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Besuch im Kleinbahnbezirk Landwirtschaftsministerin informiert sich über Allerrenaturierung

Dorfentwicklung, Allervielfalt, Flurbereinigung: Im Kleinbahnbezirk tut sich eine Menge. Von den nicht ganz konfliktfreien Projekten hat sich nun Niedersachsens Landwirtschaftsministerin ein Bild gemacht.
23.04.2024, 16:23 Uhr
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Landwirtschaftsministerin informiert sich über Allerrenaturierung
Von Jörn Dirk Zweibrock

Hoher Besuch aus Hannover: Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) hat am Montagnachmittag den Kleinbahnbezirk besucht und sich dabei ein Bild vom Zusammenspiel aus Dorfentwicklung, Allervielfalt und Flurbereinigung gemacht. Trotz allem Lob gab es aber auch kritische Stimmen, denn die geplante Flurbereinigung sorgt teilweise für Nutzungskonflikte mit den heimischen Landwirten. Beim Blick auf das jüngste Winterhochwasser und die vorangegangenen drei Dürre-Sommer hob die Bündnisgrüne noch einmal die Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels hervor.

Als hätten es die Kreisverdener extra für die grüne Ministerin bestellt, arbeitete gerade zufällig ein Baggerschiff in der Aller bei Eitze. Beim Blick vom Allerhang, Höhe Eitzer Fähre, erläuterte Ortsbürgermeister Anja König, dass auf der gegenüberliegenden Seite gerade die Uferbereiche im Zuge des Projekts Allervielfalt renaturiert werden. Aufgrund des Allerhochwassers sei der Schwimmbagger erst später als ursprünglich geplant zum Einsatz gekommen.

Zug um Zug in die Zukunft

König erklärte der Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, welche Chancen sie künftig in der insgesamt sechs Dörfer und 5600 Menschen umfassenden Dorfregion Kleinbahnbezirk sieht, und beschrieb die vielfältigen historischen, sozialen und kulturellen Verbindungen zwischen der Verdener Ortschaft Eitze und den fünf Dörfern aus der Gemeinde Kirchlinteln. "Zug um Zug in Richtung Zukunft" – so der Slogan der interkommunalen Dorfregion – wollen die Menschen aus dem Kleinbahnbezirk nun die Lebensqualität in den Ortschaften anhand dreier Handlungsfelder (Leben im Kleinbahnbezirk, Aktiv im Kleinbahnbezirk und Blau-Grün im Kleinbahnbezirk) optimieren. Der Dorfentwicklungsplan, das sogenannte Regiebuch für die Dorfentwicklung, befindet sich gerade in der Feinabstimmung, die ersten Projektgruppen bereits in Gründung.

Die Schaffung von bezahlbarem und vor allen Dingen barrierefreiem Wohnraum auf dem Land, Freizeitangebote für die Jugend, möglicherweise die Schaffung einer Tagespflegeeinrichtung für Senioren, alternative Mobilitätsangebote sowie die Stärkung des vor Ort stark verankerten Ehrenamtes sind einige der Themenfelder, die nun gemeindeübergreifend Zug um Zug im Zuge der Dorfentwicklung angegangen werden sollen. "Gemeinsam sind wir besser", brachte es die Eitzer Ortsbürgermeisterin auf den Punkt.

Landwirte machen sich Sorgen

Staudtes Vorgängerin hatte die Dorfentwicklung immer wieder als "Konjunkturprogramm für den ländlichen Raum" bezeichnet. In diesem Kontext legte die heimische Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth (SPD) dar, dass der niedersächsische Landtag voraussichtlich im Sommer eine neue Bauordnung beschließen wolle. Dadurch sollten die Hürden für den Bau und Umbau von Objekten gesenkt werden. Künftig soll es beispielsweise Privatleuten erleichtert werden, ihren Dachboden zu Wohnraum ausbauen. Im Zuge der Dorfentwicklung werden bekanntlich sowohl öffentliche als auch private Vorhaben gefördert.

