit abfinden müssen, dass die Beweggründe verschwiegen wurden. Seine Initiative hat zum Ziel, dass die Stadt Achim „umgehend ein Konzept, mit dem mindestens das jetzige Wegenetz erhalten bleibt, erarbeitet und Gespräche mit den Eigentümern führt“.
Silke Brünn weiß, dass die Stadt mit den Grundstückseigentümern sprechen will, dass es aber wohl bis zum Jahresende keine Lösung gibt, weil die Zeit nicht reicht. „Das Gebiet soll ja erlebbar sein“, betont sie. Aber im jetzt anstehenden Winter könnten die Spaziergänger schweren Herzens vielleicht auf einen Besuch verzichten. Und für die Zeit danach ist offenbar Land in Sicht. Zumindest hofft das Achims Bürgermeister Rainer Ditzfeld. „Wir müssen einen Spagat hinbekommen, einerseits die Eigentümer zufriedenstellen, andererseits die Spaziergänger“, sagt er. Endes dieses Jahres werde die Stadt auf die Eigentümer zugehen und „hoffentlich zu einer vernünftigen Lösung kommen“. Die, das erzählte Ditzfeld, könnte so aussehen, dass die Stadt den Eigentümern deren „Ödland“ abkauft und dann einen offiziellen Rundgang auf dem Gelände anlegen kann.
Planunterlagen liegen aus
Die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Sandtrockenrasen Achim“ soll vom Landkreis Verden erlassen werden. In der Zeit vom 24. September bis zum 24. Oktober liegen die Planunterlagen – der Verordnungstext mit Karte und Begründung – zuvor aber noch öffentlich im Achimer Rathaus aus. Während dieser Zeit haben die Bürger die Chance, die Dokumente anzusehen und Bedenken oder Anregungen während dieser Frist vorzubringen. Dies muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt Achim oder beim Landkreis Verden geschehen. Einzusehen sind die Unterlagen montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr sowie dienstags zusätzlich bis 18 Uhr während der Dienststunden im Fachbereich Bauen und Stadtentwicklung, in Zimmer 324. Der Verordnungsentwurf kann auch online unter der Adresse www.landkreis-verden.de eingesehen werden.