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"Mythos Palace“ Drei Tote: Als vor 25 Jahren ein Hotel in Thedinghausen explodierte

Die verheerende Explosion in Thedinghausen vor 25 Jahren sorgt auch heute noch für Gesprächsstoff. Was genau passierte in den Morgenstunden des 24. Juli 2000? Was waren die Hintergründe? Wir blicken zurück.
24.07.2025, 06:52 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Es war ein gewaltiger Knall, der in der Nacht zum 24. Juli 2000, einem Montag, viele Menschen in Thedinghausen aus dem Schlaf riss. Gegen 4.30 Uhr verwandelte eine Explosion im Hotel-Restaurant „Mythos Palace“ das Gebäude des ehemaligen „Braunschweiger Hof“ in ein Trümmerfeld. Drei Übernachtungsgäste, ein Ehepaar aus dem Sauerland und ein Mann aus der Schweiz, verloren ihr Leben. Seine Frau wurde mit schwersten Verletzungen aus dem eingestürzten Teil des Hauses geborgen. Zwei Fahrradtouristen aus Frankfurt kamen wie durch ein Wunder unversehrt davon. Im Ort herrschten Ausnahmezustand und Fassungslosigkeit. Eine Gemeinde stand unter Schock. Und schon bald kursierten Gerüchte, das verheerende Geschehen könnte nicht auf einen technischen Defekt zurückzuführen sein, sondern kriminelle Hintergründe haben. Ein Rückblick auf die Ereignisse von vor 25 Jahren:

Ermittler auf Spurensuche

Ein Anschlag? Versicherungsbetrug? Darauf deutete bald alles hin. Es dauerte nicht lange, bis Beamte der Verdener Kripo, unterstützt durch Spezialisten des Bundeskriminalamtes, zumindest zweierlei festgestellt hatten: Unglücksursache war offenbar eine Gasexplosion, und diese wurde vorsätzlich herbeigeführt. Spurensuche und Analysen hätten ergeben, dass die Gasleitung im Keller des Gebäudekomplexes geöffnet worden sei, sagte Oberstaatsanwalt Roland Herrmann am 31. Juli 2000 auf einer Pressekonferenz. Im Keller sei die Hauptgasleitung geöffnet worden. Nach Gutachter-Berechnungen könnte das Gas bis zu zweieinhalb Stunden ausgeströmt sein. Auf welche Weise an der Leitung manipuliert worden sei, solle aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitgeteilt werden.

Aussagen machen stutzig

Konkrete Hinweise auf den oder die Täter lägen bislang nicht vor. Es sei „alles möglich“, sagte Herrmann. Die Tat könnte „zugunsten des Hotelbetreibers“, somit in dessen Auftrag begangen worden sein. Denkbar sei aber auch, „dass jemand einen Konkurrenten loswerden“ wollte. Der griechische Wirt habe bei Vernehmungen berichtet, seine wirtschaftliche Lage sei sehr schlecht. Am Tag der Explosion befand er sich in seinem Heimatland. Dass der Gastronom trotz einer laufenden Jubiläumsaktion mit reduzierten Restaurantpreisen verreist gewesen sei, habe der 45-Jährige „ganz plausibel mit einem Arbeitsurlaub erklärt“, so die Kripo. Die Aussagen des Mannes seien „in sich schlüssig“. Stutzig mache allerdings, dass er schon einmal unter mysteriösen Umständen einen Betrieb verloren habe. 1990 war sein Lokal in Kirchweyhe (Kreis Diepholz) durch eine bis dato nicht aufgeklärte Brandstiftung in Flammen aufgegangen.

Sonderkommission „Ikarus“ gegründet

Für die 20-köpfige Sonderkommission „Ikarus“ gab es noch viel zu tun. Das vom Verdener Hauptkommissar Wilfried Barnick geleitete Team bestand aus 20 Kriminalisten, die aus dem gesamten Regierungsbezirk Lüneburg zusammengezogen wurden. Dass die Soko so hieß wie die noch nicht konzessionierte, mit „Erotik pur“ beworbene Nachtbar im „Braunschweiger Hof“ hatte angeblich nichts zu bedeuten.

Während die Ermittlungen weiterhin auf Hochtouren liefen, gingen die Reparaturarbeiten in Thedinghausen mehr oder weniger mühsam voran. Im weiten Umkreis des völlig zerstörten 14-Zimmer-Hotels im Ortskern hatte die enorme Druckwelle, die durch die Detonation erzeugt wurde, zum Teil erhebliche Schäden angerichtet. 60 Häuser wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Versicherungsexperte schätzte den Gesamtschaden seinerzeit vorsichtig auf etwa sieben Millionen Mark.

Verdacht erhärtet sich

Fast genau drei Monate nach der Explosion hatte sich der Verdacht gegen den Inhaber des Multi-Betriebes an der Braunschweiger Straße so sehr verdichtet, dass er in Untersuchungshaft wanderte. Und nicht nur er: Auch ein 18-jähriger Staatenloser, der zeitweise als Aushilfskraft für den Griechen arbeitete, wurde hinter Gitter geschickt. Der vermutlich aus Syrien stammende junge Mann soll die eigentliche Tat auftragsgemäß verübt haben. Das Motiv sieht die Staatsanwaltschaft in der „prekären finanziellen Situation“ des umtriebigen Gastronomen – es drohte die von diversen Gläubigern in Gang gebrachte Zwangsversteigerung. Die Immobilie sei mit einem Vielfachen des einstigen Kaufpreises, eine Million Mark, versichert gewesen. Auch der Fall des Lokalbrandes in Kirchweyhe sollte noch einmal neu beleuchtet werden.

Eine komplizierte Verhandlung

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Verden vergingen noch gut zehn Monate. Und über acht Monate sollte sich der komplizierte Indizienprozess um Dreifachmord und mehr hinziehen. Als er Anfang Mai 2002 endlich auf die Zielgerade gelangte, hatte die 3. Große Strafkammer an 47 Tagen mehr als 80 Zeuginnen und Zeugen vernommen. Die Verteidiger des Griechen waren nicht müde geworden, ihren Mandanten als armes Unschuldslamm darzustellen. Sie sparten auch nicht mit Kritik an den Ermittlungsbehörden, die sich schnell auf einen „Wunschtäter“ konzentriert und andere Hinweise nicht oder nur halbherzig verfolgt hätten. Der Mann sei zudem aus Rachelust durch eine „frustrierte Ex-Geliebte“ belastet worden.

Das Urteil

Im voll besetzten Schwurgerichtssaal wurde schließlich am 10. Mai 2002 das Urteil verkündet. Für den Hauptangeklagten lautet es auf lebenslänglich – wegen dreifachen Mordes, dreifachen versuchten Mordes, Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie besonders schwerer Brandstiftung. Auch mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld folgte die Kammer den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Der mittlerweile 19-jährige Küchenhelfer wurde wegen Beihilfe in allen Tatbereichen zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Die beiden Angeklagten vernahmen Schuldsprüche und Strafmaße ohne erkennbare Gemütsregung. Doch während der Vorsitzende Richter Joachim Grebe zweieinhalb Stunden lang das Urteil begründete, schüttelte der Ältere hin und wieder missbilligend den Kopf. „Er hatte als einziger ein überzeugendes Motiv“, betonte Grebe, und die Belastungszeugen könnten als durchweg glaubwürdig gelten. Diese hatten sich auch an markante Bemerkungen des Angeklagten vor dem Tattag erinnert, etwa: “Warum kann hier nicht mal ein voll beladener Tankwagen reinfahren?“ Und er wolle Hotel und Lokal loswerden – „notfalls durch Feuer“.

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