Grasberg. So ganz so leicht fällt es Gregor Schoepe gar nicht, sich für ein „Spiel des Lebens“ in seiner ereignisreichen Laufbahn zu entscheiden. Da gab es einige. Emotional waren ja zum Beispiel auch die Fußball-Partien mit seinem SV Blau-Weiß Bornreihe gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck mit bis zu 2500 Zuschauern. Doch etwas ganz Besonderes erlebte er mit dem TSV Ottersberg, dessen Kapitän er war.
Der heute 42-Jährige trat mit seinem Team gegen den SV Werder Bremen an. Zweimal sogar. 2006 als Sieger des Presse-Supercups, den der WESER-KURIER viele Jahre lang für die Vereine der Region veranstaltete, sowie 2008 erneut gegen Werder in einem Sponsoren-Spiel. Ging das erste Aufeinandertreffen des Bezirksoberligisten TSV Ottersberg mit Werder noch erwartungsgemäß 0:10 aus, so stand zwei Jahre später ein achtbares 1:5 zu Buche. Ottersberg hatte gerade den Aufstieg in die Niedersachsenliga geschafft, Werder reiste als deutscher Vizemeister und Champions-League-Qualifikant an die Wümme.
Nehmen wir also das 2008er-Duell am 11. Juli zum Ausgangspunkt dieser Zeilen. Jenes 1:5 der Amateure gegen die Profis war nun alles andere als ein Klatsche. Da wird Schoepe, der heute in Grasberg wohnt, sich doch sicher an den Ehrentreffer seines Teams erinnern, oder nicht? „Ich weiß nur, dass wir wahnsinnig gejubelt haben“, erzählt Schoepe und gibt zu: „Einige Dinge der beiden Spiele gegen Werder vermischen sich.“ Im WESER-KURIER war er natürlich ausführlich beschrieben, jener Treffer zum zwischenzeitlichen 1:4 in der 65. Minute: „Ein Produkt der Zwillinge Mirko und Patrick Peter: Rechtsverteidiger Mirko flankte, Linksverteidiger Patrick drosch den Ball ins Tor.“
Zwei andere Situationen freilich hat Schoepe „im Kopf, als wären sie gestern gewesen“. Er habe Werders Jurica Vranjes nach dem Spiel beim Auslaufen gefragt, warum er in der Bundesliga nicht so spielt wie heute gegen Ottersberg. Der Profi habe grinsend geantwortet: „Das ist Bundesliga, mein Freund.“ Vranjes sei oft Kabinenthema auch in Ottersberg gewesen. Schoepe: „Kein Mut, keine Technik, kein gutes Passspiel. Das war die Meinung von allen. Auch ich habe vor dem Fernseher über ihn und seine Spielweise oft geschimpft. Gegen uns im Spiel war er aber unglaublich. Er spielte 40-Meter-Diagonalpässe sehr präzise und war für uns im Mittelfeld nicht zu greifen.“ Oder Vranjes habe einen Flankenball mit der Brust angenommen und ihn dann volley 30 Meter in den Fuß eines Mitspielers gespielt.

Einer der Texte, die die Achimer Regionalausgabe des WESER-KURIER seinerzeit zum Spiel des TSV Ottersberg gegen den SV Werder Bremen veröffentlichte.
Werder war nicht mit allen Stars angereist: Mertesacker, Frings oder Diego beispielsweise fehlten urlaubsbedingt. Dafür liefen andere bekannte Größen auf: Özil, Harnik, Hunt oder Naldo. Besonders Letzterer, der lange Brasilianer, ließ die Ottersberger oft staunend zurück. Bei Eckbällen sei Naldo gegen Ottersbergs kopfballstärkste Akteure Oliver Freund, ein Ex-Profi übrigens, und Mustafa Colak eine ganze Etage höher gesprungen. Schoepe: „Das war unglaublich, wie hoch der Naldo sich zum Kopfball schrauben konnte. Diese Beispiele sind das, was aus meiner Sicht der größte Unterschied ist zwischen Amateuren und den Profis. Dazu die Geschwindigkeit bei allem, was sie auf dem Platz tun, und die körperliche Fitness und taktische Präzision.“
Auf dem Bildschirm sehe es immer ein bisschen langsamer aus als in Wirklichkeit, so der Eindruck von Gregor Schoepe, auch wenn sich der Fußball nun auch von der Geschwindigkeit her weiter entwickelt habe. In der heutigen Zeit seien gerade Typen wie Coman, Reus oder Rashica unglaublich schnell.
