Er zappelt. Kurt Janke (68) hält einen Blankaal in der Hand, begutachtet mit Argusaugen seinen Schwanz. „Da fehlt ein Stück“, sagt er und wirft das glitschige Tier wieder zurück in das Hälterbecken. Der Berufsfischer aus Dörverden vermutet, dass der Fisch an einem Kraftwerk in eine Turbinenschaufel geraten sein könnte. Im Becken tummeln sich 150 bis 200 Kilogramm Fisch. „Das ist mein Frühlingsvorrat“, erzählt Janke und beginnt damit, das Wasser im Hälterbecken auszutauschen. Der langsam tauende Schnee hat den Schornstein seines Räucherofens in einen Zuckerhut verwandelt. „Den werfe ich aber bei diesen eisigen Temperaturen nicht an“, sagt er und patscht mit seinen Gummistiefeln und dem quietschgelben Wasserschlauch in der Hand über die nassen Fliesen vor dem Bassin mit Weserwasser.
Nach getaner Arbeit und ausgiebigem Schneeschippen macht Fischers Fritze, pardon Jankes Kurt, erst einmal Pause. Er genießt den Winter, hat endlich Zeit durchzuatmen, etwas runterzukommen. Der Februar ist ohnehin ein eher ruhiger Monat für einen Fischer wie ihn. Hinter Janke liegen schwierige Monate. Die Corona-Krise hat ihn, der zu den letzten drei Berufsfischern an der Mittelweser gehört, voll erwischt. Normalerweise beliefert er mit seinen Dörverdener Weseraalen Wiederverkäufer in der Seestadt Bremerhaven und am Steinhuder Meer, darüber hinaus natürlich auch Restaurants und Caterer in der Region. Auch sein Ladengeschäft an der Bundesstraße 215 hat schon seit einer gefühlten Ewigkeit geschlossen. „Ich bin nun einmal vom Fremdenverkehr und von der Gastronomie abhängig“, betont Kurt Janke.
Der Dörverdener fährt nach eigener Aussage bereits seit nahezu einem Jahr beruflich „mit halber Kraft“. 2020 sei ohnehin nur ein „durchschnittliches“ Fangjahr gewesen, aufgrund der Pandemie habe er die Fangintensität dann noch einmal angepasst. Der Blankaal-Fang sei wegen des niedrigen Wasserstandes Ende des vergangenen Jahres nur schwer in Gang gekommen, „weil es keinen Niederschlag gab, fehlte einfach der letzte Schub“. Erst zu Weihnachten sei es richtig losgegangen, erinnert sich der Fischer aus dem Weserdorf. „Wenn es hier bei uns in Dörverden ordentlich schüttet, hilft mir das nichts, die Quellflüsse der Weser entspringen schließlich in den Mittelgebirgen“, gibt Janke dem Laien ein wenig Nachhilfe in Sachen Geografie. Stimmt ja, wo Werra und Fulda sich küssen.

170.000 Glasaale pro Jahr
Da immer weniger Glasaale die Weser hinauf ziehen, setzt Janke bereits seit Jahren rund 170.000 Glasaale pro Jahr aus. „Es gibt zwar Zuschüsse dafür, aber unter dem Strich bleibt für mich immer noch ein Eigenanteil in Höhe von 6000 Euro.“ Von der sogenannten März-Hilfe (Corona) konnte er letztendlich einen Teil seiner Zahlungsverpflichtungen begleichen.
Weil vor dem Wintereinbruch am vergangenen Wochenende sogar Eisgang auf der Weser befürchtet wurde, hat der 68-Jährige noch rechtzeitig seine Netze eingeholt. Zu den traditionellen Winterbeschäftigungen eines Berufsfischers gehört es natürlich auch, das Scherbrett zu kontrollieren. „Daran befestigte ich den Hamen“, erklärt Janke. Beim Hamen handelt es sich um das spezielle Fanggerät für die abwandernden Aale.
Ab zweistelligen Wassertemperaturen fährt Janke wieder mit seinem Boot den Fluss hinaus. Er räuchere immer noch konventionell. Nachdem die Blankaale in milde Salzlake eingelegt wurden, facht er „ein ordentliches Lagerfeuer“ an und räuchert den Fisch bei durchschnittlich 70 Grad auf Buchenholz.
Der Aalfischer aus Dörverden gehört einer aussterbenden Spezies an, neben ihm gibt es an der Mittelweser nur noch in Nienburg und Landesbergen Berufsfischer. „Nachwuchs gibt es, mein Neffe ist zum Beispiel ausgebildeter Fischwirt mit Schwerpunkt Seen und Flussschifferei, aber uns Fischern wird von allen Seiten nur das Leben schwer gemacht“, beklagt er. Damit spielt Janke nicht nicht nur auf die Corona-Pandemie an, sondern auch auf das Dickicht der Vorschriften sowie die „enorme Freizeitnutzung“. „Heutzutage wird immer weniger Rücksicht auf die Rechte des Fischers genommen“, erzählt der Fischer von zerschnittenen und teilweise auch gestohlenen Netzen sowie aufgebrochenen Hälterbecken.
Die Gummistiefel will Janke noch lange nicht ins Regal stellen. „Ich bleibe Berufsfischer, solange ich mich auf dem Boot halten kann.“
Der Lebenszyklus des Aals
Aale schlüpfen im Bermudadreieck, der sogenannten Sargassosee nahe den Bahamas. Mit dem Golfstrom werden sie an die Küsten gespült und wandern dann als Glasaale in unseren Breiten Flüsse wie die Weser hinauf. In den Süß- und Brackgewässern futtern sich die Fische acht bis zwölf Jahre lang ordentlich Pfunde an. In diesem Stadium werden sie Gelb- oder Steigaale genannt. Die abwandernden Aale (Blank- oder Silberaale) zieht es schließlich im Herbst zum Laichen wieder nach Hause in die Sargassosee zurück, wo sie später verenden. „Ein Kilogramm Mutteraal produziert rund eine Million Eier“, erläutert der Dörverdener Berufsfischer Kurt Janke.