Irgendwann stehen viele talentierte Fußballer vor einer Entscheidung: Wollen sie weiter den Traum vom Profidasein verfolgen oder sich auf die berufliche Laufbahn konzentrieren. Diese Wahl musste nun der Hönischer Luis Saul, der seit Kurzem für den Landesligisten FC Verden 04 aufläuft, treffen und entschied sich dazu, den Fokus auf sein Jura-Fernstudium in Hagen zu legen. Eine Hintertür ließ es sich der 20-Jährige dennoch offen. Doch der Reihe nach.
Nachdem Saul mit sechs Jahren seine ersten Schritte als Fußballer beim SV Hönisch gemacht hatte, wechselte er mit 14 Jahren von der JSG Aller in das Internat des Bundesligisten und diesjährigen Champions League-Teilnehmers VfL Wolfsburg. "Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Aber man lebt sich schnell ein und lernt auf eigenen Beinen zu stehen", sagt Saul und blickt auf die Zeit bei den "Wölfen" zurück.
Das erste halbe Jahr teilte sich Saul ein Doppelzimmer mit einem Teamkollegen. Dies war vom Verein so vorgegeben, damit die Spieler mindestens eine Bezugsperson hatten. Dass das Internat mit harter Arbeit und einem vollen Alltag verbunden war, merkte der Hönischer schnell: "Wir hatten achtmal die Woche Training. Morgens um 8 Uhr ging es zur Schule und gegen 10 Uhr hatten wir unsere erste Trainingseinheit", erklärt Saul, der am dortigen Gymnasium sein Abitur machte. Am Nachmittag habe nach kurzer Regeneration die zweite Trainingseinheit angestanden.
Halbfinale gegen den VfB Stuttgart
"Eine lange Eingewöhnungsphase brauchte ich nicht." In seinen vier Jahren beim VfL Wolfsburg habe er viele Momente miterlebt, die in Erinnerung geblieben sind: Dazu zählt das Halbfinale der Deutschen Meisterschaft im U15-Bereich, bei der Saul und die "Wölfe" sich dem VfB Stuttgart geschlagen geben mussten. "Damals habe ich mit vielen guten Spielern zusammengespielt, wie Anton Stach (U21-Europameister und Spieler des FSV Mainz 05, Anm. d. Red.) oder Jannis Heuer vom SC Paderborn", sagt Saul.

Vor seinem Wechsel nach Kiel trug Luis Saul vier Jahre lang das Trikot des VFL Wolfsburg.
Dabei lief während seiner Zeit beim Bundesliga-Nachwuchs nicht alles immer glatt: In Wolfsburg sei er monatelang mit einer Schambeinentzündung ausgefallen. "Dies war eine schwere Zeit, da ich nicht wusste, ob oder wann es wieder weggeht“, sagt er zurückblickend. Anstatt mit seinen Teamkollegen auf dem Rasen zu stehen, musste er gemeinsam mit einem Athletik-Trainer sowie einem Physiotherapeuten ein extra Reha-Training absolvieren.
Nach überstandener Verletzung "hatte ich zwar die Möglichkeit, ein Jahr länger für den VfL zu spielen, habe mich aber zu der damaligen Zeit umgeschaut und entschlossen, einen neuen Schritt zu wagen", erklärt Saul, der bis zur U19 für die Wolfsburger spielte und damals von Thomas Reis (jetziger Trainer des Bundesligisten VfL Bochum, Anm. d. Red) trainiert wurde. Aus diesem Grund entschloss sich der 20-jährige Defensivspieler, ein Angebot des Zweitligisten Holstein Kiel anzunehmen und fortan für deren U19 in der Junioren-Bundesliga aufzulaufen.
Marktwert von 75.000 Euro
Beim Nachwuchs der "Störche" wurde er als Neuzugang direkt zum Vize-Kapitän beordert. "Jedoch wurde unsere Saison früh wegen Corona abgebrochen. Die folgenden Monate hielten wir uns mit Home-Training via Zoom und durch Fitnesspläne fit", sagt Saul, der laut dem Internetportal Transfermarkt.de einen Marktwert von 75.000 Euro besitzt sowie knapp 50 Spiele in den Junioren-Bundesligen (U17 und U19) absolvierte.
Vor dem ersten coronabedingten Lockdown und dem damit verbundenen Saisonabbruch habe er bereits einige Male bei der Regionalligamannschaft des Zweitligisten mittrainiert. "Das war vom Verein so gewollt und galt gerade für die Spieler, die in der kommenden Saison fest hoch rücken“, erklärt Saul. Nachdem er im Juli des vergangenen Jahres fest in die Regionalliga-Mannschaft gewechselt war, absolvierte er jedoch nur eins von sieben Spielen: "Dann kam der erneute Lockdown und die Regionalliga Nord wurde abgebrochen."
Statt dem Ball hinterherzujagen, verbrachte Saul zunehmend mehr Zeit am Schreibtisch: Denn er begann ein Jura-Studium an der Fern-Universität Hagen. Bei der ersten Mannschaft mitzutrainieren, sei nicht möglich gewesen, da diese sich – wie alle anderen Erst- und Zweitligisten – ebenfalls in ihrer eigenen "Blase" befanden. "Im Sommer dieses Jahres ist dann mein Vertrag in Kiel ausgelaufen", sagt der bekennende Werderfan, der mittlerweile zurück in sein Elternhaus in Hönisch gezogen ist und sich im dritten Semester befindet. Daraufhin habe er sich in den verschiedenen Regionalligen nach Vereinen umgeschaut und Probe-Trainings absolviert – auch beim Bremer Regionalligisten FC Oberneuland.
Neue Prioritäten
"Anfangs wollte ich noch unbedingt Regionalliga spielen", sagt er. Jedoch habe sich im Laufe der Zeit seine Meinung geändert: Anstatt höherklassig zu spielen, habe er eine Möglichkeit gesucht, bei dem er das Fußballspielen mit dem Studium verknüpfen könne. "Man kann ja nicht bis 35 Fußball spielen", sagt er und verweist auf die Zeit nach der Karriere: Viele Fußball-Profis bauen sich bereits während der Profi-Karriere ein zweites Standbein auf, um finanziell abgesichert zu sein.
Durch Jonas Austermann (Spieler des FC Verden 04, Anm. d. Red.) sei ein erster Kontakt zum Landesligisten entstanden, der später intensiviert wurde: Nach Gesprächen mit Nicolas Brunken (Sportlicher Leiter des FCV, Anm. d. Red.) und einigen Trainingseinheiten, habe er sich entschlossen für die Reiterstädter aufzulaufen: "Verden hat eine junge Mannschaft und ein gutes Trainer-Team. Deshalb war Verden die einzige Adresse in unmittelbarer Nähe, die für mich in Frage kam."
Doch ganz abgeschlossen mit der Profi-Karriere oder dem höherklassigem Fußball hat Saul keineswegs: "Die Tür steht immer offen. Jedoch spielen dabei viele Faktoren eine Rolle", weiß der Student, der bei Wolfsburg als Innenverteidiger und bei Holstein Kiel als Sechser auflief. "Die Sechser-Position finde ich besser, da kann man mehr für das Spiel tun“, erklärt Saul, der sich in der Landesliga keineswegs ausruhen, sondern mit seiner Fitness und technischen Fähigkeiten auftrumpfen will: "Wenn man kickt, dann richtig."