Liebe und Leidenschaft, aber auch Trauer und Dramatik zählten zum bunt gemischten Programm, mit dem die Klassische Philharmonie Nordwest auf Einladung des Kulturvereins Samtgemeinde Thedinghausen das Publikum am Sonntag beim Neujahrskonzert in der Lunser Kirche überzeugte. Als schließlich der Radetzky-Marsch von Johann Strauss (Vater) erklang, da durfte das Publikum sogar mittendrin mitklatschen. Es hat schon Tradition, dass diese Philharmonie in der Kirche St. Cosmas und Damian aufspielt. "Es müssen zuvor schon vier Auftritte gewesen sein, gefühlt aber mehr, doch dann kam Corona dazwischen“, berichtete der Dirigent und Moderator Ulrich Semrau, der nicht nur seine Instrumentalisten zu begeistern weiß, sondern mit dem Orchester und den musikalischen Werken auch immer wieder die Zuhörer zufriedenstellt.
„Im ersten Teil wollen wir Sonne und Wärme in die Herzen bringen“, versprach Semrau dem Publikum und nutzte dazu ausschließlich Werke französischer Komponisten. Doch die Oper „Carmen“ von Georges Bizet, aus der zum Auftakt Suiten zu hören waren, spielt in Spanien und vermittelte Leidenschaft und Tod. Die ersten Passagen wirkten dramatisch, die nächsten tänzerisch und majestätisch. Ruhiger und entspannender wurde es, als Querflöte und Harfe sinnbildlich in den Vordergrund traten und schließlich die Streicher einsetzten. Der Einzug der Toreros bildete den großartigen Höhepunkt. Es war ein Musikgenuss mit Kultur vom Feinsten.
Kammermusikalisch mit wunderbaren Klangfarben sprang „Die Pavane für eine verstorbene Prinzessin“, von Maurice Ravel 1899 während seines Studiums komponiert, zum Publikum hinüber. Wer die Augen schloss, erlebte die Tänzer auf seine Art. Unruhiger wurde es bei „Danse Macabre“ von Camille Saint-Saëns, bei dem durchgängig der Walzer erlebt wurde. Mit zwölf Glockenschlägen, instrumental umgesetzt, wurde das Stück eröffnet. Die Gäste wurden in eine unheimliche Atmosphäre entführt. Für den Hahnenschrei sorgte die erste Oboe. Gewollt schräge Töne kamen teilweise von Konzertmeisterin Reka Lelek.

Dirigent Ulrich Semrau moderierte und leitete durch das Konzert.
Die Alien-Suiten von Bizet, als Bühnenmusik komponiert, nahmen das Publikum mit in die Provence mit den großen violetten Lavendelfeldern. Begeistert klatschten die Besucher, als die Gladiatoren – ein Orchester-Stück von Julius Fu?ík – zum zweiten Programmteil Einzug hielten. Der Aram-Chatschaturjan-Walzer aus „Masquerade“ lag zwischen Trauer und Freude. Bei der Ouvertüre „Leichte Kavallerie“ von Franz von Suppé übernahmen die Blechbläser einen dominanten Part ein.
Klassische Werke aus der österreichischen Musikszene kommen beim Publikum stets an und ganz besonders bei Neujahrskonzerten – wie dieses Mal in Lunsen. Einer der bekanntesten Walzer von Johann Strauss (Sohn) ist der Kaiserwalzer, der nicht einmal in Wien, sondern 1889 in Berlin uraufgeführt wurde und erst später seinen aktuellen Namen bekam, wie Semrau informierte. Beschwingt nahm das sitzende Publikum die tänzerische Animation an. Die Turmuhr im Hintergrund störte mit ihren Glockenschlägen nur wenige Gäste.
Viele Neujahrskonzerte klingen mit dem Radetzky-Marsch aus, dessen Noten Johann Strauss (Vater) einst geschrieben hat. Mitklatschen war erlaubt – aber nur, wenn der Dirigent seinen Zeigefinger nicht vor den Mund hielt. Dann musste die Begleitung durch das Publikum verstummen.
Eine Zugabe gehört zu einem überzeugenden Konzert einfach dazu. Und so kam auch die Klassische Philharmonie Nordwest nicht daran vorbei. „Alle Menschen werden Brüder“ hat für den Dirigenten Semrau und seine international besetzte Philharmonie einen besonderen Bezug zum Frieden. Das stellte er besonders heraus und zwei junge Musiker im Alter von 15 und 16 Jahren vor. Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie schloss als passende Europa-Hymne ein hervorragendes Klangerlebnis in der Lunser Kirche St. Cosmas und Damian ab.