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Landgericht Verden Widersprüchliche Aussagen

Ein 26-Jähriger muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Verdener Landgericht verantworten. Er soll in einer Unterkunft für Geflüchtete einen Bewohner angegriffen haben.
17.03.2022, 17:23 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Eine zunächst verbale Auseinandersetzung zwischen zwei Bewohnern einer Verdener Unterkunft für Geflüchtete soll am 21. Juli vorigen Jahres derart eskaliert sein, dass sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts mit dem Fall zu befassen hat. Ein 26-Jähriger ist angeklagt, nicht nur gefährliche Körperverletzung begangen, sondern sogar versucht zu haben, einen zehn Jahre älteren Mann zu töten. Bislang stellt es sich allerdings als mühsames Unterfangen dar, genau aufzuklären, was sich an jenem Abend in dem ehemaligen Hotel überhaupt abgespielt hat.

Die Männer unterschiedlicher Nationalität und Sprache kamen am zweiten Verhandlungstag beide per Dolmetscher ausführlich zu Wort. Ein nur annähernd klares Bild vom Ablauf des Geschehens, das den Jüngeren auf die Anklagebank gebracht hat, ergab sich dadurch nicht. Dafür waren ihre Aussagen teils zu wenig nachvollziehbar, teils auch widersprüchlich. Deutlich wurde indes, dass beide sich schon seit längerer Zeit nicht „grün“ sind und zumindest schon einmal sehr heftig aneinandergeraten sind. Einen Polizeieinsatz hatte es in der Unterkunft bereits Ende Mai gegeben.

Vorangegangener Streit

Danach war der Mann, der jetzt als „Geschädigter“ gilt, auf Beschluss des Amtsgerichts vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. In stark alkoholisiertem Zustand – festgestellt wurden 2,4 Promille – soll er vormittags auf den Mitbewohner losgegangen sein und ihm gedroht haben, ihn zu töten. Auch ein Messer soll gesichtet worden sein. Als dieser Vorfall nun zur Sprache kam und näherer Erörterung bedurfte, unterbrach der Vorsitzende Richter die Verhandlung, um vom Amtsgericht die entsprechende Akte holen zu lassen. Die Angaben der Betroffenen zu ihrer Konfrontation im Mai waren auch nicht dazu angetan, den Sachverhalt einigermaßen nachvollziehbar darzustellen.

Laut Anklageschrift im aktuell zu verhandelnden Fall gerieten die Männer – der eine aus einem asiatischen, der andere aus einem afrikanischen Land – im Juli wieder in Streit. In dessen Verlauf soll der 26-Jährige derart ausgerastet sein, dass er dem Älteren mit einem „Wischmoppgestänge“ Schläge auf einen Arm versetzte, ihn dann auf einen Tisch im Aufenthaltsraum „drückte“ und in Tötungsabsicht mehrmals mit der Faust ins Gesicht schlug. Das Opfer soll Hämatome und Prellungen erlitten haben. Die Verletzungen wurden jedoch nicht dokumentiert. In den Unterlagen befindet sich lediglich ein Foto, das der Geschädigte offenbar selbst von sich geschossen hat – etwa zwei Wochen später.

Mehrere Ungereimtheiten

Eine Augenschwellung ist auf der Aufnahme erkennbar. Nein, er sei nicht in ärztlicher Behandlung gewesen, gab der Mann bei seiner Zeugenvernehmung auf Nachfrage an. Er habe sich einmal auf den Weg zu einem Arzt gemacht, aber der sei gerade in Urlaub gewesen. Auch dies gehört zu den Ungereimtheiten in dem Fall. Der Angeklagte wollte keineswegs den Unschuldsengel geben. Aber wie häufig und intensiv er den Zeugen geschlagen hatte, blieb offen. Mehrmals beteuerte er, nur einmal zugeschlagen zu haben. Und zunächst auch nur, weil der andere ihn mal wieder „beschimpft und beleidigt“ habe. An anderer Stelle sagte er auch, er habe bei dem „wieder betrunkenen“ Mann „ein großes Messer in der Hand“ gesehen.

Das vermutlich reduzierte Erinnerungsvermögen des 36-Jährigen, bei dem diesmal 1,56 Promille registriert worden waren, vermittelte einen anderen Ablauf. Er habe den Angeklagten auf dem Weg zur Waschmaschine gesehen und mitgeteilt, dessen „Angriff vom letzten Mal“ nicht vergessen zu haben. Da sei der auch schon auf ihn „zugerannt“ und habe ihn unter anderem mit einem „großen Stock“ angegriffen und dann ins Gesicht geschlagen. Er habe sich zu wehren versucht, man sei auch gemeinsam zu Boden gegangen. Ob er zwischendurch durch die Schläge mal bewusstlos gewesen oder nur einen „kurzer Aussetzer“ durch seine Alkoholisierung gehabt habe, wisse er nicht. Und überhaupt sei es bei dem Angeklagten ja so: „Er ist immer da und sucht Streit“.  

Ein psychiatrischer Sachverständiger wird sich zur Schuldfähigkeit des Angeklagten äußern, der auch schon einige Zeit in der Rotenburger Psychiatrie verbracht hat. Die Schwurgerichtskammer ließ im Dezember schon eine Tendenz in der Bewertung der Tat erkennen: Im Beschluss zur Fortdauer der Untersuchungshaft ging sie „nur“ von gefährlicher Körperverletzung aus.

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