Die Digitalisierung schlägt sich in vielen Bereichen des Lebens nieder. Auch Unternehmen bietet sie Vorteile. Damit, wie sich mit neuster Technik Arbeitsabläufe optimieren lassen, beschäftigt sich Julia Arlinghaus. Die gebürtige Verdenerin – damals noch mit dem Namen Bendul – ist Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg. Im vergangenen Jahr kam auf sie allerdings noch eine weitere große Aufgabe zu: Sie wurde in den Wissenschaftsrat berufen. Gemeinsam mit Fachleuten aus verschiedensten Bereichen steht sie der Bundesregierung zur Seite.
"Der Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung, Länder und Hochschulen", fasst es Arlinghaus (39) zusammen. Die Mitglieder des Rats bereiten beispielsweise Stellungnahmen zu unterschiedlichen Themenfeldern vor. Dass ausgerechnet sie auserkoren wurde, das Team zu verstärken, empfindet die Wahl-Magdeburgerin als etwas Besonderes. Nun möchte sie die Chance, die sich ihr durch den Posten bietet, nutzen, um etwas zu bewegen. Drei Jahre hat sie dafür insgesamt Zeit.
Nur wenige Menschen werden Zeit ihres Lebens in das Gremium berufen. Davon, einmal selbst Teil der Gruppe zu sein, habe sie nicht geträumt. Gemeinsam mit Arlinghaus arbeiten Menschen aus verschiedensten Fachdisziplinen im Wissenschaftsrat. Expertinnen und Experten aus Medizin, Ingenieurwesen, aber auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bilden das Gremium. Es gliedert sich in drei Kommissionen. Arlinghaus ist in den Bereichen Evaluation und Forschung aktiv. Auch für das Themenfeld Medizin gibt es eine Gruppe.
Auseinandersetzung mit Problemen
Doch wie kommt der Rat zu seinen Aufgaben? „Im Grunde gibt es zwei Wege“, erklärt Arlinghaus. So könne es sein, dass die Bundes- oder Landesregierung nach Ratschlägen suche oder aber der Wissenschaftsrat nimmt sich auf eigene Initiative eines Themas an.
„Es laufen parallel verschiedene Begutachtungsverfahren“, erzählt Arlinghaus. Auch an den Corona-Papieren habe der Rat mitgefeilt. „Oft wird um einzelne Formulierungen gerungen.“ Genau das mache ihr viel Freude: sich detailliert mit Problemstellungen auseinandersetzen. „Man muss unglaublich viel lesen. Es ist wichtig, viel Zeit zu investieren.“ Neben der Recherche stehen auch wiederholte Treffen von Rat und Kommissionen auf dem Programm. Während der Hochzeit der Pandemie trafen sich die Mitglieder oft online, doch es gibt auch immer wieder Termine in ganz Deutschland, bei denen sie sich in persona beratschlagen. Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder in Berlin.
"Mir persönlich sind Transparenz und Fairness bei der Einstellung sehr wichtig", nennt Arlinghaus ein Themenfeld, auf das sie ein besonderes Augenmerk bei ihrer Arbeit legt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sich oft von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln. Es fehle an Verlässlichkeit, aber auch an Diversität.
Physische und digitale Welt verschmelzen
„Meine Hauptaufgabe ist allerdings die Festanstellung an der Uni“, erzählt die Professorin. Seit 2019 lehrt sie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im selben Jahr übernahm sie die Leitung des Fraunhofer Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung. Ein Thema, das sie dabei besonders begeistert, ist die vierte industrielle Revolution. „Früher haben die Menschen mit den Händen gearbeitet – dann kam die Dampfmaschine“, wirft sie einen Blick in die Geschichte der Industrialisierung. Die Elektrik gelte als zweite Phase. Die dritte Phase der Industrialisierung begann in den 1970er-Jahren mit dem Einsatz von Computern. Und genau dort beginnt das Forschungsinteresse von Arlinghaus. Inzwischen sei man bei der vierten Phase der Industrialisierung angekommen. Die physische Welt verschmelze mit der Digitalen. „Man erhofft sich dadurch einen Produktivitätsschwung.“
„Ich denke, wir sind an einem Wendepunkt“, sagt die Forscherin. In immer mehr Bereichen sei es möglich, technisches Equipment zu mieten, statt es zu kaufen. „Ganze Flugzeuge und Turbinen werden gemietet“, nennt sie ein Beispiel. Es geht aber auch kleiner: Der Drucker in ihrem Büro gehöre nicht dem Institut. Pay per use (Zahle pro Benutzung) laute das Stichwort. „Wir bezahlen pro Kopie, dafür stellt die Betreiberfirma sicher, dass der Drucker immer funktioniert.“ Ein spannendes Geschäftsmodell, findet sie.
Hilfe durch künstliche Intelligenz
Drucker und Kopierer können inzwischen auch je nach Bedarf Tintenpatronen nachbestellen. Künstliche Intelligenz ist dabei am Werk. Auch an ihr ist die Forscherin besonders interessiert – Maschinen, die sich selbst kontrollieren. „Die künstliche Intelligenz hilft zu erkennen, wann gewartet werden muss“, lautet ein weiteres Beispiel aus der Praxis. Ein Zugwagen müsse so erst gewartet werden, wenn er bestimmte Kriterien erfülle. Sensoren helfen bei der Wartung und bringen Kosteneinsparungen.
Künstliche Intelligenz sei allerdings auch in vielen anderen Bereichen aktiv und begegne Menschen, die in der digitalen Welt unterwegs seien, an jeder Ecke. Vorschläge der Suchmaschine, Produktempfehlungen im Online-Shop – all das seien Beispiele dafür. Firmen, die prognostizieren können, was ihre Kunden bestellen werden, seien im Vorteil. Sie müssen gegebenenfalls nicht so viele Produkte auf Lager haben.
Ursprünglich wollte die 39-Jährige Pilotin werden. Doch ihr Weg führte sie in einen ganz anderen Bereich. An der Universität Bremen und an der Universität in Tokyo (Japan) studierte sie Wirtschaftsingenieurwesen. Ihre damaligen Schwerpunkte: Produktionstechnologie und Verfahrenstechnik. Für ihre Promotion verschlug es sie schließlich in die Schweiz an die Uni in St. Gallen. Später kehrte sie als Professorin nach Bremen zurück – allerdings an die Jacobs University.
Der Wissenschaftsrat ist nicht ihre erste beratende Tätigkeit. Zuvor stand sie schon der Porsche Consulting mit ihrem Fachwissen zur Seite.