Gregor Schoepe, damals 30 Jahre alt, relativiert dann aber auch: „Für mich als Spieler waren die beiden Spiele das Highlight, obwohl nicht viel Zeit zum Genießen war. Du musstest sehr, sehr viel laufen und warst im Ballbesitz ständig unter Druck. Über die 90 Minuten hinweg waren unsere jungen Spieler sehr nervös und mussten beruhigt werden. Ich habe ihnen gesagt: Das hier ist etwas zum Genießen. Wir waren dann alle sehr fokussiert vor dem Spiel. Da ist keinem was Flapsiges rausgerutscht.“
Mit den vielen Zuschauern, der Vorfreude und den glücklichen Gesichtern im Verein habe er diese Momente gut im Gedächtnis einschließen können: „Vor allem, wenn man die leuchtenden Augen der jungen Werder-Fans gesehen hat.“ Freilich sorgten die auch für die Kehrseite der Medaille, wie Gregor Schoepe noch erzählt: „Nach dem Spiel wollten die Werder-Kids ja Autogramme haben – und sind an uns vorbei zu den Profis gelaufen.“
Böse sei deshalb aber niemand gewesen: „Wir hatten hinterher eine schöne Feier mit ganz vielen Gesprächen über die Zweikämpfe mit den Werderanern.“ Für den TSV Ottersberg war es einfach der perfekte Abend, für Gregor Schoepe sein Spiel des Lebens.

Aktuell coacht Gregor Schoepe den Osterholzer Kreisligisten TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf.
Gregor Schoepe (42)
spielte sieben Jahre – unterbrochen von einem halben Jahr beim FC Oberneuland – beim SV Blau-Weiß Bornreihe, ehe er 2003 zum TSV Ottersberg wechselte. Von dort führte ihn 2009 der Weg für ein halbes Jahr zum VSK Osterholz-Scharmbeck und wieder zum TSV Ottersberg in die zweite Mannschaft bis Ende 2011 unter Coach Abdul Bouba. Er setzte seine Laufbahn dort als Spielertrainer fort, dann als reiner Trainer. Den TSV Fischerhude-Quelkhorn coachte er für drei Jahre, den FC Worpswede für 1,5 Jahre. Nach einem Jahr Pause übernahm Schoepe im vergangenen Sommer die TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf. Das Fußballspielen lernte er bei Gornik Zabrze, dem „damaligen FC Bayern Polens“ (Schoepe). Im Alter von zehn Jahren kam Schoepe nach Deutschland, spielte in Marßel, Lesum und bei OT Bremen. Dort schaffte er es bis in die A-Jugend Regionalliga-Nord. Der Sozialpädagoge wohnt in Grasberg, ist liiert und hat einen sechsjährigen Sohn aus einer früheren Beziehung.
Der bejubelte Aufstieg oder ein tränenreicher Abstieg. Ein unvergessener Sieg, oder die bittere Niederlage in letzter Sekunde. In unserer neuen Serie „Spiel meines Lebens“ erinnern sich Sportlerinnen und Sportler an den größten Moment ihrer Laufbahn – ganz egal, ob positiv oder negativ.
Weitere Informationen
Freitag, 11. Juli 2008:
Freundschaftsspiel
TSV Ottersberg – Werder Bremen 1:5 (0:3)
TSV Ottersberg: Eggert; Peter (65. Wahlers), Colak, Freund, Peter (80. Palloshi), Nowotny (46. Moritz Becker), Ribeiro, Koltonowski, Goncalves (46. Czichos), Schoepe (87. Ferhad Kadah), Behrens (65. Örün)
Werder Bremen 1. Halbzeit: Wiese; Tosic, Naldo, Prödl, Boenisch, Baumann, Bargfrede, Hunt, Jensen, Testroet, Heider
Werder Bremen 2. Halbzeit: Pellatz; Prödl, Heider, Vranjes, Mesut Özil, Husejinovic, Niemeyer, Andersen, Harnik, Kruse, Alparslan
Tore: 0:1 Pascal Testroet (1.), 0:2 Aaron Hunt (6.), 0:3 Daniel Jensen (22.), 0:4 Niklas Andersen (59.), 1:4 Patrick Peter (65.), 1:5 Marc Heider (86.)
Schiedsrichter: Frank Hüller (TSG Wörpedorf)
Zuschauer: 5000