Der Fall Dario, begonnen bei der Verdener Hengstkörung 2018, und seine weitreichenden Folgen in finanzieller wie personeller Hinsicht haben schon zu etlichen Gerichtsentscheiden geführt. Auf juristischem Wege wollte jetzt auch ein Mitglied und Delegierter des Hannoveraner Verbandes erreichen, dass dieser dazu verurteilt wird, Schadenersatzansprüche gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Hans-Henning von der Decken geltend zu machen. Die Klage sei zwar zulässig, befand das Landgericht Verden, sie hat „in der Sache jedoch keinen Erfolg“. Knackpunkt ist offenbar die gegenwärtige Rechtsform des Verbandes als eingetragener Verein.
Einem Erfolg der Klage stand nach Auffassung der 1. Zivilkammer vor allem die Satzung (Stand Februar 2020) entgegen, in der auch die Rechte einzelner Mitglieder beziehungsweise Delegierter geregelt sind. Deren Mitwirkung beschränke sind demnach darauf, Anträge in der Delegiertenversammlung einzubringen und über die den Mitgliedern zugewiesenen Angelegenheiten abzustimmen. Dazu zählten aber keine „Durchführungsbefugnisse“ wie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung. Diese obliege dem Präsidium.
Unkenntnis über Krankheit
Ausgangsszenario der Klage, die Ralf-Peter Lehmann aus dem oberbayerischen Teisendorf (Kreis Berchtesgadener Land) angestrengt hat, ist ein Thema, das den Verband seit der Junghengstkörung und -auktion vor fast dreieinhalb Jahren umtreibt. Eine norwegische Kundin hatte für 120.000 Euro den Hengst Dario erworben – in Unkenntnis des kurz zuvor erfolgten tierärztlichen Befundes Shivering („Zitterkrankheit“). Davon erfuhr die Käuferin erst nach weiteren Untersuchungen in Dänemark, wo Dario als Deckhengst dienen sollte. Doch dort ist Shivering Ausschlusskriterium für den Zuchteinsatz.
Im Dezember trafen die Käuferin, die samt Nebenkosten rund 156.000 Euro berappt hatte, der Aussteller des Hengstes sowie der damalige Geschäftsführer und Zuchtleiter Werner Schade in Dänemark eine Vereinbarung. Danach sollte Dario 2019 zur Hengstleistungsprüfung antreten und anschließend erneut versteigert werden. Die schriftliche Fixierung der Vereinbarung brachte eine weitere Lawine ins Rollen. Der Verband warf Schade später unter anderem vor, pflichtwidrig die eingescannte Unterschrift des Vorsitzenden von der Decken verwendet zu haben.
Zweifel an Gültigkeit der Unterschrift
Die Gültigkeit der Unterschrift und damit rechtliche Grundlage des Vertrages wurden angezweifelt. Auf Beschluss des Gesamtvorstandes erhielt Schade Mitte Mai 2019 erst die fristlose, später dann die fristgerechte Kündigung. Dagegen ging Schade vor. Es kam zu einem langwierigen Verfahren am Verdener Arbeitsgericht. Es endete im November 2020 mit der Einigung auf einen „tragfähigen Vergleich“, wie der Verband auf seiner Homepage schrieb. Das Gericht habe im Rahmen der Verhandlungen zudem „eindeutig klargestellt“, dass es in Schades Zeit als Geschäftsführer und Zuchtleiter „zu keinen Pflichtverletzungen“ gekommen sei, die eine Kündigung gerechtfertigt hätten.
Die Parteien hatten sich auf eine Abfindung in Höhe von 145.000 Euro (brutto) verständigt und eine Auflösung des Arbeitsvertrages zum Jahresende 2019. Mithin wurden seit dem Kündigungszeitpunkt noch Gehälter fällig. All die entstandenen Kosten und Zahlungsverpflichtungen aus der Dario-Sache wären dem Verband aber letztlich nach Auffassung des aktuellen Klägers Lehmann gar nicht erst entstanden, wenn der frühere Vorstandsvorsitzende von der Decken eher die Wahrheit gesagt hätte. Die Vorstandsmitglieder hätten sonst sinngemäß nie dafür gestimmt, Schade den Laufpass zu geben.
Schaden durch "Lügengebäude"
Mitglied Lehmann, seit August 2021 auch Delegierter für den Bezirksverband Hessen-Süddeutschland, hat mit Burkhard Oexmann (Lippetal) einen versierten Anwalt an seiner Seite. Oexmann, unter anderem Fachanwalt für Pferderecht, hat in seiner Klagebegründung angeführt, von der Decken habe erst Ende Juli 2020 erklärt, von der Shivering-Diagnose bei Dario schon während der Körung gewusst zu haben. Dem beklagten Hannoveraner Verband stehe ein Anspruch von mehr als 145.000 Euro zu, da von der Decken durch sein „Lügengebäude“ einen entsprechenden Schaden verursacht habe. Zunächst sollte der Verband allerdings einen „erstrangigen Teilbetrag“ von rund 21.000 Euro geltend machen.
Oexmann hatte auch argumentiert, der Verband habe „nur die äußere Hülle“ eines Idealvereins, gleiche aber wegen seiner wirtschaftlichen Tiervermarktung in hohem Maße einer Kapitalgesellschaft. Daher seien auch die Grundsätze des „actio pro socio“ (Klage eines Gesellschafters) anwendbar. Dies hat das Landgericht ebenfalls anders gesehen. Unterm Strich steht laut Landgericht, dass kein Klagerecht bestehe. Auch die wirtschaftliche Betätigung des Beklagten führe nicht zu einer anderen Beurteilung.
Das Gericht entsprach mit der Entscheidung, die Klage abzuweisen, dem Antrag des Verbandes. Deren Anwältin hatte auch die Klage selbst als unzulässig bezeichnet. Inhaltlich hieß es, der Zeitpunkt, zu dem von der Decken Kenntnis vom Shivering-Befund bei Dario erhalten habe, sei für den Vorstandsbeschluss bezüglich Werner Schade nicht von Belang gewesen. Anwalt Oexmann erklärte auf Nachfrage, es würden Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt.