Die fünf Verdener Bürger, die 1919 den Heimatbund gegründet hatten und bereits zwei Jahre später, 1921, die erste Ausstellung mit heimischem Kulturgut organisierten, hätten wohl nicht zu träumen gewagt, dass es hundert Jahre später immer noch Ausstellungen zur Verdener Stadtgeschichte geben würde. Organisiert werden diese allerdings nicht mehr vom Heimatbund, sondern mittlerweile vom Historischen Museum Domherrenhaus, in das der Heimatbund später aufging. Jener ersten Ausstellung, die sich zum hundertsten Mal jährt, gedenkt das Domherrenhaus an diesem Wochenende in kleinem Rahmen: Am Sonnabend, 31. Juli, und Sonntag, 1. August, hat die Verdener Bevölkerung Gelegenheit, das Museum kostenfrei zu besuchen.
Gründungsjahre des Heimatbundes
Nach Angaben von Gabriele Müller vom Domherrenhaus wird mit einigen Exponaten an die Gründungsjahre des Heimatbundes erinnert. "Wir haben eine Vitrine mit Originaldokumenten, sogar eine Eintrittskarte für die allererste Ausstellung konnten wir auftreiben", erzählt Müller.
Wie Museumsleiter Björn Emigholz mitteilt, entstand der Heimatbund nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Fünf Verdener Bürger machten sich große Sorgen über das kulturelle Vermächtnis in Verden. Sie gründeten den Verdener Heimatbund und riefen die Verdener Bevölkerung zu Sachspenden auf, um „Vaterländisches Kulturgut“ der Nachwelt zu erhalten. "So steht es in der Gründungssatzung", schreibt Emigholz. Der Zustrom an Dingen und Dokumenten des Alltagslebens in Verden sei so stark gewesen, dass zwar schon im Juli 1919 die ersten Ausstellungen stattfanden konnten. Allerdings nicht in einem eigenen Ausstellungsraum, sondern in den Schaufenstern der Ratsapotheke, des Buchdruckers Häse und anderen.
Die ersten festen Räumlichkeiten durfte das Museum dann im Sandbergviertel, im stehengebliebenen Seitenschiff der Nicolaikirche, beziehen, die am 30. und 31. Juli 1921 eröffnet wurden. Im Jahre 1938 erwarb der Heimatbund das heutige Museumsgebäude, in dem dann ab 1959 die umfangreichen Sammlungen präsentiert werden konnten. Das Museum wurde vier Jahrzehnte später in Domherrenhaus umbenannt, nach den Domherren, die einst hier wohnten, in der Hofanlage des Freiherren von der Schulenburg.
"Nun schon in der vierten Generation lassen Gaben aus der Bevölkerung der Stadt und des Landkreises die Sammlungen wachsen", so der Museumsleiter. Ergänzt wurden diese durch die umfangreichen vorgeschichtlichen Funde, die eine ehrenamtliche Archäologie-Gruppe unter Leitung von Detlef Schünemann beisteuerte. Darunter befindet sich vor allem der weltberühmte Fundkomplex um die Lanze von Lehringen, eines von weltweit sehr wenigen Holzartefakten aus der Altsteinzeit.
Wechselvolle Geschichte
Doch das ist längst noch nicht alles. Der historische Fachwerkbau dokumentiert nicht nur detailreich die wechselvolle Geschichte einer kleinen Stadt, sondern repräsentiert mit seinem Standort auch selbst ein halbes Jahrtausend bewegter Zeiten. In der Ausstellung findet man Spuren der schwedischen Herrschaft nach dem 30-jährigen Krieg, Zeugnisse vom Prunk des Hannoverschen Königshauses und Dokumente der kaiserlichen Machtspiele, in denen manch ein Verdener Bischof zerrieben wurde. „Seit der Errichtung des Bistums Verden gab es bis ins Hochmittelalter keinen Kaiser, keinen Papst, für dessen Geschäfte die Stadt Verden keine Rolle spielte“, weiß Emigholz und ergänzt: „Karl der Große selbst gab ihr den Namen“.

Kommt bei Kindern immer besonders gut an: der Ausflug in die Frühgeschichte.
In der Ausstellung über die Verdener Geschichte sieht der Besucher ein Modell der Stadt um 1663, als Verden noch in zwei Teile geteilt war – erst über 100 Jahre später erfolgte der Verdener Mauerfall. Den größten Anziehungspunkt für Kinder und Jugendliche bildet die Ausstellung „Einmal Steinzeit und zurück“. Hier wird neben historisch bedeutsamen Ausgrabungsfunden aus dem Leben in der Bronzezeit ein Steinzeit-Panorama mit einer Jagdszene auf einen lebensgroßen Waldelefanten gezeigt. Interaktive Medien lassen die Besucher tief in das raue Leben um 120.000 Jahre vor unserer Zeit blicken und zeigen die Entwicklung der Waffen, der Behausung, der Werkzeuge und der Ernährung bis in die Bronzezeit. Dabei dürfen Schubladen aufgezogen, Dinge in die Hand genommen und ausprobiert werden. Weit über die Region hinaus berühmt ist die „Lanze von Lehringen“ aus dem Mittel-Paläolithikum, die einst kostbarer Besitz eines Neandertalers gewesen sein dürfte. Ebenso lohnend ist die Ausstellung im Obergeschoss. Hier geht es um Wohnkultur und gesellschaftliches Leben in den vergangenen Jahrhunderten. Vom barocken Prachtsalon, genannt „Beckmannzimmer“, in dem auch verliebte Paare standesamtlich getraut werden, über ein Biedermeier-Schlafzimmer mit Kinderwiege bis zur Original-Wohnküche der 1950er-Jahre kann man den stetigen Stilwandel der Innenarchitektur nachvollziehen. „Unsere Wohnküche ist der erfolgreichste Raum von allen“, erzählt Gabriele Müller. „An die Dinge können sich viele Besucher noch aus ihrer Kindheit erinnern.“