Als er anheuerte, hieß der Hannoveraner Verband noch Verband hannoverscher Warmblutzüchter und hatte seinen Sitz in Hannover. Seither sind fast 38 Jahre vergangen, und längst ist aus Ludwig Christmanns erstem, noch etwas behelfsmäßigen Arbeitsraum im Gebäude der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ein angemessenes Büro in der Verdener Verbandszentrale geworden. Was der promovierte Tierzuchtexperte und verdienstvolle, weitgereiste Leiter der Abteilung „Zucht International“ nun aber nach und nach geräumt hat. Ab dem 1. Januar wird er „in Rente“ sein, wie er sagt. Berufliche Untätigkeit ist damit allerdings nicht gemeint.
Mit einigen Monaten in Teilzeit, verbracht im Homeoffice in Neddenaverbergen, aber auch wie gewohnt unterwegs, hat Ludwig Christmann, der im Februar 65 wird, seine vielfältige Arbeit im Angestelltenverhältnis ausklingen lassen. Im Zuge der Dressurhengstkörung Anfang November ist er, Ehefrau Maria an seiner Seite, in der Niedersachsenhalle vor großer Kulisse offiziell in den Ruhestand verabschiedet worden. Er erhielt die goldene Ehrennadel des Verbandes und darüber hinaus die Gustav-Rau-Medaille in Bronze der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die damit seine langjährige Mitwirkung in Fachgremien würdigte.
Es sei eine „sehr wertschätzende Zeremonie“ gewesen, schreibt Christmann in der aktuellen Ausgabe des Verbandsmagazins „Der Hannoveraner“. In seiner Anfangszeit wirkte er auch als Redakteur für die Zeitschrift, die einst den Titel „Hannoversches Pferd“ trug, und auch künftig werden dort Beiträge aus der geschliffenen Feder des gebürtigen Pfälzers zu finden sein. Eine bebilderte Doppelseite im Innenteil gebührt dem aus dem Amt scheidenden „Außenminister“ des Zuchtverbandes, den Wegbegleiter bei einem Treffen am Vorabend des großen Abschieds in der Halle unter anderem als „loyal, geduldig, feinsinnig, kompetent, integer, gerechtigkeitsliebend“ bezeichnet hatten. Auch an Grüßen per Video von Hannoveraner Züchterinnen und Züchtern „aus aller Welt“ mangelte es nicht.
Ihnen fühlte und fühlt sich Ludwig Christmann in besonderem Maße verbunden. Zunächst Stutbuchleiter und bis 2006 stellvertretender Zuchtleiter, hat er als langjähriger Leiter der Abteilung „Zucht International“ rund um den Globus erfolgreich gewirkt. In die Ferne hatte es ihn, wenigstens vorübergehend, auch schon während des Studiums der Tierzucht an der Universität Göttingen (fortgesetzt in Gießen) gezogen. Mit nachhaltigen Folgen in beruflicher, aber auch privater Hinsicht. Im Zuge eines Studentenaustauschprogramm, das ihn erstmals nach Kanada führte, hat er auch seine spätere Ehefrau kennengelernt, die ebenfalls in Göttingen studierte.
Rege Reisetätigkeit sollte über Jahrzehnte seinen Job prägen und sich als segensreich für den Zuchtverband und gleichermaßen für die Hannoveraner-Freunde allüberall erweisen. Inzwischen betreut der Verband Züchterinnen und Züchter in 25 Ländern. In den Vereinigten Staaten, Neuseeland, Großbritannien und Australien existieren eigene Tochterverbände. Fruchtbare Entwicklungshilfe wurde in etlichen europäischen Ländern geleistet, zudem auch beispielsweise in Südafrika, Südkorea und Japan. Konsequenterweise wurde 2011 der Bezirksverband „Hannoveraner International“ gegründet.
Was Christmann auf seinen ausgedehnten Touren über fünf Kontinente alles erlebt hat – es würde Bücher füllen. In „Der Hannoveraner“ stand schon immer wieder so einiges. Mit touristischem Sightseeing war es meist nicht weit her, dafür gab es zu viel zu tun für den Auslandsbeauftragten auf Mission. Wichtig sind ihm in der Rückschau nicht zuletzt die Begegnungen mit „tollen Menschen“, aus denen auch Freundschaften entstanden sind. Bilanz ziehend, betont der 64-Jährige beim Gespräch im bisherigen Büro, der Verband habe ihm stets Freiräume gewährt, „die Dinge so zu gestalten, wie ich es für richtig hielt“.
Parallel zu seiner Tätigkeit sei es ihm so auch möglich gewesen, seine Doktorarbeit zu schreiben. In seiner 1996 abgeschlossenen Dissertation hat sich Ludwig Christmann eingehend mit einem Thema befasst, das ihn auch zu einem gefragten Referenten und Mitglied in Fachgremien der FN machte: Zuchtwertschätzung. Das bekannte „Hannoveraner Jahrbuch Hengste“, das seit 1999 regelmäßig erscheint, trägt seine Handschrift und gilt laut Verband vielen Züchtern als „wertvolle Informationsquelle“. Die FN hob in einem Beitrag zur Verabschiedung auch hervor, der „Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis“ sei Christmanns besonderes Anliegen.
Dabei durfte der Verweis auf eine weitere wichtige Funktion des vielbeschäftigen Mannes nicht fehlen: Dem Vorstand der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd (GWP) gehört Christmann schon lange an, seit einigen Jahren ist er Vorsitzender. Langeweile hat der Vater dreier erwachsener Töchter – die älteste lebt in Australien – nicht zu befürchten. Er wird „dem Verband verbunden bleiben“ und sich „auf Wunsch“ weiter verschiedenen Projekten widmen, nun aber „ohne Termindruck“. Vielleicht steigt der Hobbyreiter mit Vorliebe fürs Wanderreiten auch mal wieder in den Sattel.