Beim nächsten Vor-Ort-Termin am Schöpfwerk in Luttum-Hohenaverbergen erläuterte der Projektverantwortliche Thomas Arkenau noch einmal das über 22 Flusskilometer angelegte Projekt Allervielfalt, in das auch der benachbarte Heidekreis einbezogen werden soll.

Aus Sicht der Landwirte- und Grundeigentümer nahm Claus-Hermann Hoops aus Luttum, seines Zeichens auch Vorsteher des Deichverbandes, schließlich Stellung zur Renaturierung der Allerniederung. Sollte es dadurch zu flächenmäßigen Einschränkungen für die Landwirtschaft kommen, befürchte er eine "Abstockung" des Viehbestandes und damit verbunden finanzielle Einbußen für die heimische Bauernschaft. Die Wiesen an der Aller werden vorwiegend als Futteranbauflächen für die heimische Milchviehwirtschaft genutzt. Auch durch die zu erwartende Zunahme von Naherholungssuchenden (Spaziergänger, Wanderer, Fahrradfahrer) in der Allerniederung sieht Hoops mögliche Nutzungskonflikte. Deswegen sei eine gezielte Besucherlenkung vonnöten.

Flurbereinigung soll in Luttum starten

Das geplante Flurbereinigungsverfahren gliedert sich nach Aussage von Torsten Schüller vom Amt für regionale Landesentwicklung in Verden in drei Teile, die voraussichtlich in drei aufeinanderfolgenden Jahren umgesetzt werden sollen: Luttum (2024), Lehrde und Otersen. Getragen wird die Flurbereinigung von einer Teilnehmergemeinschaft, rund 100.000 Euro müssen dafür von den Grundeigentümern aufgebracht werden. „Allervielfalt Luttum“ ist Teil des Flurbereinigungsprogramms 2024 bis 2028, mit dem das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz insgesamt zwölf neue Verfahren mit 17,4 Millionen Euro fördert.

Bereits bei der Anfahrt zum Schöpfwerk in Luttum wurde deutlich, wie eng das landwirtschaftliche Wegenetz in der Allerniederung doch eigentlich ist – für zwei Verkehrsteilnehmer ist es nahezu unmöglich, sich dort zu begegnen, zumal die landwirtschaftlichen Maschinen in den vergangenen Jahren immer größer, schwerer und breiter geworden sind. Im Zuge der Flurbereinigung könnte nach Angaben von Schüller künftig ein Rundweg für landwirtschaftliche Verkehre wie in Holtum entstehen.

Die Flurbereinigung sei ein "sinnvolles Instrument", landwirtschaftlichen Verkehr von anderen zu trennen, betonte Hoops. Durch die Schaffung von größeren Flurstücken könnten beispielsweise marode Brücken überflüssig gemacht werden.

Beispiel für gute Nahversorgung

Stichwort Wassermanagement: Der Landwirt aus Luttum machte noch einmal deutlich, wie sehr das Winterhochwasser doch eigentlich dem Grünland, vor allem in Hohenaverbergen, geschadet habe. "Das Wasser stand dort von Weihnachten bis Ostern." Und noch einen Nutzungskonflikt beschrieb Hoops: den zwischen Weidetierhaltern und dem Wolf. Der Landwirt sorgt sich davor, dass Herdenschutzzäune bei wiederkehrenden Hochwassern weggeschwemmt werden könnten. Er wies darauf hin, dass das Landvolk einen sogenannten Problemwolf töten lassen wollte, mit seinem Antrag allerdings beim Landkreis auf Ablehnung gestoßen sei.

Thema Nahversorgung: Der Besuch im bürgerschaftlich organisierten Dorfladen in Otersen rundete schließlich den Besuchsmarathon der Landesministerin im Kleinbahnbezirk ab. Sie zeigte sich beeindruckt davon, wie durch ein digitalisiertes Kassensystem den Kundinnen und Kunden ermöglicht wird, Waren selbstständig zu erfassen und so außerhalb der klassischen Öffnungszeiten täglich bis 21 Uhr einkaufen zu gehen.

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